Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Stand: 2. Mai 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit dem Reverse-Charge-Verfahren kann die Steuerschuldnerschaft unter bestimmten Voraussetzungen auf den Leistungsempfänger übergehen. Das bedeutet: Das Unternehmen, das die Leistung erhält, muss die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
  • Voraussetzungen:
    • Der Leistungsempfänger muss ein Unternehmen oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein.
    • Leistungsbringer muss im Gemeinschaftsgebiet oder im Ausland ansässig sein und im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erbringen.
  • Das Reverse-Charge-Verfahren gilt beispielsweise in folgenden Fällen:
    • Werklieferungen und sonstige Lieferungen, die der Herstellung, Änderung, Beseitigung, Instandsetzung oder -haltung von Bauwerken dienen.

Inhaltsverzeichnis

1 Zeitlicher Anwendungsbereich und Anwendungsregelungen
2 Allgemeine Grundsätze zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
2.1 Überblick über die Anwendungsgrundsätze
2.2 Fehlerhafte Anwendung bzw. Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
2.2.1 Überblick über die Anwendung bzw. Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
2.2.2 Fehlerhafte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
2.2.3 Fehlerhafte Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
3 Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 1 UStG
3.1 Allgemeine Grundsätze zum Wechsel der Steuerschuldnerschaft bei Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG
3.2 Die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG als Voraussetzung für die Anwendung des § 13b Abs. 1 UStG
3.2.1 Grundsätzliches zur Leistungsortbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG
3.2.2 Besonderheiten bei juristischen Personen
3.2.2.1 Ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Personen
3.2.2.2 Unternehmerisch und nichtunternehmerisch tätige juristische Personen
3.2.3 Besonderheiten bei nicht unternehmerisch tätigen nichtrechtsfähigen Vereinen
3.3 Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet
3.4 Besteuerungsverfahren
3.4.1 Pflichten des leistenden Unternehmers
3.4.2 Pflichten des Leistungsempfängers
4 Die maßgeblichen Umsätze i.S.d. § 13b Abs. 2 UStG
4.1 Werklieferungen und sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG)
4.1.1 Werklieferungen von im Ausland ansässigen Unternehmern
4.1.2 Sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern
4.1.3 Ausländischer Unternehmer
4.1.4 Inländischer Unternehmer
4.1.5 Reverse-Charge-Verfahren bei Organschaftsverhältnissen
4.1.6 Zusammenfassende Übersicht zum inländischen bzw. ausländischen Unternehmer
4.1.7 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
4.2 Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG)
4.3 Umsätze, die unter das GrEStG fallen (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG)
4.3.1 Grundsätzliches
4.3.2 Steuerschuldner
4.4 Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG)
4.4.1 Grundsätzliches
4.4.2 Der Begriff des Bauwerks i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG
4.4.3 Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG
4.4.4 Voraussetzungen für den Übergang der Steuerschuld bei der Ausführung von Bauleistungen
4.4.4.1 Allgemeiner Überblick zu den Anwendungsregelungen
4.4.4.2 Bauleistungen, die ab dem 6.11.2015 ausgeführt werden
4.4.4.2.1 Grundsätzliches zur Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG
4.4.4.2.2 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
4.4.4.2.3 Bauleistungen an einen Organkreis
4.5 Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG)
4.5.1 Allgemeiner Überblick
4.5.2 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG
4.5.2.1 Die Tatbestände im Einzelnen
4.5.2.2 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
4.5.3 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG
4.5.3.1 Die Tatbestände im Einzelnen
4.5.3.2 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
4.5.4 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von E-Charging
4.5.4.1 Stromlieferung unmittelbar vom Ladesäulenbetreiber (Charge Point Operator – CPO) an den Kunden
4.5.4.2 Stromlieferung über einen E-Mobility Provider (EMP)
4.6 Übertragung von Berechtigungen u.a. nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz
4.6.1 Grund für die Einführung des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG
4.6.2 Einführung des Art. 199a MwStSystRL
4.6.3 Die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG im Einzelnen
4.7 Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG)
4.7.1 Gegenstände der Anlage 3 des UStG
4.7.2 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
4.8 Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG)
4.8.1 Grundsätzliche
4.8.2 Gebäudereinigungsleistungen, die nach dem 30.9.2014 erbracht werden
4.8.3 Vermittlung von Gebäudereinigungsleistungen
4.8.4 Gebäudereinigungsleistung im Wege der Dienstleistungskommission
4.9 Goldlieferungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG)
4.10 Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen
4.10.1 Gegenstände i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG
4.10.1.1 Mobilfunkgeräte
4.10.1.2 Ergänzung der Liste der Gegenstände durch das KroatienG ab 1.10.2014
4.10.2 Bagatellgrenze
4.10.3 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
4.11 Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG)
4.11.1 Erweiterung des § 13b Abs. 2 UStG durch das KroatienG
4.11.2 Neufassung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 i.V.m. Anlage 4 zum UStG durch das ZollkodexAnpG
4.11.2.1 Die Änderungen im Überblick
4.11.2.2 Bagatellgrenze
4.11.3 Übergang der Steuerschuldnerschaft
4.12 Telekommunikationsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG)
4.12.1 Anwendungsgrundsätze
4.12.2 Begriff der Telekommunikationsleistungen
4.12.3 Anwendungsgrundsätze im Allgemeinen
4.12.4 Anwendungsgrundsätze im Einzelnen
4.12.4.1 Wiederverkäufer als Haupttätigkeit
4.12.4.2 Untergeordneter eigener Verbrauch
4.12.4.3 Bereitstellung von Internet- und/oder TV-Anschluss
4.12.4.4 Selbst erzeugte Telekommunikationsleistungen
4.12.4.5 Vordruck USt 1 TQ
4.12.4.6 Wiederverkäufereigenschaft im Organkreis
4.12.4.7 Besonderheiten beim Übergang der Steuerschuldnerschaft
4.12.5 Übergangsregelungen
5 Keine Anwendung bei Umsätzen i.S.d. § 13b Abs. 6 UStG
6 Entstehung der Steuer
6.1 Entstehung nach § 13b Abs. 1 UStG
6.2 Entstehung nach § 13b Abs. 2 UStG
6.3 Entstehung nach § 13b Abs. 3 UStG
7 Voranmeldungszeitraum
8 Rechnungserteilung
9 Bemessungsgrundlage und Berechnung der Steuer
10 Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers
11 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers und allgemeines Besteuerungsverfahren
12 Aufzeichnungspflichten
13 Übergangsregelungen
13.1 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2011
13.2 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.7.2011
13.3 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.9.2013
13.4 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.10.2014
13.5 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2015
13.6 Erweiterung des § 13b UStG ab 6.11.2015
13.7 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2020
13.8 Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2021
14 Literaturhinweise
15 Verwandte Lexikonartikel

1. Zeitlicher Anwendungsbereich und Anwendungsregelungen

Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften – EU-Vorgabenumsetzungsgesetz – vom 8.4.2010 (BGBl I 2010, 386) wurde § 13b UStG komplett neu gefasst. Die Neufassung tritt ab 1.7.2010 in Kraft (Art. 10 Abs. 4 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften).

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Durch Art. 12 Nr. 4 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird ab dem 1.1.2021 in § 13b Abs. 2 UStG eine neue Nr. 12 angefügt. Danach wird der Empfänger von Telekommunikationsleistungen Steuerschuldner der USt, wenn er ein sog. Wiederverkäufer ist, d.h. wenn er derartige Leistungen üblicherweise einkauft, um sie weiter zu veräußern.

Zu weiteren Gesetzesänderungen bzw. -ergänzungen s. unter den jeweiligen Gliederungspunkten (s.a. Kurzbeitrag vom 7.10.2014, LEXinform 0652476).

2. Allgemeine Grundsätze zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens

2.1. Überblick über die Anwendungsgrundsätze

Unternehmer und juristische Personen schulden als Leistungsempfänger für bestimmte an sie im Inland ausgeführte steuerpflichtige Umsätze die Steuer. Dies gilt sowohl für im Inland ansässige als auch für im Ausland ansässige Leistungsempfänger (Abschn. 13b.1. Abs. 1 Satz 1und 2 UStAE). Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht steuerbare oder steuerfreie Umsätze nicht dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen. Auch Kleinunternehmer (§ 19 UStG), pauschalversteuernde Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, schulden die Steuer (Abschn. 13b.1. Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Die Steuerschuldnerschaft erstreckt sich

  • sowohl auf die Umsätze für den unternehmerischen

  • als auch auf die Umsätze für den nichtunternehmerischen Bereich

des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG und Abschn. 13b.1. Abs. 1 Satz 4 UStAE).

Eine Ausnahme besteht in den Fällen des § 13b Abs. 2 Nr. 4, 5 Buchst. b, Nr. 7 bis 12 UStG i.d.F. des JStG 2020. In diesen Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen (§ 13b Abs. 5 Satz 11 UStG). Anwendungsregelungen dazu enthält das BMF-Schreiben vom 10.8.2016 (BStBl I 2016, 820 unter Abschnitt II.).

Beispiel 1:

Der Arzt Dr. A, ansässig in Hamburg bzw. alternativ in Mailand, ist Eigentümer eines eigengenutzten Ferienhauses am Starnberger See. Der italienische Malermeister I renoviert das Ferienhaus im November 36 für 15 000 €.

Lösung 1:

I aus Italien tätigt eine Werkleistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG. Die Leistung wird nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt (s.a. Abschn. 3a.3. Abs. 8 UStAE). Die Leistung des I ist somit in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Die Steuerschuldnerschaft geht nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 UStG auf A über, weil dieser Unternehmer ist und einen in § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG bezeichneten Umsatz empfängt und auch der Umsatz des ausländischen Unternehmers nicht nach § 13b Abs. 6 UStG vom Reverse-Charge-Verfahren ausgenommen ist. Unerheblich ist, dass A eventuell nicht im Inland ansässig ist und dass er die Leistung nicht für sein Unternehmen empfängt (§ 13b Abs. 5 Sätze 1 und 7 UStG). Die Vorsteuer ist gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG nicht abziehbar, da die Leistung i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht für das Unternehmen des A ausgeführt worden ist.

§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ist u.a. deshalb nicht anzuwenden, weil die Bauleistungen nicht von einem im Inland ansässigen Unternehmer erbracht werden (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 UStG; Abschn. 13b.3. Abs. 1 UStAE; s.a. das Beispiel in Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 3 UStAE).

2.2. Fehlerhafte Anwendung bzw. Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens

2.2.1. Überblick über die Anwendung bzw. Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens

Wegen der Vielzahl der möglichen Anwendungsfälle (s. die folgenden Gliederungspunkte) steht der Unternehmer häufig vor dem Problem, im Zeitpunkt der Leistungsausführung richtig über die Anwendung bzw. Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens entscheiden zu können. Er muss entscheiden, ob er als Leistender oder ob der Leistungsempfänger die USt schuldet.

Wechselt die Steuerschuld gem. § 13b UStG auf den Leistungsempfänger, muss der leistende Unternehmer netto ohne Umsatzsteuerausweis abrechnen (§ 14a Abs. 5 Satz 1 und 2 UStG, Abschn. 13b.14. Abs. 1 UStAE). Weist der leistende Unternehmer die Steuer in der Rechnung gesondert aus, wird diese Steuer von ihm nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet (Abschn. 13b.14. Abs. 1 Satz 5 und Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 UStAE; BFH vom 12.10.2016, XI R 43/14, BStBl II 2022, 566).

Bleibt der leistungsausführende Unternehmer gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG Steuerschuldner, muss der Leistungsempfänger die in der Rechnung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG gesondert ausgewiesene USt an den Leistenden zahlen mit der Möglichkeit des korrespondierenden Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

2.2.2. Fehlerhafte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens

Gehen die Parteien bei Leistungsausführung irrtümlich von einem Anwendungsfall des § 13b UStG aus, hat dies zunächst folgende Auswirkung:

In den Fällen, in denen der Leistungsempfänger voll vorsteuerabzugsberechtigt ist, führt die fehlerhafte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens trotzdem zu einer neutralen und letztendlich korrekten Umsatzversteuerung.

Haben der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger für einen an ihn erbrachten Umsatz § 13b Abs. 2 Nr. 4, Nr. 5 Buchst. b oder Nr. 7 bis 12 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 3 bis 6 UStG angewandt, obwohl dies nach Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Voraussetzungen nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner (§ 13b Abs. 5 Satz 8 UStG). Voraussetzung ist, dass durch diese Handhabung keine Steuerausfälle entstehen. Dies gilt dann als erfüllt, wenn der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wird (Abschn. 13b.8. Abs. 1 UStAE).

§ 13b Abs. 5 Satz 8 UStG gilt nicht bei einer Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, wenn fraglich war, ob die Voraussetzungen hierfür in der Person der beteiligten Unternehmer (z.B. die Eigenschaft als Bauleistender; vgl. dazu Abschn. 13b.3. Abs. 1 bis 7 UStAE) erfüllt sind.

Soweit der Leistungsempfänger nicht oder nicht voll vorsteuerabzugsberechtigt ist, führt die fehlerhafte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens zu einem Nachteil des Leistungsempfängers, da dieser die USt an das FA abführt ohne den korrespondieren Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen zu können. In diesem Fall kann der Leistungsempfänger die zu Unrecht entrichtete USt vom FA zurück verlangen. Die Folge dieser Rückabwicklung betraf insbesondere die Bauträgerfälle und führte zu der Regelung des § 27 Abs. 19 UStG.

Beachte:

Die Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG gilt nur für vor dem 15.2.2014 ausgeführte Bauleistungen (→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer).

Sind der Leistungsempfänger (Bauträger) und der leistende Bauunternehmer nach diesem Stichtag übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Reverse-Charge-Verfahrens vorliegen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Auslegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, so tritt die Fiktion des § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG ein (s.o.).

