11.01.2022 · Arbeitnehmer · smart steuern ·
Lesezeit: 3 Min.

Meinung: 30 Milliarden € Steuerentlastung – viel heiße Luft

Das neue Jahr hatte gerade begonnen, da gab unser neuer Finanzminister Christian Lindner (FDP) der Bild am Sonntag ein Interview. Und weil alle Medien darüber berichteten, erfuhr ich sogar an meinen freien Tagen, dass es um Steuerentlastungen von mehr als 30 Milliarden € gehen soll. Das machte mich dann endgültig neugierig. Und ließ mich das genauer anschauen. Was soll ich sagen: Ich war sehr schnell sehr enttäuscht. Warum? Das verrate ich Ihnen in diesem Artikel.

Die gute Nachricht zuerst aus dem Artikel in der Bild am Sonntag: Christian Lindner wird im Sommer seine Verlobte heiraten. Das freut uns für die beiden – doch kommen wir nun zu den harten Fakten. 

Was kommt steuerlich auf uns zu? 

Gehen wir der Reihenfolge nach. 2022 dürfte sich wenig bis gar nichts ändern. Den Grund liefert Lindner selbst: „Der Haushalt 2022 ist noch von der Vorgängerregierung geprägt…“

Das ist nachvollziehbar und es gibt wohl kaum jemanden, der das nicht nachvollziehen kann. Immerhin soll es trotz der angespannten Lage keine Steuererhöhungen geben. Lindner habe die anderen Ministerinnen und Minister schon mal vorsorglich darum gebeten, ihre Vorhaben zu priorisieren und bisherige Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Denn 2023 soll die Schuldenbremse wieder greifen. Trotz allem gibt es dann doch eine gute Nachricht vom Finanzminister: „… in meinem Entwurf für 2023 werden Entlastungen enthalten sein.“ Die Spannung steigt also schon mal.

Was heißt das konkret?

Nun, uns allen ist klar, dass Lindner in einem Interview nicht auf Heller und Pfennig alles sagen kann, was geplant ist. Schauen wir uns aber mal das an, was er gesagt hat:

In dieser Legislaturperiode (2021 bis 2025) sollen Menschen und der Mittelstand um deutlich mehr als 30 Milliarden € entlastet werden. Puuh, das ist aber jetzt nicht so schrecklich viel. Denn verteilt man die Entlastung auf drei Jahre (2022 fällt ja weg), kommt man nur noch auf 10 Milliarden € im Jahr. Oder eben vielleicht etwas mehr.
Und wenn man dann noch schaut, dass das nicht nur die einfachen Steuerzahler:innen betrifft, sondern auch den Mittelstand, kann nur noch wirklich sehr wenig pro Kopf als Steuerentlastung ankommen. Im Schnitt vermutlich keine 100 € pro Kopf im Jahr.

  • Konkretes Beispiel 1: Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen voll von der Steuer abgesetzt werden können, so Lindner. Nun, nach bisheriger Gesetzgebung waren für 2023 96 %, 2024 98 % und ab 2025 immer 100 % der Beiträge absetzbar. Wir reden also von minimalen Verbesserungen. Und die sind auch noch vor allem dem Urteil des Bundesfinanzhofs zur Doppelbesteuerung von Renten geschuldet, auf das die Politik reagieren musste.
  • Konkretes Beispiel 2: Die EEG-Umlage auf den Strompreis wird abgeschafft, verkündet Lindner. Ja, das ist gut, bei den explodierenden Strompreisen. Aber: Auf diese Abschaffung hatten sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag auf Seite 64 schon längst geeinigt. Bei Lindner klingt es aber so, als ob er das mal eben klar gemacht hat. 

Sagen wir es mal so: Ein Christian Lindner in der Opposition hätte dem amtierenden Finanzminister diese Entlastungen mal kräftig um die Ohren gehauen…

Symbolpolitik bei den Finanzen

Ich gebe zu, es gibt in der Politik tatsächlich symbolische Dinge, die in meinen Augen durchaus ihre Berechtigung haben. Wenn etwa Cem Özdemir mit dem Rad zum Bundespräsidenten fährt, um seine Ernennungsurkunde in Empfang zu nehmen. Es gibt aber Fälle, wo das in meinen Augen nicht funktioniert.

Der neue Bundesfinanzminister pickte sich dafür das sogenannte Regierungsterminal am Flughafen BER heraus. Das ist dann ja immer ein Selbstläufer, denn der BER selbst steht ja für Milliarden-Steuerverschwendung. Also: Bisher war geplant, für 50 Millionen € ein neues Gebäude für Staatsgäste und Minister zu bauen. Lindner meint aber, dass das Übergangsgebäude dauerhaft genutzt werden könne. Das Auswärtige Amt solle seine Meinung über einen Neubau ändern. Kann man alles so machen, auch wenn 50 Millionen nun wirklich kein größerer Betrag in einem Staatshaushalt sind. Doch der Finanzminister will Symbolpolitik und sagt: „Ein Verzicht wäre das Signal, dass wir mit dem Geld der Steuerzahler sorgsam umgehen.“ Sorry, das wäre für mich kein Signal.

Zusammenfassung: Sie haben es sicher gemerkt. Ich bin ganz schön sauer. Weniger darüber, dass es voraussichtlich kaum Steuerentlastungen geben wird. Sondern vielmehr darüber, dass Finanzminister Lindner mit großen Zahlen blendet und Beispiele bringt, für die er nicht mal etwas kann. Die Diskussion über das 50 Millionen € teure Regierungsterminal krönt für mich das Interview im Negativen.
Aber vielleicht habe ich ja einfach nur schlecht geschlafen? Wie sehen Sie das Ganze: Bin ich ungerecht? Oder schließen Sie sich meiner Meinung an? Immer her mit Ihren Kommentaren. Wir freuen uns auf eine echte Diskussion. 

Mandy Pank
Verfasst von:
Mandy ist im Marketing tätig und immer darauf bedacht steuerliche Themen so einfach wie möglich aufzubereiten. Dabei hilft ihr natürlich auch ihr Hintergrund als Steuerfachangestellte. Sie versetzt sich gerne in die Lage der Kunden, um herauszufinden, wo der Schuh drückt. Doch auch für ihre Kollegen hat sie immer ein offenes Ohr und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
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Bisherige Kommentare (Selber ein Kommentar hinterlassen)

  • Avatar Buchholz sagt:

    Sehr geehrte Frau Pank,
    ich stimme Ihnen zu, dass knapp über 10 Milliarden im Jahr jetzt keine SO große Sache ist bei den Entlastungen und vor allem, dass das nicht Herrn Lindners Bemühungen geschuldet ist.
    Vollkommen stimme ich Ihnen zu, dass die Einsparung der 50 Millionen für das neue Gebäude für ein Staatshaushalt Peanuts sind!
    Dennoch muss ich sagen, auch Kleinvieh macht Mist! Aus mehreren solchen „kleinen“ Einsparungen kommt eine große Summe zusammen.
    Was aber m. E. noch wichtiger ist, ist die Kommunikation der Einsparungen. Man hört immer nur, wie viel der Staat ausgibt und verprasst. Da klingt es doch tatsächlich angenehm in den Ohren, dass es irgendwo auch eingespart wurde 🙂
    Natürlich kann man sowas auch herrlich andersrum nutzen; erst plant man mit SEHR hohen Geldausgaben und dann erzählt man, man hätte einen guten Teil davon wieder einsparen können. Am Ende würde man das bekommen, wofür das Geld eingeplant war, und auch noch als Held dastehen. Das will ich dem Herrn Lindner aber noch nicht unterstellen!


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