Zur möglichen Rückwirkung der Rechnungsberichtigung bei irrtümlicher Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens hat der BFH mit Urteil vom 7.7.2022 (V R 33/20, BStBl II 2022, 821) die erstinstanzliche Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 17.9.2020 (11 K 324/19, EFG 2021, 76, LEXinform 5023432) aufgehoben.

Entscheidungssachverhalt:

Nach einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass L seinen Sitz im Inland hat.

U erteilte dem L im Kj. 16 eine berichtigte Rechnung mit gesondertem USt-Ausweis i.H.v. 54 076 €. Im Kj. 16 reichte L eine geänderte USt-Erklärung für das Kj. 12 ein, in der L einen um 54 076 € erhöhten Vorsteuerabzug geltend machte.

Das FA berücksichtigte die Vorsteuerbeträge im Kj. 12 nicht.

Das Niedersächsische FG gab der Klage des L statt. Für die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung sei es unschädlich, dass die ursprüngliche Rechnung keinen Steuerausweis enthielt. Unter 3.b.cc) seine Entscheidung weist das FG auf die BFH-Rspr. hin, nach der der BFH als Grundlage für eine mit Rückwirkung berichtigungsfähige Rechnung verlangt, dass die Abrechnung Mindestangaben zu fünf bestimmten Rechnungsangaben enthält. Ein Dokument ist danach nur dann eine Rechnung, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (BFH vom 20.10.2016, V R 26/15, BStBl II 2020, 593 und V R 64/14, BFH/NV 2017, 490, LEXinform 0950123; vom 15.10.2019, V R 19/18, BStBl II 2020, 600; vom 12.3.2020, V R 48/17, BStBl II 2020, 604; s.a. BMF vom 18.9.2020, BStBl I 2020, 976, Rz. 16; s.a. Abschn. 15.2a. Abs. 7 Satz 6 UStAE).

Das FG gelangte zu der Rechtsauffassung, dass trotz der fehlenden Mindestangabe bezüglich der ausgewiesenen USt in der ursprünglichen Rechnung die berichtigte Rechnung Rückwirkung entfaltet, da der Steuerausweis aufgrund der Steuerschuldnerschaft des L entbehrlich sei. L könne die rückwirkende Rechnungsberichtigung nicht mit der Begründung versagt werden, dass bei der korrigierten Rechnung der USt-Ausweis fehle. Vielmehr war es so, dass Unternehmer U – nach dem angenommenen Fall einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers – nicht dazu befugt war, USt gesondert auszuweisen.

Entscheidungsgründe:

Für die Rechnungserteilung in den Fällen des § 13b UStG enthält § 14a Abs. 5 UStG eine Sonderregelung. Führt der Unternehmer eine Leistung aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG die USt schuldet, ist er nach § 14a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« verpflichtet. Die Vorschrift über den gesonderten Ausweis der Steuer (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG) ist nach § 14a Abs. 5 Satz 2 UStG ausdrücklich nicht anzuwenden.

Ein Stpfl. kann nicht beanspruchen, einen Steuerbetrag abzuziehen, der ihm nicht in Rechnung gestellt wurde (BFH vom 7.7.2022, V R 33/20, BStBl II 2022, 821, Rz. 20). Da der Abzug des Steuerbetrags an dessen Inrechnungstellung gekoppelt ist, kann dieser Steuerausweis nicht in der Weise mit Rückwirkung erfolgen, dass er einen Vorsteuerabzug für einen Zeitraum vor dem Vorliegen dieses Steuerausweises begründet. So ist es jedenfalls dann, wenn es – wie im Urteilsfall – um einen erstmals in einer berichtigten Rechnung ausgewiesenen inländischen Steuerbetrag bei einer zunächst angenommenen Steuerschuldumkehr mit irrtümlich angenommenem Leistungsort im Ausland geht.

Nach dem übereinstimmenden Willen der an den entgeltlichen Leistungen Beteiligten sollten weder die Klägerin noch die leistenden Unternehmer eine inländische USt zahlen.

Fazit:

Eine Belastung der Klägerin mit inländischer USt konnte daher nach dem Willen der Vertragsparteien erst aufgrund der Rechnungsberichtigungen eintreten (s.a. Brill, NWB 44/2022, 3079). Eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung für den Vorsteuerabzug kommt im Urteilsfall nicht in Betracht.

2.2.3. Fehlerhafte Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens

Die Parteien sind bei Leistungsausführung von der Steuerschuld des leistenden Unternehmers gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgegangen und haben also das Reverse-Charge-Verfahren ausgeschlossen.

Diese fehlerhafte Behandlung hat zunächst folgende Auswirkung:

Der Leistende hat die vereinnahmte USt an das FA entrichtet, der Leistungsempfänger hat den korrespondierenden Vorsteuerabzug geltend gemacht.

Stellt das FA des Leistungsempfängers z.B. anlässlich einer Betriebsprüfung den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger fest, wird bei diesem der Vorsteuerabzug aus der dann unrichtigen Rechnung versagt. Da der leistende Unternehmer die USt in der Rechnung gesondert ausgewiesen hat, wird diese Steuer von ihm nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet (Abschn. 13b.14. Abs. 1 Satz 5 UStAE). Ein Vorsteuerabzug ist damit nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14c UStG schuldet (Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Der unrichtige Steuerausweis kann nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG berichtigt werden. Bei der Rechnungsberichtigung ist die Vorschrift des § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden. Der Berichtigungsanspruch nach § 17 UStG entsteht erst mit der Rückgewähr des Entgelts (BFH vom 2.9.2010, V R 34/09, BStBl II 2011, 991). Daher ist eine Berichtigung des unrichtigen Steuerausweises in den Fällen des § 13b UStG erst möglich, soweit die bisher gesondert ausgewiesene Steuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt wurde. Ansonsten wäre der leistende Unternehmer ungerechtfertigt bereichert (s. OFD Karlsruhe vom 25.9.2012, S 7282 – Karte 2 – UR 2013, 283). Nach der Rz. 38 und 39 des BFH-Urteils vom 12.10.2016 (XI R 43/14, BStBl II 2022, 566) kann die zu Unrecht vereinnahmte USt auch im Wege der Abtretung und Verrechnung zurückgewährt werden (s.a. Anmerkung vom 7.2.2017, LEXinform 0653097). Zusätzlich ist eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 und 2 UStG durch den Leistungsempfänger und Steuerschuldner durchzuführen. Die gesamte Berichtigung i.S.d. § 17 UStG wird durch Beispiele unter dem Gliederungspunkt »Bemessungsgrundlage und Berechnung der Steuer« verdeutlicht.

Zur Erstattung zu Unrecht gezahlter USt durch den Leistungserbringer wegen Nichtbeachtung des Reverse-Charge-Verfahren hat der EuGH mit Urteil vom 2.7.2020 (C-835/18, UR 2020, 685, LEXinform 0651659) folgenden Fall entschieden:

Entscheidungssachverhalt:

Die rumänische Handelsgesellschaft R lieferte im Oktober des Kj. 13 Raps an die deutsche Gesellschaft D und behandelte diese Lieferung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Die rumänische Steuerbehörde versagte bei der durchgeführten Steuerprüfung der Gesellschaft R die Steuerbefreiung und forderte mit Steuerbescheid vom 4.3.14 von R die Mehrwertsteuer i.H.v. 100 000 € (umgerechnet) für die Rapslieferung an D, die als Inlandslieferung mit dem normalen Steuersatz von 24 % angesehen wurde. R legte gegen diesen Bescheid keinen Einspruch ein, der damit bestandskräftig wurde.

Am 31.3.14 stellte R berichtigte Rechnungen aus und stufte die betreffenden inländischen Lieferungen nach rumänischem Recht zutreffend als Lieferungen von Gegenständen, auf die die Umkehr der Steuerschuldnerschaft anzuwenden ist (s. Art. 199a Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL); beide Unternehmer rechneten mit ihrer rumänischen USt-IdNr. ab. In der Mehrwertsteuererklärung für März 14 zog R die diese Rechnungen betreffende Mehrwertsteuer von der für diesen Zeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer ab und es ergab sich ein negativer Mehrwertsteuerbetrag. R beantragte eine Erstattung der Mehrwertsteuer i.H.v. 100 000 € (umgerechnet), was der im Steuerbescheid vom 4.3.14 festgesetzten Mehrwertsteuer entsprach.

Mit Steuerbescheid vom 10.2.17 lehnte die rumänische Steuerbehörde die Erstattung ab und setzte die Steuer auf 100 000 € (umgerechnet) fest. Die Steuerbehörde war der Ansicht, die Berichtigung wegen Übergangs der Steuerschuldnerschaft habe die Wirkung des Steuerbescheids vom 4.3.14 rechtswidrig aufgehoben, obwohl dieser bestandskräftig geworden sei.

Die Einspruchsfrist beträgt in Rumänien 30 Tage. Nach rumänischem Recht besteht für den Unternehmer die Möglichkeit, innerhalb von fünf Jahren die Erstattung der fälschlich in Rechnung gestellten und entrichteten Mehrwertsteuer durch Berichtigung der von ihm ausgestellten Rechnungen zu erhalten. Unternehmer R hätte aber den ersten Steuerbescheid vom 4.3.4 anfechten müssen, bevor dieser bestandskräftig wurde, um diese Erstattung zu erhalten.

Entscheidungsgründe:

Der EuGH bestätigt die Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Im Fall der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft erfolgt aber zwischen dem Lieferer und dem stpfl. Empfänger der Lieferungen keine Mehrwertsteuerzahlung, und Letzterer hat für die getätigten Umsätze Mehrwertsteuer zu entrichten. Da die Mehrwertsteuer von dem Lieferer gem. den Art. 193, 199 und 199a MwStSystRL nicht geschuldet wird, kann dieser nicht als mehrwertsteuerpflichtig angesehen werden, und der Umstand, dass er die Mehrwertsteuer aufgrund der fehlerhaften Annahme entrichtet hat, dass die Umkehr der Steuerschuldnerschaft der Mehrwertsteuer nicht auf die betreffende Lieferung anzuwenden sei, ermächtigt nicht dazu, von dieser Regel abzuweichen, sodass diese fälschlich in Rechnung gestellte und entrichtete Mehrwertsteuer diesem Lieferer grds. erstattet werden muss (EuGH C-835/18, Rz. 23).

Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, der ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, soll den Stpfl. im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vollständig von der Mehrwertsteuer entlasten. Dieses System gewährleistet daher eine völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese selbst grds. der Mehrwertsteuer unterliegen. Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, zur Gewährleistung der Neutralität der Mehrwertsteuer in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung die Möglichkeit vorzusehen, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist.

Würde man einem Lieferer die Erstattung der rechtsgrundlos entrichteten Mehrwertsteuer – die in Rechnung gestellt wurde, obwohl auf die von diesem Lieferer im Rahmen seiner der Mehrwertsteuer unterliegenden wirtschaftlichen Tätigkeiten erfolgten Lieferungen die Vorschriften über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft anzuwenden waren und nicht die Vorschriften des normalen Mehrwertsteuersystems – verwehren, liefe dies demnach darauf hinaus, ihm unter Missachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer eine Steuerlast aufzuerlegen (EuGH C-835/18, Rz. 30).

Der EuGH betont in Rz. 32 seiner Entscheidung, dass die Möglichkeit, einen Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer ohne jede zeitliche Beschränkung zu stellen, dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderliefe, der verlangt, dass die steuerliche Lage des Stpfl. in Anbetracht seiner Rechte und Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt offenbleiben kann. Der Gerichtshof hat für Recht erkannt, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Der EuGH sieht die Frist von 30 Tagen als zu kurz an (Rz. 34 und 35). Es kann dem Stpfl. nicht verwehrt werden, Rechnungen für bestimmte seiner Umsätze zu berichtigen und sich für die Erstattung der von ihm rechtsgrundlos in Rechnung gestellten und entrichteten Mehrwertsteuer auf die Ausschlussfrist von fünf Jahren zu berufen, da die mit dieser Regelung festgesetzte fünfjährige Ausschlussfrist noch nicht abgelaufen ist.

Fazit:

Nach der EuGH-Entscheidung C-835/18 ist die rückwirkende Berichtigung von Rechnungen zeitlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist möglich. Die Bestandskraft des Steuerbescheids ist als zeitlicher Rahmen für Rechnungsberichtigung unbeachtlich (s.a. Nieskens, EU-UStB 3/2020, 43).

3. Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 1 UStG

3.1. Allgemeine Grundsätze zum Wechsel der Steuerschuldnerschaft bei Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG

Für nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers (§ 13b Abs. 7 Satz 2 UStG) schuldet der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist. S.u. den Gliederungspunkt »Leistungsempfänger als Steuerschuldner« und dort auch das BFH-Urteil vom 10.12.2020 (V R 7/20, BStBl II 2022, 528). Voraussetzung ist, dass die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht nach § 13b Abs. 6 UStG ausgeschlossen ist (s.u.).

3.2. Die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG als Voraussetzung für die Anwendung des § 13b Abs. 1 UStG

3.2.1. Grundsätzliches zur Leistungsortbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG

Voraussetzung für die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG ist (→ Ort der sonstigen Leistung), dass der Leistungsempfänger

  • ein Unternehmer ist und

  • die Leistung für sein Unternehmen bezogen hat oder

  • eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist (einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person, § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG) oder

  • eine sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist und die Leistung für den unternehmerischen oder den nicht unternehmerischen Bereich, nicht aber für den privaten Bedarf des Personals, bezogen hat (Abschn. 3a.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE).

Nicht unter die Ortsregelung des § 3a Abs. 2 UStG – und somit auch nicht unter die Anwendungsregelung des § 13b Abs. 1 UStG – fallen folgende sonstigen Leistungen (Abschn. 3a.2. Abs. 19 UStAE):

  • sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG);

  • die kurzfristige Vermietung von Beförderungsmitteln (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 7 UStG);

  • die Einräumung der Eintrittsberechtigung zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wie Messen und Ausstellungen, sowie die damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG);

  • die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistungen) nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG und

  • Personenbeförderungen (§ 3b Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG).

Werden diese Leistungen von einem ausländischen Unternehmer im Inland erbracht, ist das Reverse-Charge-Verfahren unter den weiteren Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 UStG anwendbar.

Zu beachten ist, dass bestimmte Personenbeförderungen sowie bestimmte Leistungen, die im Zusammenhang mit Messen, Ausstellungen und Kongressen stehen und von einem im Ausland ansässigen Unternehmer ausgeführt werden, nicht von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft erfasst werden, wenn es sich um Leistungen handelt, die in § 13b Abs. 6 Nr. 1 bis 6 aufgeführt sind. Die Nr. 6 wurde mit Wirkung ab 1.1.2011 durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) hinzugefügt (s.u.).

Beispiel 2:

Der Schreiner S mit Sitz in Frankreich erneuert für den Unternehmer U mit Sitz in Freiburg einen Aktenschrank. U verwendet für diesen Umsatz seine deutsche USt-IdNr.

Lösung 2:

Der Leistungsort für die Reparatur des Schranks ist nach § 3a Abs. 2 UStG in Deutschland. § 3a Abs. 2 UStG regelt nicht, wie der leistende Unternehmer nachzuweisen hat, dass sein Leistungsempfänger Unternehmer ist, der die sonstige Leistung für den unternehmerischen Bereich bezieht. Entsprechend bleibt es dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er den entsprechenden Nachweis führt (Abschn. 3a.2. Abs. 9 UStAE). Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber seinem Auftragnehmer eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann dieser regelmäßig davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist und die Leistung für dessen unternehmerischen Bereich bezogen wird (Abschn. 3a.2. Abs. 9 Satz 4 UStAE). Dies gilt nicht für die Leistungen, die ihrer Art nach mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für das Unternehmen bezogen werden und beispielhaft in Abschn. 3a.2. Abs. 11a UStAE aufgeführt sind.

U ist für die Leistung des S Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 UStG). Die Steuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist.

Beispiel 3:

Sachverhalt s. Beispiel 2. Der Schreiner S mit Sitz in der Schweiz erneuert für den Unternehmer U mit Sitz in Freiburg einen Aktenschrank. Die Leistung wird für das Unternehmen des U ausgeführt.

Lösung 3:

Der Leistungsort für die Reparatur des Schranks ist nach § 3a Abs. 2 UStG in Deutschland.

Da die Leistung nicht von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer ausgeführt wird, schuldet U die USt nicht nach § 13b Abs. 1 UStG. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft richtet sich nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG, da es sich um eine nicht unter § 13b Abs. 1 UStG fallende sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers handelt. Die Steuer entsteht in diesen Fällen mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats.

Beispiel 4:

Sachverhalt s. Beispiel 2. Der Schreiner S mit Sitz in Frankreich erneuert für den Unternehmer U mit Sitz in Freiburg einen Wohnzimmerschrank in dessen Wohnung in Freiburg. Die Leistung wird nachweislich für den Privatbereich des U ausgeführt.

Lösung 4:

Die Leistung wird nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG an dem Ort erbracht, an dem der Unternehmer tatsächlich die Leistung ausführt (s.a. Abschn. 3a.6. Abs. 10 UStAE). Der Leistungsort liegt somit in Freiburg.

Da die Leistung nicht unter § 3a Abs. 2 UStG fällt, schuldet U die USt nicht nach § 13b Abs. 1 UStG. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft richtet sich nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG, da es sich um eine nicht unter § 13b Abs. 1 UStG fallende sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers handelt. Die Steuer entsteht in diesen Fällen mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gilt nach § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. U ist allerdings hinsichtlich der angemeldeten Steuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistung nicht für unternehmerische Zwecke bestimmt ist (§ 15 Abs. 1 Satz -1 Nr. 4 UStG).

Beispiel 5:

Der Schreiner S mit Sitz in Frankreich erneuert für den Unternehmer U mit Sitz in Freiburg einen Aktenschrank. U verwendet für diesen Umsatz seine deutsche USt-IdNr. Bei einer Betriebsprüfung stellt sich im Nachhinein heraus, dass U den Aktenschrank für seinen privaten Bereich verwendet.

Lösung 5:

S.a. das Beispiel zu Abschn. 3a.2. Abs. 9 Satz 5 UStAE. Der Leistungsort für die Reparatur des Schranks ist nach § 3a Abs. 2 UStG in Deutschland. Da U gegenüber S seine USt-IdNr. verwendet hat, gilt die Leistung als für das Unternehmen des U bezogen. Unbeachtlich ist, dass der Aktenschrank tatsächlich von U für nicht unternehmerische Zwecke verwendet wurde.

U ist für die Leistung des S Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 UStG). Die Steuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gilt nach § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. U ist allerdings hinsichtlich der angemeldeten Steuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistung nicht für unternehmerische Zwecke bestimmt ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG).

3.2.2. Besonderheiten bei juristischen Personen

3.2.2.1. Ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Personen

Für Zwecke der Bestimmung des Leistungsorts werden nach § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG nicht unternehmerisch tätige juristische Personen, denen für die Umsatzbesteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe eine USt-IdNr. erteilt wurde – die also für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst sind –, einem Unternehmer gleichgestellt (s.a. Abschn. 3a.2. Abs. 7 UStAE). Hierunter fallen insbesondere juristische Personen des öffentlichen Rechts, die ausschließlich hoheitlich tätig sind, aber auch juristische Personen, die nicht Unternehmer sind (z.B. eine Holding, die ausschließlich eine bloße Vermögensverwaltungstätigkeit ausübt). Ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Personen, denen eine USt-IdNr. erteilt worden ist, müssen diese gegenüber dem leistenden Unternehmer verwenden, damit dieser die Leistungsortregelung des § 3a Abs. 2 UStG anwenden kann. Verwendet die nicht unternehmerisch tätige juristische Person als Leistungsempfänger keine USt-IdNr., hat der leistende Unternehmer nachzufragen, ob ihr eine solche Nummer erteilt worden ist.

3.2.2.2. Unternehmerisch und nichtunternehmerisch tätige juristische Personen

Bei Leistungsbezügen juristischer Personen des privaten Rechts, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig sind, kommt es für die Frage der Ortsbestimmung nicht darauf an, ob die Leistung für das Unternehmen ausgeführt worden ist (Abschn. 3a.2. Abs. 13 UStAE; s.a. Adrian u.a., NWB 13/2015, 900).

Bei Leistungsbezügen juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die hoheitlich und unternehmerisch tätig sind, kommt es für die Frage der Ortsbestimmung nicht darauf an, ob die Leistung für den unternehmerischen oder den hoheitlichen Bereich ausgeführt worden ist; bei den Gebietskörperschaften Bund und Länder ist stets davon auszugehen, dass sie sowohl hoheitlich als auch unternehmerisch tätig sind (Abschn. 3a.2. Abs. 14 Satz 1 UStAE). Der Leistungsort bestimmt sich in diesen Fällen – unabhängig davon, ob die Leistung für den hoheitlichen oder den unternehmerischen Bereich bezogen wird – nach § 3a Abs. 2 Sätze 1 und 3 UStG.

Mit Vfg. vom 1.4.2010 (S 7117 A – 27 – St 110, LEXinform 5232587) nimmt die OFD Frankfurt zur Qualifizierung von B2C- oder B2B-Umsätzen an juristische Personen wie folgt Stellung:

  1. Leistungsempfänger ist juristische Person (Nichtunternehmer ohne USt-IdNr.): Es handelt sich um einen B2C-Umsatz (s.a. das Beispiel in Abschn. 3a.2. Abs. 7 UStAE).

  2. Leistungsempfänger ist juristische Person (Nichtunternehmer aber mit USt-IdNr. – selbst, wenn nur für die Umsatzbesteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe –): Es handelt sich um einen B2B-Umsatz (gleichgestellt; Abschn. 3a.2. Abs. 7 UStAE).

  3. Leistungsempfänger ist eine juristische Person, die Unternehmer ist (z.B. auch mit einem Betrieb gewerblicher Art – BgA) und Leistungsbezug für das Unternehmen: Es handelt sich um einen B2B-Umsatz. § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG ist nicht anzuwenden.

  4. Leistungsempfänger ist juristische Person, die Unternehmer ist (z.B. auch mit BgA) und kein Leistungsbezug für das Unternehmen (selbst, wenn z.B. für den hoheitlichen Bereich eine USt-IdNr. für die Umsatzbesteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe vorliegt): Es handelt sich um einen B2B-Umsatz (Abschn. 3a.2. Abs. 14 Satz 4 UStAE).

    In den Fällen des § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG schuldet die juristische Person des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezieht (zur Anwendungsregelung ab 6.11.2015 s. das BMF-Schreiben vom 10.8.2016, BStBl I 2016, 820).

In den obigen sog. B2B-Fällen bestimmt sich der Leistungsort grundsätzlich nach § 3a Abs. 2 UStG, sofern keine spezielle Regelung z.B. für grundstücksbezogene Umsätze oder kurzfristige Vermietung von Beförderungsmitteln einschlägig ist.

Beispiel 6:

Der in Belgien ansässige Unternehmer U erbringt an eine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person (vermögensverwaltende Holding) H mit Sitz in Deutschland eine Beratungsleistung. H verwendet für diesen Umsatz die ihr für die Umsatzbesteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe erteilte USt-IdNr.

Lösung 6:

Nach § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG wird die Holding, durch die Verwendung der USt-IdNr., einem Unternehmer gleichgestellt. Die Leistung des belgischen Unternehmers wird nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG in Deutschland ausgeführt.

Die juristische Person H ist für die Leistung des belgischen U Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 UStG). Der Leistungsempfänger schuldet die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder wie im Beispielsfall eine juristische Person ist.

Die Steuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gilt nach § 13b Abs. 5 Satz 3 UStG auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird.

Beispiel 7:

Der in Belgien ansässige Unternehmer U erbringt an eine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person (vermögensverwaltende Holding) H mit Sitz in Deutschland eine Beratungsleistung. H verwendet für diesen Umsatz keine USt-IdNr. Auf Nachfrage teilt H dem U mit, ihr sei keine USt-IdNr. erteilt worden.

Lösung 7:

S.a. das Beispiel zu Abschn. 3a.2. Abs. 7 UStAE. Da H angegeben hat, ihr sei keine USt-IdNr. erteilt worden, kann U davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG nicht erfüllt sind. Der Ort der Beratungsleistung des U an H liegt in Belgien (§ 3a Abs. 1 UStG). Eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft i.S.d. § 13b UStG tritt nicht ein.

3.2.3. Besonderheiten bei nicht unternehmerisch tätigen nichtrechtsfähigen Vereinen

Bei Leistungen nach § 13b Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG an einen nichtrechtsfähigen Verein i.S.d. § 54 BGB, der nicht unternehmerisch tätig ist und über keine USt-IdNr. verfügt, findet die Vorschrift des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Alt. 2 UStG keine Anwendung, da der nichtrechtsfähige Verein nach nationalem Recht nicht als »juristische Person« anzusehen ist (FinMin Schleswig-Holstein vom 5.5.2022, VI 358 – S 7279 – 034, UR 2022, 558; s.u. den Gliederungspunkt »Leistungsempfänger als Steuerschuldner«).

Beachte:

Gem. Art. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 137 Satz 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.10.2021 (BGBl I 2021, 3436) wird § 54 BGB mit Wirkung vom 1.1.2024 wie folgt gefasst:

Abs. 1 Satz 1: Für Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften der §§ 24 bis 53 entsprechend anzuwenden (→ Verein unter dem Gliederungspunkt »Der nicht eingetragene Verein«).

Die Bezeichnung »nichtrechtsfähiger Verein« wird durch den Begriff »Verein ohne Rechtspersönlichkeit« ersetzt (s.a. BT-Drs. 19/27635, 123 f.).

Nach § 14a Abs. 1 und 2 AO i.d.F. des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023 (BGBl I 2023, Nr. 411) sind Vereine ohne Rechtspersönlichkeit (§ 54 BGB) Personenvereinigungen i.S.d. § 14a AO und der Steuergesetze. Ob eine Personenvereinigung i.S.d. § 14a AO Stpfl. i.S.d. § 33 Abs. 1 AO ist, bestimmt sich jeweils nach dem materiellen Steuerrecht (vgl. dazu insbes. § 1 Abs. 1 KStG; s AEAO i.d.F. des BMF-Schreibens vom 29.12.2023 zu § 14a).

3.3. Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet

Die Steuerschuldnerschaft des inländischen Leistungsempfängers ist nach § 13b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG u.a. dann gegeben, wenn die Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG durch einen im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer ausgeführt wird.

Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, einen Sitz, eine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat (§ 13b Abs. 7 Satz 2 UStG). Für die Frage, ob ein Unternehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Leistung ausgeführt wird (§ 13b Abs. 7 Satz 4 UStG); dieser Zeitpunkt ist auch dann maßgebend, wenn das Merkmal der Ansässigkeit im übrigen Gemeinschaftsgebiet bei Vertragsabschluss noch nicht vorgelegen hat (Abschn. 13b.11. Abs. 2 UStAE). Weitere Erläuterungen, u.a. auch zum Begriff der Betriebsstätte s.u. zum ausländischen Unternehmer.

3.4. Besteuerungsverfahren

3.4.1. Pflichten des leistenden Unternehmers

Steuerpflichtige sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, hat der leistende Unternehmer in der USt-Voranmeldung und der USt-Erklärung für das Kj. (§ 18b Satz 1 Nr. 2 UStG) und in der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a UStG) anzugeben.

Ein im Ausland bzw. im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer hat nur unter den folgenden Voraussetzungen Steueranmeldungen im Besteuerungszeitraum oder Voranmeldungszeitraum abzugeben:

  1. Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer führt im Inland steuerpflichtige Umsätze aus, für die der Leistungsempfänger die Steuer nicht schuldet (Abschn. 13b.16. Abs. 2 Satz 3 UStAE).

  2. Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer führt im Besteuerungszeitraum oder Voranmeldungszeitraum nur Umsätze aus, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b Abs. 5 UStG). Von ihm sind nur dann Steueranmeldungen abzugeben, wenn er selbst als Leistungsempfänger eine Steuer nach § 13b UStG schuldet (§ 18 Abs. 4a UStG), er eine Steuer nach § 14c UStG schuldet oder wenn das FA hierzu besonders auffordert (Abschn. 13b.16. Abs. 2 Satz 1 UStAE).

Beispiel 8:

Der in Belgien ansässige Unternehmer U besitzt ein im Inland gelegenes Grundstück, das er steuerpflichtig vermietet. Weiterhin tätigt er Leistungen, die nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland ausgeführt werden und für die der Leistungsempfänger die USt nach § 13b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet.

Lösung 8:

Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, sind insoweit als im Inland ansässig zu behandeln (Abschn. 18.10. Abs. 1 Satz 4 UStAE). Sie haben diese Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären. Der Leistungsempfänger schuldet nicht die Steuer für diese Umsätze (Abschn. 13b.11. Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UStAE). Im allgemeinen Besteuerungsverfahren hat der ausländische Unternehmer auch die Umsätze anzugeben, für die der im Inland ansässige Leistungsempfänger die USt dort schuldet.

Beachte:

Nach dem EuGH-Urteil vom 3.6.2021 (C-931/19, LEXinform 4232229; Anmerkung vom 25.3.2021, LEXinform 0402254) stellt eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung i.S.d. Art. 44 und 45 MwStSystRL dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungserbringung mit der Vermietung verfügt.

In Rz. 45 seiner Entscheidung C-931/19 gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass eine Immobilie, bei der keinerlei personelle Ausstattung vorhanden ist, die zu autonomem Handeln befähigt, nicht die von der Rspr. aufgestellten Kriterien für die Einstufung als feste Niederlassung erfüllt.

Als Folge der Entscheidung wird die auf die Vermietung entfallende USt durch den jeweiligen Leistungsempfänger geschuldet (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Hinweis:

Fraglich ist, ob die in Abschn. 13b.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE enthaltene Verwaltungsregelung nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 3.6.2021 (C-931/19, LEXinform 4232229) noch anwendbar ist (s. → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt »Betriebsstätten, Zweigniederlassungen bzw. feste Niederlassungen« sowie Anmerkung von Monfort zum EuGH-Urteil vom 3.6.2021 (UR 2021, 513, 516).

3.4.2. Pflichten des Leistungsempfängers

Voranmeldungen (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG) und eine Umsatzsteuererklärung für das Kj. (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) haben auch Unternehmer und juristische Personen abzugeben, soweit sie als Leistungsempfänger ausschließlich eine Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG zu entrichten haben (§ 18 Abs. 4a Satz 1 UStG). Voranmeldungen sind nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen die Steuer für die Umsätze i.S.d. § 13b Abs. 1 und 2 UStG zu erklären ist (§ 18 Abs. 4a Satz 2 UStG). Die Anwendung des § 18 Abs. 2a UStG ist ausgeschlossen (Abschn. 13b.16. Abs. 1 UStAE).

Beispiel 9:

Der in Belgien ansässige Unternehmer U1 berät den in Deutschland ansässigen Unternehmer U2 in Unternehmensfragen. U1 führt im Inland keine weiteren Umsätze aus.

Zur Durchführung der Beratungsleistungen mietet sich U1 von dem belgischen Pkw-Vermieter P für 20 Tage einen Pkw, der dem U1 durch einen Angestellten des P in Deutschland übergeben wird.

Lösung 9:

Der Beratungsumsatz des U1 wird nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland ausgeführt. U2 schuldet als Leistungsempfänger die USt nach § 13b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG.

Der Ort der kurzfristigen Pkw-Vermietung richtet sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG. Da der Pkw dem Leistungsempfänger U1 in Deutschland übergeben wird, ist der Ort in Deutschland (Abschn. 3a.5. Abs. 5 und 6 UStAE). Da es sich bei der Pkw-Vermietung um eine im Inland steuerpflichtige sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers handelt, schuldet der belgische Leistungsempfänger U1 die USt nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG.

U1 hat im Inland Steueranmeldungen abzugeben, da er selbst als Leistungsempfänger eine Steuer nach § 13b UStG schuldet, selbst aber nur Umsätze ausführt, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schuldet (§ 18 Abs. 4a UStG). Eine Besteuerung nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG ist jedoch nicht durchzuführen (Abschn. 13b.16. Abs. 2 UStAE). Voranmeldungen sind nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen die Steuer für diese Umsätze zu erklären ist. Voranmeldungszeitraum ist immer das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 4a Satz 2 und 3 UStG). Die nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge (u.a. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG) können unter den weiteren Voraussetzungen nur im → Vorsteuervergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 bis 61a UStDV) vergütet werden (Abschn. 13b.16. Abs. 4 UStAE).

Der belgische Unternehmer U1 muss seine in Deutschland (übriges Gemeinschaftsgebiet aus belgischer Sicht) ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistung i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat (Deutschland) ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, nach analoger Anwendung des § 18b Satz 1 Nr. 2 UStG in Belgien erklären. Nach analoger Anwendung des § 18a Abs. 2 UStG muss der belgische Unternehmer U1 dem belgischen Zentralamt eine Zusammenfassende Meldung über seine im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, abgeben.

4. Die maßgeblichen Umsätze i.S.d. § 13b Abs. 2 UStG

4.1. Werklieferungen und sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG)

4.1.1. Werklieferungen von im Ausland ansässigen Unternehmern

Zu den Umsätzen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG gehören insbesondere die Werklieferungen der Bauunternehmer (→ Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen, → Bauleistungen in der Umsatzsteuer), der Montagefirmen und anderer Handwerkerbetriebe (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 2 UStAE).

Beispiel 10:

Der in Kiel ansässige Bauunternehmer U hat den Auftrag erhalten, in Flensburg ein Geschäftshaus zu errichten. Lieferung und Einbau der Fenster lässt U von seinem dänischen Subunternehmer D aus Kopenhagen ausführen.

Lösung 10:

Der im Ausland ansässige Unternehmer D erbringt im Inland eine steuerpflichtige Werklieferung an U (§ 3 Abs. 4 und 7 Satz 1 UStG, § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG). Die USt für diese Werklieferung schuldet U (§ 13b Abs. 5 Satz 1 UStG).

Beachte:

Der BFH hat in seinem Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) festgestellt, dass Werklieferungen vorliegen, sobald zusätzlich zur Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG) ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird. Darüber hinaus stellt der BFH fest, dass die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden nicht für die Annahme einer Werklieferung ausreichend ist.

Mit Schreiben vom 1.10.2020 (BStBl I 2020, 983) ändert das BMF entsprechend den Abschn. 3.8. Abs. 1 Satz 1 UStAE: »Eine Werklieferung liegt vor, wenn der Werkhersteller für das Werk einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbstbeschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind«.

Verwendet der Unternehmer ausschließlich selbstbeschaffte Teile und baut daraus für den Kunden eine Maschine zusammen, handelt es sich dabei um eine Montagelieferung und nicht mehr um eine Werklieferung. Für diese Montagelieferung ausländischer Unternehmer ist mangels Erbringung von Werklieferungen das Reverse-Charge-Verfahren ab 1.1.2021 nicht mehr anzuwenden.

Wenn der ausländische Unternehmer die einzelnen Teile einer Maschine zum Abnehmer ins Inland befördert und dort zu der betriebsfertigen Maschine zusammengesetzt (Montagelieferung), bestimmt sich der Ort der Lieferung nicht nach § 3 Abs. 6 UStG, sondern nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG und befindet sich im Inland (s. Abschn. 3.12. Abs. 4 UStAE). Eine Werklieferung liegt nicht vor, da der ausländische Unternehmer keinen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. Der ausländische Unternehmer muss sich in Deutschland umsatzsteuerrechtlich registrieren und deutsch USt abführen (s.a. Liermann, NWB 45/2020, 3311).

Beispiel 11:

Der Pensionär P aus Landau beauftragt den Schreinermeister S mit der Herstellung eines Wohnzimmerschranks. S besorgt sämtliche Stoffe für die Herstellung des Schranks und fertigt daraus die Einzelteile in seiner Werkstatt in Frankreich. Diese Einzelteile transportiert S am 15.8.17 von Frankreich nach Landau, um den Schrank im Wohnzimmer des P zu montieren.

Lösung 11:

S. Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort Werkvertrag, Rz. 19, Beispiel 1, 122. Erg.-Lfg.).

Nach der Nichtbeanstandungsregelung für Umsätze vor dem 1.7.2021 konnte die Herstellung des Schranks noch als Werklieferung angesehen werden, da S sämtliche Hauptstoffe besorgt (Abschn. 3.8. Abs. 1 Satz 1 UStAE a.F.).

Für Umsätze nach dem 1.7.2021 ist die Herstellung des Schranks als Lieferung anzusehen, da S keinen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet (Abschn. 3.8. Abs. 1 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.10.2020, BStBl I 2020, 983).

Der Ort der Lieferung (zuvor Werklieferung) bestimmt sich nicht nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, da nicht der Gegenstand (Schrank) der Lieferung in der geschuldeten Marktgängigkeit bewegt wird. Da die einzelnen Teile eines Schranks ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit sind als der ganze Schrank, ist § 3 Abs. 6 UStG auch dann nicht anzuwenden, wenn die einzelnen Teile des Schranks zum Abnehmer befördert werden und dort vom Lieferer zum betriebsfertigen Schrank zusammengesetzt werden. Ob die Montagekosten dem Abnehmer gesondert in Rechnung gestellt werden, ist unerheblich. Dagegen bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG, wenn ein betriebsfertig hergestellter Schrank lediglich zum Zweck eines besseren und leichteren Transports in einzelne Teile zerlegt und dann von einem Monteur des Lieferers am Bestimmungsort wieder zusammengesetzt wird (Abschn. 3.12. Abs. 4 Satz 5 ff. UStAE).

Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG dort, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Die Verfügungsmacht wird an dem Ort übertragen, an dem der Schrank abgenommen wird. Die Lieferung (zuvor Werklieferung) ist somit in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.

Das Verbringen der Schrankteile von Frankreich nach Deutschland führt bei S nicht zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen i.S.d. § 3 Abs. 1a UStG, da die Schrankteile wegen der Montage nur zu einer vorübergehenden Verwendung nach Deutschland verbracht werden (Abschn. 1a.2. Abs. 10 Nr. 1 UStAE). Besteuert wird nur die Lieferung (bzw. Werklieferung a.F.) im Bestimmungsmitgliedstaat Deutschland. S muss sich in Deutschland für Umsatzsteuerzwecke registrieren lassen. Zuständig ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 UStZustV das FA Offenburg.

Abwandlung:

P ist schriftstellerisch tätig und somit Unternehmer.

Lösung:

In diesem Fall geht die Steuerschuldnerschaft für die im Inland ausgeführte Werklieferung (a.F.) des in Frankreich ansässigen Unternehmers S auf P über (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG). Die Steuerschuldnerschaft geht nach § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG auch dann auf P über, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird.

Nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG geht die Steuerschuld nach dem Wortlaut der Vorschrift nur bei Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 UStG) – und nicht bei Lieferungen – auf den Leistungsempfänger über. Mangels Erbringung einer Werklieferung – nach neuer Rechtslage erbringt S eine Lieferung – ist das Reverse-Charge-Verfahren nicht mehr anwendbar. Dies hat zur Folge, dass sich S in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren und deutsche USt abführen muss.

Zu beachten ist, dass § 3 Abs. 4 UStG im Unionsrecht keine Parallele findet und richtlinienkonform auszulegen ist (BFH vom 25.6.2009, V R 25/07, BStBl II 2010, 239 unter II.3.b.bb). Nach Art. 194 Abs. 1 MwStSystRL geht die Steuerschuld u.a. bei der Lieferung von Gegenständen auf den Leistungsempfänger über. Nach Unionsrecht wäre das Reverse-Charge-Verfahren anwendbar. Nach der Neudefinition der Werklieferung müsste m.E. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG auch für Lieferungen anwendbar sein (s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG § 13b Leistungsempfänger als Steuerschuldner, Rz. 119; anderer Auffassung s. Liermann in NWB 45/2020, 3311).

Für die Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG auch bei Lieferungen spricht, dass nach der Literaturauffassung die Vorschrift auch für Werkleistungen anwendbar ist, obwohl nach dem Gesetzeswortlaut dies nur für sonstige Leistungen zutrifft (s. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG § 13b Leistungsempfänger als Steuerschuldner, Rz. 120 sowie Henseler in Weimann/Lang, Umsatzsteuer national und international, § 13b UStG, Rz. 31 mit Beispiel).

4.1.2. Sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern

Unter § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG fallen z.B. sonstige Leistungen eines im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmers, deren Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland liegt und um sonstige Leistungen, deren Leistungsort sich nicht nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt. Der Begriff der sonstigen Leistungen umfasst auch Werkleistungen gewerblicher Unternehmen (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 3 UStAE).

Beispiel 12:

Der in Frankreich ansässige Architekt F plant für den in Stuttgart ansässigen Unternehmer U die Errichtung eines Gebäudes in München.

Lösung 12:

Der im Ausland ansässige Unternehmer F erbringt im Inland stpfl. Leistungen an U (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Die USt für diese Leistung schuldet U (§ 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Zu beachten ist, dass die Steuerschuldnerschaft auch dann übergeht, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG; Abschn. 13b.1. Abs. 1 Satz 4 UStAE). So kann eine sonstige Leistung eines Auslandsunternehmers für den Privatbereich eines Unternehmers abweichend von § 3a Abs. 1 UStG nach § 3a Abs. 3 UStG als im Inland als ausgeführt gelten. So sind die Ortsvorschriften des § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3, Nr. 3 Buchst. a, c und Nr. 4 UStG nur für Privatpersonen oder für Unternehmer anwendbar, die die Leistung nicht für ihr Unternehmen beziehen. Obwohl sich der Leistungsort nach den Regelungen für Privatpersonen bestimmt, kann trotzdem der Leistungsempfänger Schuldner der USt sein.

Beispiel 13:

Unternehmer U mit Wohnsitz in Freiburg mietet bei einem in der Schweiz ansässigen Autovermieter S einen Pkw für ein Jahr. Das Fahrzeug wird ausschließlich für Privatzwecke im Inland genutzt.

Lösung 13:

Der Ort der langfristigen Vermietung des Pkw ist nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG am Wohnsitz des U in Freiburg. Der Umsatz des S ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Da U Unternehmer ist, wird er in Deutschland zum Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 7 UStG. Die USt kann U nicht als Vorsteuer abziehen, da die Leistung nicht für sein Unternehmen ausgeführt wurde.

Beispiel 14:

Unternehmer U mit Wohnsitz in Basel/Schweiz mietet bei einem in der Schweiz ansässigen Autovermieter S einen Pkw für ein Jahr. Das Fahrzeug wird ausschließlich für Privatzwecke im Inland genutzt.

Lösung 14:

Der Ort der langfristigen Vermietung des Pkw ist nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG am Wohnsitz des U in Basel. Da die Leistung im Inland genutzt wird, ist die Leistung jedoch nach § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UStG als im Inland ausgeführt zu behandeln. Der Umsatz des S ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Da U Unternehmer ist, wird er in Deutschland zum Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 7 UStG. Die USt kann U nicht als Vorsteuer abziehen, da die Leistung nicht für sein Unternehmen ausgeführt wurde. U muss nach § 18 Abs. 4a UStG in Deutschland eine Voranmeldung abgeben. Nach dem BFH-Urteil vom 6.4.2010 (XI B 1/09, BFH/NV 2010, 2131) gilt § 13b Abs. 1 und 2 UStG für im In- oder Ausland ansässige Leistungsempfänger gleichermaßen und entspricht insoweit dem Unionsrecht.

4.1.3. Ausländischer Unternehmer

Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften – EU-Vorgabenumsetzungsgesetz – vom 8.4.2010 (BGBl I 2010, 386) sind die Voraussetzungen bezüglich des ausländischen Unternehmers ab 1.7.2010 in § 13b Abs. 7 UStG geregelt.

Das FG München hat mit Urteil vom 13.9.2007 (14 K 3679/05, LEXinform 5006111, Rev. eingelegt, Az. BFH: XI R 5/08, LEXinform 0588857) entschieden, dass der Begriff der Ansässigkeit i.S.v. § 13b Abs. 4 UStG am Gemeinschaftsrecht auszurichten ist; demnach geht bei Erbringung einer Personalgestellung auch dann die Steuerschuldnerschaft auf inländische Unternehmer als Leistungsempfänger über, wenn der Leistungserbringer zwar einen Wohnsitz im Inland hat, der Firmensitz aber im Ausland besteht. Mit Beschluss vom 30.6.2010 (XI R 5/08, BFH/NV 2010, 1955, LEXinform 5010695) hat der BFH dem EuGH (C-421/10, LEXinform 0589298) folgende Frage zum Begriff der Ansässigkeit des Stpfl. zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist ein Stpfl. bereits dann ein »im Ausland ansässiger Stpfl.« i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der 6. RLEWG (Art. 192a ff. MwStSystRL), wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat, oder muss als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass er seinen privaten Wohnsitz nicht im Inland hat?

Mit Urteil vom 6.10.2011 (C-421/10, UR 2012, 120, LEXinform 0589298) hat der EuGH entschieden, dass der Stpfl. bereits dann ein »im Ausland ansässiger Stpfl.« ist, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat. Durch Rücknahme der Revision wurde das Verfahren XI R 5/08 am 22.11.2011 vor dem BFH erledigt (LEXinform 0588857).

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) wurde der im Ausland ansässige Unternehmer in § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG neu definiert. Die neue Definition ist zum 30.6.2013 in Kraft getreten (s.a. BMF vom 19.9.2013, BStBl I 2013, 1212). Danach ist ein im Ausland ansässiger Unternehmer auch dann gegeben, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat (§ 13b Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 2 UStG).

Ist es für den Leistungsempfänger nach den Umständen des Einzelfalls ungewiss, ob der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung im Inland ansässig ist (z.B. weil die Standortfrage in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht unklar ist oder die Angaben des leistenden Unternehmers zu Zweifel Anlass geben), schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der leistende Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Sätze 1 und 2 UStG ist (§ 13b Abs. 7 Satz 5 UStG). Die Bescheinigung hat der leistende Unternehmer bei dem für ihn zuständigen FA zu beantragen. Soweit erforderlich, hat er hierbei in geeigneter Weise darzulegen, dass er im Inland ansässig ist. Für die Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG wird das Vordruckmuster USt 1 TS – Bescheinigung über die Ansässigkeit im Inland – eingeführt. Hinsichtlich dieses Musters wird auf das BMF-Schreiben vom 5.11.2019 (BStBl I 2019, 1041) hingewiesen (s.a. Abschn. 13b.11. Abs. 3 Satz 5 UStAE).

Beachte:

Das Reverse-Charge-Verfahren des § 13b Abs. 2 Nr. 1 und 5 UStG ist bei im Ausland ansässigen Unternehmern nur anzuwenden, wenn die Umsätze des im Ausland ansässigen Unternehmers im Inland steuerbar und stpfl. sind.

Zur Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG und hier speziell zum Nachweis i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG hat der BFH mit Urteil vom 12.12.2019 (V R 20/18, BFH/NV 2020, 392, LEXinform 0951973) Stellung genommen.

Ist es zweifelhaft, inwiefern der Unternehmer die Voraussetzungen gem. § 13b Abs. 7 UStG erfüllt (ausländischer Unternehmer), schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des zuständigen FA nachweist, dass er kein im Ausland ansässiger Unternehmer ist. Hierfür kommt es insbes. darauf an, ob der Unternehmer im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat.

Entscheidungssachverhalt des BFH-Urteils V R 20/18:

Im Urteilsfall betreibt die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft dänischen Rechts, in einem Windpark im Inland eine Windkraftanlage. Die Klägerin hat ihren Sitz in Dänemark und lieferte im Kj. 17 Strom an die in Dänemark ansässige Gesellschaft O, mit der die Klägerin einen Direktmarketingvertrag abgeschlossen hatte. Nach diesem Vertrag erwarb die Firma O den von der Windkraftanlage produzierten Strom von der Klägerin und veräußerte diesen auf Rechnung der Klägerin auf dem freien Markt.

Die Klägerin beantragte die Erteilung einer Bescheinigung gem. § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG, nach der sie inländische Unternehmerin sei.

Das FA lehnte den Antrag ab. Bei der Klägerin handele es sich um eine im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin, da sich deren Sitz und die Geschäftsleitung unstreitig in Dänemark befänden und die Klägerin nicht über eine Betriebsstätte im Inland verfüge. Die Windkraftanlage stelle keine Betriebsstätte im umsatzsteuerlichen Sinne dar, da sie weder über einen Personalbestand verfüge noch von dort aus Rechnungslegung bzw. Aufzeichnungen und Entscheidungen erfolgten. Die in Abschn. 3a.1. Abs. 3 UStAE geregelten Voraussetzungen für eine Betriebsstätte im umsatzsteuerlichen Sinne seien damit nicht erfüllt.

Entscheidungsgründe des BFH-Urteils V R 20/18:

Die beantragte Bescheinigung zur Steuerschuldnerschaft ist nicht zu erteilen, da keine im Inland ausgeführten Umsätze vorliegen (s.a. Anmerkung vom 3.3.2020, LEXinform 0653718).

Zweifel i.S.v. § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG, ob der leistende Unternehmer im Ausland ansässig ist, müssen sich auf im Inland erbrachte Umsätze beziehen. Ohne Inlandsumsatz besteht kein sachliches Interesse an der Erteilung der in § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG genannten Bescheinigung.

Liefert der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer Elektrizität, die er mit seiner Windkraftanlage im Inland hergestellt hat, unter den Bedingungen des § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG an einen gleichfalls im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer, befindet sich der Ort der Lieferung am Empfängerort im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

Die Gültigkeitsdauer der Bescheinigung ist grundsätzlich auf ein Jahr beschränkt. Ist nicht auszuschließen, dass der leistende Unternehmer nur für eine kürzere Dauer als ein Jahr im Inland ansässig bleibt, hat das FA die Gültigkeit der Bescheinigung entsprechend zu befristen.

Der im Inland ansässige Leistungsempfänger schuldet die Steuer für eine Leistung eines Unternehmers mit Sitz im Ausland nicht, wenn objektiv feststeht, dass diese Leistung von dessen inländischer Betriebsstätte erbracht wurde, und zwar unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger subjektive Zweifel hinsichtlich der Ansässigkeit des Leistenden hatte oder hätte haben müssen (BFH Beschluss vom 1.6.2011, XI B 104/10, BFH/NV 2011, 1545, LEXinform 5906249; s.a. Abschn. 13b.11. Abs. 1 Satz 6 UStAE).

Der Gesetzgeber hat den Begriff der Zweigniederlassung gegen den Begriff der Betriebsstätte ausgetauscht und erklärt, dass die Regelung nun Art. 192a MwStSystRL entspricht, die allerdings den Begriff der »festen Niederlassung« verwendet. Aus der Gesetzesbegründung kann entnommen werden, dass der deutsche Gesetzgeber den Begriff der Betriebsstätte mit dem EU-rechtlichen Begriff der »festen Niederlassung« gleichsetzt. Zur Definition der festen Niederlassung s. Art. 11 der EU-VO 282/2011 vom 15.3.2011 (ABl EU Nr. L 77, 1; s.a. UR 2016, 232).

Bei der Beurteilung, ob das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt, ist zunächst zu prüfen, ob die Leistung des ausländischen Unternehmers durch seine im Inland belegene Betriebsstätte erbracht wurde und deshalb dieser zuzuordnen ist. Ist dies nicht der Fall, sondern wird die sonstige Leistung ausschließlich vom ausländischen Stammhaus an den inländischen Kunden erbracht, geht die Steuerschuldnerschaft trotz Vorliegens einer inländischen Betriebsstätte auf den inländischen Leistungsempfänger über (zur Definition der Betriebsstätte s.a. Becker, UStB 2013, 125).

Mit Urteil vom 28.6.2007 (C-73/06, UR 2007, 654, LEXinform 5210530) hat der EuGH sich mit der Definition der Begriffe »Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit« und »feste Niederlassung« auseinandergesetzt. S.a. → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt »Betriebsstätten, Zweigniederlassungen bzw. feste Niederlassungen«.

4.1.4. Inländischer Unternehmer

Zum Unternehmen gehören sämtliche Betriebe oder beruflichen Tätigkeiten desselben Unternehmers (Abschn. 2.7. Abs. 1 UStAE). Mithin stellen auch ausländische Unternehmensteile kein eigenständiges Unternehmen dar.

Werklieferungen oder sonstige Leistungen solcher ausländischen unselbstständigen Unternehmensteile sind Leistungen des inländischen Unternehmens und nicht solche eines im Ausland ansässigen Unternehmens, selbst wenn die Rechnungserteilung unter ausländischer Anschrift erfolgt. Mithin schuldet auch der Leistungsempfänger nicht die USt auf die bezogene Leistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG. Bei Zweifeln kann sich der Leistungsempfänger eine Bescheinigung – USt 1 TS – des zuständigen FA vorlegen lassen. Steuerschuldner bleibt nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der leistende (inländische) Unternehmer.

Ist es für den Leistungsempfänger nach den Umständen des Einzelfalls ungewiss, ob der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung im Inland ansässig ist (z.B. weil die Ansässigkeit in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht unklar ist oder die Angaben des leistenden Unternehmers zu Zweifeln Anlass geben), schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der leistende Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen FA nachweist, dass er kein im Ausland ansässiger Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG ist (§ 13b Abs. 7 Satz 5 UStG). Die Bescheinigung hat der leistende Unternehmer bei dem für ihn zuständigen FA zu beantragen. Soweit erforderlich, hat er hierbei in geeigneter Weise darzulegen, dass er im Inland ansässig ist. Für die Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG wird das Vordruckmuster USt 1 TS – Bescheinigung über die Ansässigkeit im Inland (§ 13b Abs. 7 Satz 5 UStG) – eingeführt.

Hat der Unternehmer seinen Sitz im Inland und wird ein im Inland steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz vom Ausland aus, z.B. von einer Betriebsstätte, erbracht, ist der Unternehmer als im Inland ansässig zu betrachten, selbst wenn der Sitz des Unternehmens an diesem Umsatz nicht beteiligt war (vgl. Art. 54 der EU-VO 282/2011 und Abschn. 13b.11. Abs. 1 Satz 7 UStAE). Der inländische Unternehmer hat die betroffenen Umsätze seiner ausländischen festen Niederlassung im Inland zu erklären und die diesbezügliche USt anzumelden und abzuführen. Hierzu hat er durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die betreffenden inländischen Umsätze der ausländischen Unternehmensteile vollständig erfasst werden (OFD Frankfurt vom 1.4.2003, S 7279 A – 4 – St I 23, UR 10/2003, 513).

4.1.5. Reverse-Charge-Verfahren bei Organschaftsverhältnissen

Die OFD Frankfurt erläutert mit Vfg. vom 27.10.2021 (S 7279 A – 1 – St 113, DStR 2022, 2978, SIS 21 20 84) Anwendungsfragen zu den Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG in bestimmten Fällen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft.

Ist der Organträger im Inland ansässig, umfasst das Unternehmen die in Abschn. 2.9. Abs. 3 Nr. 1–3 UStAE bezeichneten Unternehmensteile (Abschn. 2.9. Abs. 6 Satz 1 UStAE; s. Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: Organschaft unter dem Gliederungspunkt »Grenzüberschreitende Organschaft« und dort »Organträger im Inland«, 125. EL, Loseblatt).

Beispiel 15:

B erbringt eine im Inland steuerbare und stpfl. sonstige Leistung an den Unternehmer C.

Lösung 15:

Im Ausland gelegene Niederlassungen von Organgesellschaften im Inland sind zwar den jeweiligen Organgesellschaften zuzurechnen (hier GmbH 1 in München), gehören aber nicht zum Unternehmen des Organträgers (Abschn. 2.9. Abs. 6 Satz 7 UStAE). Die im Inland steuerbaren Umsätze der Niederlassung B sind aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht wie folgt zu beurteilen:

Da die ausländische Niederlassung B nicht zum Organkreis gehört, ist die inländische Organgesellschaft (GmbH 1) selbst als Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG anzusehen und damit hinsichtlich dieser Umsätze selbst Steuerschuldnerin i.S.d. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Es ist das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden. Eine Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 UStG scheidet mangels Ansässigkeit im Ausland bzw. übrigen Gemeinschaftsgebiet aus (vgl. § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG).

Die GmbH 1 schuldet die Steuer für die sonstige Leistung nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Für C ergibt sich keine Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger i.S.d. § 13b UStG, weil kein im Ausland bzw. im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer die Leistung erbringt (vgl. Abschn. 13b.11. Abs. 1 Satz 7 UStAE).

Beachte:

Erbringt die Niederlassung B unter Ausweis ihrer französischen MwSt-IdNr. stpfl. sonstige Leistungen an den Leistungsempfänger C im Inland, der bezogen auf diese Leistungen Verträge mit der inländischen Organgesellschaft GmbH 1 abschließen, schuldet nach § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG der inländische Leistungsempfänger C die Steuer nur dann nicht, wenn ihm die Niederlassung durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen FA nachweist, dass er kein Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG ist (FinMin Schleswig-Holstein vom 31.12.2021, IV 3510 – S 7105 – 101, DStR 2022, 313, SIS 22 02 70).

Ist der Organträger im Ausland ansässig, ist die Gesamtheit der in Abschn. 2.9. Abs. 3 Nr. 4 und 5 UStAE bezeichneten Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (s. Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: Organschaft unter dem Gliederungspunkt »Grenzüberschreitende Organschaft« und dort »Organträger im Ausland«, 125. EL, Loseblatt).

Beispiel 16:

B führt eine sonstige Leistung an die GmbH 1 und eine steuerbare und stpfl. sonstige Leistung an den Unternehmer C aus.

Lösung 16:

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer und damit als Steuerschuldner i.S.d. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG (GmbH 1 in München).

Da somit von einem gesonderten, inländischen Unternehmen auszugehen ist, unterliegen die steuerbaren Leistungen der im Inland gelegenen Betriebsstätten des im Ausland ansässigen Organträgers und der im Inland gelegenen Betriebsstätten seiner im Ausland ansässigen Organgesellschaften grundsätzlich nicht den Vorschriften des § 13b UStG.

Ist aber für den Leistungsempfänger nach den Umständen des Einzelfalls ungewiss, ob der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung im Inland ansässig ist – z.B. weil die Standortfrage in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht unklar ist oder die Angaben des leistenden Unternehmers zu Zweifeln Anlass geben –, schuldet er die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der leistende Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen FA nachweist, dass er kein Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 1 und 2 UStG ist (§ 13b Abs. 7 Satz 5 UStG). Die Bescheinigung hat der leistende Unternehmer bei dem für ihn zuständigen FA zu beantragen. Soweit erforderlich hat er hierbei in geeigneter Weise darzulegen, dass er im Inland ansässig ist.

Die sonstige Leistung von B an die GmbH 1 ist als Innenumsatz nicht steuerbar.

Die GmbH 1 schuldet grundsätzlich die USt für die Leistung von B an C nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, da dies der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland ist. Es liegt damit grundsätzlich kein Fall der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG vor. Da C jedoch Zweifel an der Ansässigkeit der B haben wird, schuldet er nur dann nicht die Steuer nach § 13b UStG, wenn ihm B durch eine Bescheinigung i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG nachweist, dass sie kein im Ausland bzw. im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist.

Zum nachhaltigen Erbringen von Bauleistungen durch einen Organkreis s. das BFH-Urteil vom 23.7.2020 (V R 32/19, BStBl II 2021, 793) sowie das Anwendungsschreiben des BMF vom 27.9.2021 (BStBl I 2021, 1856) unter dem Gliederungspunkt »Bauleistungen an einen Organkreis«.

4.1.6. Zusammenfassende Übersicht zum inländischen bzw. ausländischen Unternehmer

Die nachfolgende Übersicht fasst die Regelungsnormen des § 13b Abs. 7 UStG und die Verwaltungsregelungen in Abschn. 13b.11. Abs. 1 UStAE tabellarisch zusammen (s.a. § 59 Satz 2 UStDV sowie Abschn. 18.10. Abs. 1 UStAE und → Vorsteuervergütungsverfahren).

4.1.7. Leistungsempfänger als Steuerschuldner

Für die oben genannten, im Inland ausgeführten steuerpflichtigen Umsätze schulden

  • Unternehmer und

  • juristische Personen

als Leistungsempfänger die Steuer.

Beachte:

Mit Erlass vom 18.7.2022 (S 7279 – 00000 – 2022/002, UR 2022, 712, SIS 22 15 95) weist das FinMin Mecklenburg-Vorpommern darauf hin, dass bei sonstigen Leistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG an einen nichtrechtsfähigen Verein i.S.d. § 54 BGB, der nicht unternehmerisch tätig ist und über keine USt-IdNr. verfügt, die Vorschrift des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Alt. 2 UStG keine Anwendung findet, da der nichtrechtsfähige Verein derzeit nach nationalem Recht nicht als »juristische Person « anzusehen ist.

Betroffen hiervon können z.B. als nichtrechtsfähige Vereine organisierte Parteien auf Bundes-, Landes- oder Kreisebene sein, wenn diese sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern beziehen (z.B. die Zurverfügungstellung von Werbeflächen durch ausländische Social-Media-Plattformen) und aufgrund der Ortsvorschrift des § 3a Abs. 5 UStG eine Umsatzbesteuerung im Inland vorzunehmen ist.

Sofern in entsprechenden Fällen an den nichtrechtsfähigen Verein eine Rechnung ohne gesonderten Umsatzsteuer-Ausweis und mit dem Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgestellt wurde (§ 14a Abs. 5 UStG), hat der Verein dieser Rechnungslegung zu widersprechen (s.o. den Gliederungspunkt »Besonderheiten bei nicht unternehmerisch tätigen nichtrechtsfähigen Vereinen«).

Zur Bestimmung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfängers bei Straßenbaulasttätigkeiten der Länder im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund unter Einbindung Dritter hat das LfSt Niedersachsen mit Vfg. vom 4.1.2023 (S 7279 – St 185a – 3927/2022, UR 2023, 344, SIS 23 03 82) Stellung genommen.

Üblicherweise erledigen die Länder die Straßenbaulast für die durch ihr Gebiet verlaufenden Streckenabschnitte von sonstigen Bundesfernstraßen im Wege der Auftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 3 GG. Die Straßenbaulast umfasst nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben (z.B. Bau und Ausbau von Straßen, Beseitigung von Schlaglöchern). Hierzu werden, insbes. im Bereich der Bauleistungen, die eigentlichen Straßenbauarbeiten und Dienstleistungen (Werklieferungen und sonstigen Leistungen) auch von im Ausland ansässigen Unternehmern übernommen.

Unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet in derartigen Fällen der Leistungsempfänger die Steuer. Ob nun der Bund oder das betreffende Land als Leistungsempfänger zu behandeln ist, ist insbes. auch von der tatsächlichen Ausgestaltung des Sachverhalts abhängig.

Tritt ein Land im Rahmen der Auftragsverwaltung nach Art. 90 GG zur Wahrnehmung der Straßenbaulasttätigkeit von Bundesfernstraßen bei der Auftragsvergabe (Ausschreibung und Zuschlag o.Ä.) für zu beziehende Leistungen im Namen und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland auf, kommt nach der umsatzsteuerrechtlich maßgeblichen tatsächlichen Ausgestaltung ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Auftragnehmer zustande, bei dem die Bundesrepublik Deutschland als Leistungsempfänger anzusehen ist. Die sich durch § 13b UStG ergebenden Erklärungspflichten sind daher vom Bund zu erfüllen.

Für die o.g. Leistungen, deren Auftragsvergabe vor dem 1.1.2023 abgeschlossen wurde, wird es nicht beanstandet, wenn das Land als Leistungsempfänger behandelt wird.

Die Steuer wird sowohl von im Inland ansässigen als auch von im Ausland ansässigen Leistungsempfängern geschuldet (§ 13b Abs. 5 UStG). Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG i.V.m. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist, die Steuer u.a. für stpfl. Umsätze aus Werklieferungen und sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers. Danach macht es keinen Unterschied, ob der Leistungsempfänger im In- oder Ausland ansässig ist.

Auch Kleinunternehmer (§ 19 UStG), pauschal versteuernde Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, schulden die Steuer. Die Steuerschuldnerschaft erstreckt sich sowohl auf die Umsätze für den unternehmerischen als auch auf die Umsätze für den nicht unternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers. Zuständig für die Besteuerung dieser Umsätze ist das FA, bei dem der Leistungsempfänger als Unternehmer umsatzsteuerlich erfasst ist. Für juristische Personen ist das FA zuständig, in dessen Bezirk sie ihren Sitz haben.

Der BFH hat mit Urteil vom 10.12.2020 (V R 7/20, BStBl II 2022, 528) dazu Stellung genommen, ob die Umsatzsteuerschuld auch dann übergeht, wenn neben einem Unternehmer auch andere Leistungsempfänger vorhanden sind.

Entscheidungssachverhalt:

Der Kläger F war Einzelkaufmann. Zudem war er alleiniger Eigentümer eines Grundstücks im Inland, auf dem ein Einfamilienhaus errichtet werden sollte. In der Baugenehmigung wurden F und seine Ehefrau gemeinsam als Bauherren genannt. Die Ehegatten schlossen mit dem in Österreich ansässigen Unternehmen B einen Bauvertrag über Holzbauarbeiten für den Neubau eines Einfamilienhauses. Als Preis wurde ein Festbetrag zzgl. 20 % Mehrwertsteuer vereinbart. B berechnete den Ehegatten zwei Abschlagsrechnungen jeweils zzgl. 19 % Mehrwertsteuer. B führte die ausgewiesene Umsatzsteuer an das für sie im Inland zuständige FA ab.

Anschließend erstellte B sowohl gegenüber den Ehegatten eine Stornorechnung als auch eine nur an F adressierte neue Rechnung über den Nettobetrag. Diese Rechnung enthielt den Hinweis, dass damit die bisherige Rechnung u.a. bezüglich des Umsatzsteuerausweises korrigiert werde, sowie den Vermerk »Übergang der Steuerschuld lt. § 13b UStG auf den Leistungsempfänger«. F reichte eine Steuererklärung ohne Ausweis einer Steuer nach § 13b UStG ein. Das FA setzte hingegen die Steuer gem. § 13b UStG fest.

Entscheidungsgründe:

Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die in § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG bezeichneten Umsätze, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG erfasst »steuerpflichtige Umsätze«, wenn es sich bei diesen um Werklieferungen und nicht unter § 13b Abs. 1 UStG fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers handelt.

Da die Unternehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG des Klägers F unstreitig ist, ist die Leistungsempfängerschaft des F zu bejahen, da eine bloße Innen-GbR als Leistungsempfängerin nicht in Betracht kommt und eine mögliche Mitberechtigung der Ehefrau des Klägers unbeachtlich ist (BFH V R 7/20, Rz. 27). Es fehlt an der von § 705 BGB vorausgesetzten Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks.

Wichtig:

§ 13b Abs. 5 Satz 1 UStG ordnet eine Steuerschuldnerschaft des Empfängers der dort bezeichneten Leistungen an, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist. Der Wortlaut der Vorschrift lässt es zu, die Regelung auch dann anzuwenden, wenn neben diesem Leistungsempfänger eine weitere Person Empfänger der Leistung ist. Dies gilt zumindest dann, wenn der in § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichnete Unternehmer (oder die ihm gleichgestellte juristische Person) zum einen Schuldner des vollen Entgeltbetrages ist und zum anderen der weitere Leistungsempfänger nicht zum Kreis der in § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG genannten Steuerschuldner gehört und daher weder Unternehmer noch juristische Person ist. Diese Auslegung vermeidet Unklarheiten bei der Gesetzesauslegung wie auch Umgehungsmöglichkeiten bei Mitberechtigung und Mitverpflichtung weiterer Personen (BFH V R 7/20, Rz. 31).

Im Urteilsfall sind der Kläger F und seine Ehefrau hinsichtlich des zu entrichtenden Entgelts für die Errichtung des Einfamilienhauses Gesamtschuldner i.S.v. § 421 BGB gewesen (s.a. Anmerkung vom 26.5.2021, LEXinform 0653841).

Der im Ausland ansässige Leistungserbringer (Unternehmer) muss beurteilen, ob er als Lieferer die USt schuldet, oder ob der Abnehmer als Steuerschuldner gilt. Es bleibt dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er den Nachweis der Unternehmereigenschaft führt (s.a. Abschn. 3a.2. Abs. 9 Satz 6 UStAE). Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber seinem Auftragnehmer eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann dieser regelmäßig davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist (Abschn. 3a.2. Abs. 9 Satz 4 UStAE). Eine Verpflichtung zur Verwendung der USt-IdNr. besteht in den Fällen des § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 Buchst. a UStG allerdings nicht. Weist der leistende Unternehmer in seiner Rechnung (§ 14 Abs. 7 UStG) keine USt gesondert aus und enthält die Rechnung die Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers«, gibt der leistende Unternehmer zum Ausdruck, dass er von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgeht (s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 13b Rz. 139).

4.2. Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG)

Bei der Sicherungsübereignung überträgt der Kreditnehmer dem Kreditgeber das Eigentum an einem Gegenstand und behält sich gleichzeitig das Recht zu dessen Veräußerung zurück. Die bloße Übertragung von Sicherungseigentum führt damit umsatzsteuerrechtlich noch nicht zur Lieferung, weil der Kreditgeber keine Verfügungsmacht über den sicherungsübereigneten Gegenstand erhält. Erst bei der Verwertung des Sicherungsguts stellt sich die Frage nach deren umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen für den Kreditgeber – in der Regel eine Bank.

Abb.: Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände

Die OFD Frankfurt nimmt zu der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Verwertung sicherungsübereigneter beweglicher Gegenstände sowie zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG) ausführlich Stellung (Vfg. vom 15.3.2016, S 7421 A– 5 – St 111, UR 2016, 695, LEXinform 5235928).

Ist der Sicherungsgeber ein pauschalierender Land- und Forstwirt (§ 24 UStG, → Land- und Forstwirtschaft) und veräußert der Sicherungsnehmer (Bank) den Gegenstand an einen Dritten, handelt es sich um einen Doppelumsatz. Der Sicherungsnehmer schuldet für die Lieferung des Sicherungsgebers (Land- und Forstwirt) an ihn die USt nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG. Bei der Berechnung der USt hat der Sicherungsnehmer als Leistungsempfänger § 24 UStG nicht anzuwenden (§ 13b Abs. 8 UStG) und den Steuersatz zugrunde zu legen, der sich für den maßgeblichen Umsatz nach § 12 UStG ergibt. Unbeachtlich ist, dass der Landwirt als liefernder Unternehmer die Besteuerung nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG durchführt. Da der Ausgangsumsatz des pauschalierenden Landwirts jedoch der Regelbesteuerung unterliegt, tritt für die in der Rechnung über den Erwerb des Sicherungsguts ausgewiesene Vorsteuer eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG ein (→ Vorsteuerberichtigung). Der Berichtigungszeitraum bestimmt sich nach § 15a Abs. 1 oder Abs. 2 UStG (OFD Frankfurt vom 15.3.2016, S 7279 A – 12 – St 113, UR 2016, 730, LEXinform 5235927).

Der Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG umfasst die folgenden Umsätze (OFD Frankfurt vom 25.5.2007, S 7100 A – 2/85 – St 11, UR 2007, 948, LEXinform 5231203 sowie vom 29.2.2012, S 7279 A – 5 – St 113, UR 2012, 654):

  1. Außerhalb des Insolvenzverfahrens

    • die Verwertung durch den Sicherungsnehmer (Doppelumsatz),

    • die Verwertung durch den Sicherungsgeber im Namen und für Rechnung des Sicherungsnehmers (Doppelumsatz),

    • die Verwertung durch den Sicherungsgeber im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers (Dreifachumsatz).

  2. Im vorläufigen Insolvenzverfahren

    • die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters (OFD Frankfurt vom 29.2.2012, Tz. 4).

Folgende Umsätze fallen nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG:

  1. Im vorläufigen Insolvenzverfahren

    • die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter,

    • die Verwertung durch einen zur Veräußerung sicherungsübereigneter Gegenstände ermächtigten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.

  2. Im eröffneten Insolvenzverfahren

    • der Insolvenzverwalter ist im Besitz des sicherungsübereigneten Gegenstandes und veräußert diesen;

    • der Insolvenzverwalter ist im Besitz des sicherungsübereigneten Gegenstandes und überlässt diesen dem SN zur Verwertung;

    • der Insolvenzverwalter ist nicht im Besitz des sicherungsübereigneten Gegenstandes und der SN veräußert diesen.

Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wird mit Wirkung vom 1.10.2014 u.a. § 13b Abs. 5 UStG um Satz 9 ergänzt. Mit dem neuen § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG wird klargestellt, dass bei Lieferungen von in § 13b Abs. 2 Nr. 2, 7 und 9 bis 11 UStG genannten Gegenständen, für die die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG vorliegen und der Unternehmer diese Regelung auch anwendet, der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner wird. Die Anwendung der Steuerschuldnerschaft ist für den Leistungsempfänger in diesen Fällen de facto nicht möglich, weil er regelmäßig den Einkaufspreis der an ihn gelieferten Gegenstände nicht kennt und so die Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung nicht ermitteln kann. Mit BMF-Schreiben vom 26.9.2014 (BStBl I 2014, 1297) wird der UStAE an die Änderungen durch das KroatienG angepasst. So wird u.a. Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 4 UStAE um einen Satz 2 ergänzt, der klarstellt, dass § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG keine Anwendung findet, wenn ein sicherungsübereigneter Gegenstand vom Sicherungsgeber unter den Voraussetzungen des § 25a UStG geliefert wird.

Zur Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände und zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens s. → Verschaffung der Verfügungsmacht unter dem Gliederungspunkt »Sicherungsübereignung«, → Differenzbesteuerung unter dem Gliederungspunkt »Sicherungsübereignung«, → Sicherungsgut, Verwertung in der Insolvenz, → Sicherungsgut, Verwertung außerhalb der Insolvenz.

Zum Leistungsempfänger als Steuerschuldner s.o. die Kommentierung zu § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG.

4.3. Umsätze, die unter das GrEStG fallen (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG)

4.3.1. Grundsätzliches

Umsätze, die unter das GrEStG fallen, sind umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Es muss sich also um steuerpflichtige Umsätze handeln, die unter das GrEStG fallen, d.h., es wurde nach § 9 UStG zur Steuerpflicht optiert (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 UStAE).

Zu den unter die Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG fallenden Umsätzen gehören insbesondere die Lieferungen von bebauten und unbebauten Grundstücken. Daneben fallen hierunter aber z.B. auch die Übertragung von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück und die Lieferung von auf fremdem Boden errichteten Gebäuden nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit sowie die Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten gegen Einmalzahlung oder regelmäßig wiederkehrende Erbbauzinsen (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 5 UStAE).

Zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei wiederkehrend zu zahlenden Erbbauzinsen nimmt die Vfg. der OFD Frankfurt vom 10.5.2006 (S 7279 A – 11 – St 113, LEXinform 5230192) Stellung. Zum Umfang der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten s.a. OFD Hannover vom 5.10.2009 (S 7279 – 27 – StO 183, LEXinform 5232351).

Die Bestellung des Erbbaurechts wird als grundstücksgleiches Recht grunderwerbsteuerlich wie ein(e) Grundstückserwerb (-lieferung) behandelt. Für die Berechnung der GrESt wird der zu zahlende Erbbauzins kapitalisiert.

Umsatzsteuerrechtlich liegt jedoch eine sonstige Leistung in Form einer Duldungsleistung (Nutzungsüberlassung) vor, die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist. Durch die Rechtsänderung zum 1.4.2004 unterliegen – im Falle einer Option nach § 9 UStG – auch Erbbauzinsen aus Altverträgen dem Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG, da es sich bei dem Erbbauzins (Ausübung des Erbbaurechts) um eine Dauerleistung in Form von Teilleistungen i.S.d. § 13b Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG handelt. Der leistende Unternehmer hat eine Rechnung mit der Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« auszustellen, in der das (Netto-)Entgelt anzugeben ist (§ 14a Abs. 5 UStG).

Zu den unter das GrEStG fallenden Umsätzen vgl. im Einzelnen Abschn. 4.9.1. UStAE. Voraussetzung ist, dass der jeweilige Umsatz nach dem 31.3.2004 ausgeführt worden ist oder das Entgelt oder ein Teil des Entgelts nach dem 31.3.2004 vereinnahmt wird und die Leistung erst nach der Vereinnahmung des Entgelts oder des Teilentgelts ausgeführt wird. Näheres s.a. unter Rz. 1 bis 5 des BMF-Schreibens vom 31.3.2004 (BStBl I 2004, 453).

Bei Grundstücksgeschäften i.S.d. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG muss die Option bereits in dem gem. § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG; vgl. Abschn. 9.1. und 9.2. Abs. 8 und 9 UStAE). Grund dafür ist die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG. Eine nachträgliche Option würde zu einer nachträglichen Steuerschuld des Leistungsempfängers führen.

Unternehmer müssen bei steuerpflichtigen Grundstücksgeschäften Folgendes beachten:

  • Im notariellen Vertrag muss ein eventueller Verzicht auf die USt-Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG erklärt werden.

  • Die dem Kaufpreis hinzutretende USt darf nicht betragsmäßig offen in einer Rechnung ausgewiesen werden (§ 14a Abs. 5 Satz 3 UStG).

  • Der Grundstückserwerber hat den Umsatz i.S.d. § 13b UStG in seiner USt-Voranmeldung zu erklären und kann den USt-Betrag – unter den übrigen Voraussetzungen – nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer geltend machen.

4.3.2. Steuerschuldner

Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG werden auch juristische Personen des privaten Rechts in die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers einbezogen.

In Optionsfällen wird die USt zwingend vom Erwerber geschuldet; sie ist damit nicht mehr Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (BMF vom 14.3.2017, BStBl I 2017, 436, Tz. 5.2.1).

Beispiel 17:

Unternehmer A veräußert im Kj. 12 an Unternehmer B (beide zum Vorsteuerabzug berechtigt) ein Geschäftsgrundstück zu einem Kaufpreis von 1 Mio. €. A verzichtet gem. § 9 Abs. 1 und 3 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung. B verpflichtet sich, die GrESt allein zu tragen.

Lösung 17:

Die GrESt wird wie folgt ermittelt (§ 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG):

Kaufpreis und steuerpflichtige Gegenleistung

1 000 000 €

GrESt (z.B. 5,0 %)

50 000 €

Die USt wird wie folgt ermittelt:

Entgelt = Kaufpreis

1 000 000 €

Bemessungsgrundlage ist der in der Rechnung ausgewiesene Betrag ohne USt. Die GrESt gehört nicht zur Bemessungsgrundlage (Abschn. 10.1. Abs. 7 Satz 6 und 7 UStAE). Die USt ist von diesem Betrag vom Leistungsempfänger zu berechnen (Abschn. 13b.13. Abs. 1 UStAE).

USt (19 %)

190 000 €

Nach dem EuGH-Urteil vom 27.11.2008 (C-156/08, LEXinform 0589183) verstößt die Doppelbelastung mit USt und GrESt nicht gegen Art. 401 MwStSystRL (s.a. Ramb, NWB 2009, 1284).

Der Leistende ist zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG), in denen die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist (§ 14a Abs. 5 Satz 3 UStG). Neben den übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG muss die Rechnung die Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« enthalten (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG). Weist der leistende Unternehmer die Steuer in der Rechnung gesondert aus, wird diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet (Abschn. 13b.14. Abs. 1 UStAE).

Der Leistungsempfänger kann die von ihm nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete USt als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG), wenn er die Lieferung für sein Unternehmen bezieht und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (Abschn. 13b.15. Abs. 1 UStAE).

Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 24.3.2014 (S 7162 A – 8 – St 16, DStR 2014, 1722) äußert sich zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Unternehmern, die beim Verkauf eines Grundstücks gleichzeitig die Verpflichtung eingehen, auf diesem noch zu übertragenden Grundstück ein Gebäude zu errichten oder ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude zu sanieren. Nach den Gesamtumständen stellt sich bei sog. Bauträgermodellen der Grundstückskäufer nicht als Bauherr, sondern vielmehr als (bewusster) Erwerber eines bebauten bzw. sanierten Grundstücks dar. In diesen Fällen erbringt der Grundstücksveräußerer umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung in Form der Übertragung eines bebauten Grundstücks. Die Grundstücksübertragung und die Bauleistung greifen so ineinander, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem bebauten bzw. sanierten Grundstück als Leistungsgegenstand zurücktreten. Die Veräußerung des Grundstücks und die Ausführung der Bau- bzw. Sanierungsleistungen sind somit in diesen Fällen als einheitliche Leistung zu beurteilen. Diese ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei, da die Übertragung von bebauten bzw. sanierten Grundstücken der GrESt unterliegt. Der leistende Unternehmer hat insoweit kein Recht auf Vorsteuerabzug (→ Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer). Bei Verzicht auf die Steuerbefreiung ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG.

Zu den »Bauträgerfällen« s.a. die Erläuterungen unter → Bauleistungen in der Umsatzsteuer.

Beispiel 18:

Rechtsanwalt R betreibt seine Kanzlei im Erdgeschoss seines eigenen Grundstücks. Das gleich große Obergeschoss hat R steuerfrei an einen Arzt vermietet. Nachdem R seine Kanzlei in andere Räumlichkeiten verlegt und der Arzt das Mietverhältnis gekündigt hat, veräußert R das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 11.11.2016 an den Vermieter V für 500 000 €. Im Notarvertrag war vereinbart, dass R auf die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichtet. V vermietet das Erdgeschoss steuerpflichtig an einen Steuerberater und das Obergeschoss steuerfrei an einen Versicherungsvertreter.

Lösung 18:

Die Lieferung des nicht vermieteten Grundstücks ist keine Geschäftsveräußerung im Ganzen (BFH Urteil vom 6.5.2010, V R 26/09, BStBl II 2010, 1114; Abschn. 1.5. Abs. 2 Satz 2 UStAE). Die Veräußerung des Grundstücks ist als Lieferung des R an V grundsätzlich nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Eine Option zur Steuerpflicht ist nach § 9 Abs. 1 UStG möglich und nach § 9 Abs. 3 UStG auch wirksam.

Hinsichtlich der steuerpflichtigen Veräußerung wird der Unternehmer V nach § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 UStG zum Steuerschuldner. Die USt i.H.v. 19 % von 500 000 € = 95 000 € schuldet V.

Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG ist V dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt. Für die Vermietung des Erdgeschosses kann V nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verzichten. Die Vermietung des Obergeschosses ist zwingend steuerfrei. Da V das Grundstück zum Teil für Abzugs- und zum Teil für Ausschlussumsätze verwendet, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Nach der EuGH- und BFH-Rechtsprechung richtet sich Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel (zuletzt BFH Urteil vom 10.8.2016, XI R 31/09, BStBl II 2022, 736; s. → Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer). Bei gleich großen Geschossflächen ist die Vorsteuer zu 50 % von 95 000 € = 47 500 € abzugsfähig (s.a. Grebe u.a., UStB 11/2015, 325).

Zum Leistungsempfänger i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG beim Erwerb von hälftigem Miteigentum hat der BFH mit Urteil vom 25.11.2021 (V R 44/20, BStBl II 2023, 285) Stellung genommen.

Entscheidungssachverhalt:

Die Eheleute G erwarben durch notarielle Verträge vom 20.8.12 als Anlageobjekte zwei noch zu errichtende Wohnungen mit Vermietungsgarantie für 25 Jahre in einem Seniorenpflege- und -wohnzentrum von der I GmbH & Co. KG jeweils zu hälftigem Miteigentum. In den notariellen Verträgen ist jeweils Folgendes vereinbart: »Der Verkäufer verzichtet auf die Steuerbefreiung gem. § 9 Abs. 2 UStG und weist darauf hin, dass für die Steuerschuld der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.«

Mit Schreiben vom 3.7.15 wies das FA darauf hin, dass sich die Steuerschuldnerschaft der Eheleute G aus § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG ergebe.

Mit Datum vom 9.10.15 erließ das FA im Schätzungswege einen Umsatzsteuerbescheid für das Kj. 12, in dem es die stpfl. Umsätze aus dem Erwerb der beiden Wohnungen ansetzte und daraus die USt festsetzte. Den Bescheid adressierte das FA an die Wohnadresse der Eheleute G unter der Bezeichnung »G GbR«.

In ihrem fristgemäßen Einspruch führten die Eheleute aus, der Bescheid sei fehlerhaft an eine GbR adressiert, obwohl die Eheleute G keinen für eine GbR, die Grundstücke erwerben wolle, erforderlichen Gesellschaftsvertrag in notarieller Form abgeschlossen hätten. Sie hielten das Eigentum an den beiden Wohnungen lediglich als Bruchteilsgemeinschaft. Auch die Eigentumseintragung im Grundbuch sei nicht als GbR erfolgt.

Nach dem Urteil des FG Düsseldorf vom 16.9.2020 (5 K 1048/17, EFG 2021, 315, LEXinform 5023381) ist die Klage der Eheleute unbegründet, denn die Klägerin (GbR) ist durch den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für das Kj. 12, durch den sie als Leistungsempfängerin für die auf den Verkauf der beiden Wohneinheiten entfallenden USt gem. § 13b Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG als Steuerschuldner herangezogen wird, nicht in ihren Rechten verletzt.

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil vom 25.11.2021 (V R 44/20, BStBl II 2023, 285) hat der BFH die Rechtsausführungen des FG bezüglich der Steuerschuldnerschaft der GbR i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG aufgehoben.

Im Regelungszusammenhang von § 4 Nr. 9 Buchst. a i.V.m. § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG ist es entgegen dem Urteil des FG nicht möglich, die Person des Steuerschuldners abweichend von dem nach diesen Vorschriften maßgeblichen Kaufvertrag zu bestimmen (BFH V R 44/20, Rz. 21).

Daher liegen im Streitfall mehrere Leistungen vor, die an den jeweiligen Ehegatten als Leistungsempfänger im Umfang des auf ihn übertragenen Miteigentumsanteils erbracht wurden, sodass in Bezug auf den einzelnen Miteigentumsanteil der jeweilige Ehegatte, nicht aber eine (von den Ehegatten gebildete) GbR als Leistungsempfänger anzusehen ist (BFH V R 44/20, Rz. 22).

Die Steuerfestsetzung ist auch nicht in eine gegenüber den Ehegatten G als Gesamtschuldner ergangene Steuerfestsetzung umzudeuten (s. BFH vom 7.5.2020, V R 1/18, BFH/NV 2020, 1211, LEXinform 0951623). Der Erwerb jeweils hälftigen Miteigentums führt – anders als bei einer gemeinsamen Vermietung durch zwei Miteigentümer (BFH V R 1/18) – nicht zu einer Gesamtschuld.

Der Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG liegt die grunderwerbsteuerrechtlich geprägte Betrachtungsweise zugrunde.

Danach ist jeder Ehegatte grunderwerbsteuerrechtlich als Erwerber der Hälfte des Grundstücks anzusehen, wenn beide Ehegatten ein Grundstück zu gemeinschaftlichem Eigentum erwerben. Jeder Ehegatte ist Schuldner nur der auf ihn entfallenden GrESt, ohne dass Gesamtschuldnerschaft besteht. Ein GrESt-Bescheid, der in einem derartigen Fall ohne sonstige Erläuterung an beide Ehegatten gerichtet ist, genügt nicht dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit (BFH V R 44/20, Rz. 26).

Maßgeblich ist hierfür, dass der Miteigentumsanteil Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne ist und dementsprechend die Miteigentümer jeweils für sich Steuerschuldner in Bezug auf ihren Miteigentumsanteil sind, was auch gilt, wenn der Eigentümer ein Grundstück an mehrere Erwerber veräußert, die das Eigentum als Miteigentümer zu Bruchteilen erwerben, sodass dann so viele Steuerfälle vorliegen, wie Miteigentümer beteiligt sind.

Ebenso ist es bei § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 UStG, die hier für die Bestimmung des Umsatzes wie auch für die des Steuerschuldners an das GrEStG anknüpfen. Der Erwerb jeweils hälftigen Miteigentums führt daher – anders als bei einer gemeinsamen Vermietung durch zwei Miteigentümer (BFH V R 1/18) – nicht zu einer Gesamtschuld.

4.4. Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG)

4.4.1. Grundsätzliches

Durch Art. 14 Nr. 2 Haushaltsbegleitgesetz 2004 (HBeglG 2004) vom 29.12.2003 (BGBl I 2003, 3076, Ber. BGBl I 2004, 69; BStBl I 2004, 120) ist mit Wirkung vom 1.4.2004 § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG in Kraft getreten. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG wurde zuletzt durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 (BGBl I 2015, 1834) mit Wirkung ab 6.11.2015 neu gefasst (s.u.).

Es handelt sich um Bauleistungen einschließlich Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 UStG). Die Veränderung muss dabei erheblich sein; Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 3 vierter Spiegelstrich Satz 2 gilt entsprechend (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 UStAE).

Hinweis:

Die Veränderung ist immer dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können.

§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG bleibt unberührt (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 UStG; Abschn. 13b.1. Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 UStAE). Das bedeutet, dass bei Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers die Steuerschuld immer nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG auf den Leistungsempfänger übergeht.

Mit Schreiben vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305) hat das BMF das Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft nach dem Stand Januar 2023 herausgegeben (→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer). Zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers s. unter Kapitel VIII des BMF-Schreibens vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305).

Hinweis:

Mit BMF-Schreiben vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305) wird das bisherige Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft vom 12.10.2009 (BStBl I 2009, 1292) mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

4.4.2. Der Begriff des Bauwerks i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG

Nach Abschn. 13b.2. Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abschn. 3a.3. Abs. 2 Satz 3 UStAE gelten folgende Grundstücke als Bauwerke i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG:

  • jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Gebäude, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann,

  • jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge,

  • Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern. Die Veränderung ist immer dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können.

Als Bauwerke sind z.B. anzusehen (s.a. Abschn. 13b.2. Abs. 1 Satz 1 UStAE sowie OFD Karlsruhe vom 31.1.2017, S 7279 – Karte 1, UR 2017, 769, LEXinform 5236289):

  • Anlagen zur Ver- und Entsorgung von Grundstücken,

  • Böschungsbefestigungen,

  • Brücken,

  • Brunnen,

  • Folien- oder Betonteiche (ohne Bepflanzung),

  • Garagen,

  • Gebäude,

  • Kanäle,

  • Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen, sofern sie mit dem Grund und Boden fest verbunden sind (z.B. Windkraftanlagen, Strommasten, Klärwerksanlagen, Werbetafeln),

  • Platz- und Wegebefestigungen,

  • Straßen,

  • Tunnel,

  • Umzäunungen.

4.4.3. Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG

Die Bauleistungen müssen im Zusammenhang mit einem Bauwerk durchgeführt werden, also der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Annahme einer Bauleistung setzt voraus, dass sie sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirkt, d.h. eine Substanzveränderung im Sinne einer Substanzerweiterung, Substanzverbesserung oder Substanzbeseitigung bewirkt, hierzu zählen auch Erhaltungsaufwendungen (Abschn. 13b.2. Abs. 3 UStAE). Zu den Besonderheiten bei Reparatur- und Wartungsarbeiten s. Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 15 UStAE (s.u.).

Aus der Definition der Bauleistungen sind ausdrücklich die Planungs- und Überwachungsleistungen ausgenommen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG; Abschn. 13b.2. Abs. 6 Satz 1 UStAE).

Abschn. 13b.2. Abs. 5 UStAE enthält in den Nr. 1 bis 11 eine beispielhafte Aufzählung der in Betracht kommenden Bauleistungen. Ergänzend dazu nimmt die OFD Erfurt mit Vfg. vom 3.2.2005 (S 7279A – 02 – L 243, UR 2005, 406) zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei bestimmten Bauleistungen Stellung. Danach ist § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG auch auf die Errichtung von Blitzschutzsystemen, Erdungsanlagen oder auf das Versehen von Gebäuden mit Überspannungsschutz anzuwenden.

Die bloße Reinigung von Räumlichkeiten oder Flächen, z.B. Fenstern, stellt keine Bauleistung dar, es sei denn, es handelt sich um eine Nebenleistung zu weiteren als Bauleistung zu qualifizierenden Tätigkeiten. Eine Bauleistung stellt dagegen ein Reinigungsvorgang dar, bei dem die zu reinigende Oberfläche verändert wird (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 10 UStAE).

Werklieferungen von Photovoltaikanlagen (→ Photovoltaikanlage), die auf oder an einem Gebäude oder Bauwerk installiert werden oder mit dem Grund und Boden auf Dauer fest verbunden werden (Freiland-Photovoltaikanlagen), stellen stets eine Bauleistung i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG dar (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 11 UStAE).

Reine Wartungsarbeiten an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken stellen keine Bauleistung dar, solange nicht Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden.

Abschn. 13b.2. Abs. 7 UStAE enthält in den Nr. 1 bis 17 eine beispielhafte Aufzählung von Leistungen, die für sich genommen nicht unter den Begriff der Bauleistungen fallen. So fällt u.a. die Bebauung von eigenen Grundstücken zum Zwecke des Verkaufs (Bauträger) nicht unter die Bauleistungen des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG. Insoweit liegt eine Lieferung und keine Werklieferung vor. Dies gilt auch dann, wenn die Verträge mit den Abnehmern bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen werden, in dem diese noch Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung – unabhängig vom Umfang – nehmen können (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 17 UStAE; s.a. Abschn. 13b.3. Abs. 8 UStAE).

Reine Lieferungen (z.B. von Baumaterial) und bloße Duldungsleistungen (z.B. Vermietung von Baugeräten) stellen keine Bauleistungen dar (Abschn. 13b.2. Abs. 7 UStAE). Ausgenommen sind ferner reine Planungs- und Überwachungsleistungen, wie sie z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren erbracht werden (Abschn. 13b.2. Abs. 6 UStAE). Weitere Beispiele für die Abgrenzung enthält die umfangreiche alphabetische Übersicht in der Vfg. der OFD Niedersachsen vom 5.10.2016 (S 7279 – 4 – St 185, SIS 17 04 13).

Werden diese Leistungen von demselben Leistenden zusammen mit Bauleistungen erbracht, sind die nachfolgenden Erläuterungen zu beachten.

Werden im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mehrere Leistungen erbracht, bei denen es sich teilweise um Bauleistungen handelt, kommt es darauf an, welche Leistung im Vordergrund steht, also der vertraglichen Beziehung das Gepräge gibt. Eine Abzugsverpflichtung nach § 48 EStG und somit eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers besteht dann, und zwar insgesamt, wenn die Bauleistung als Hauptleistung anzusehen ist. Die Nebenleistung teilt jeweils das Schicksal der Hauptleistung. Ein auf einem Gesamtvertrag beruhendes Leistungsverhältnis ist jedoch aufzuteilen, wenn hierin mehrere ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach selbstständige und voneinander unabhängige Einzelleistungen zusammengefasst werden (Abschn. 13b.2. Abs. 4 UStAE).

Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 10.10.2012 (S 7279 A – 14 – St 113, DStR 2013, 363, LEXinform 5234358) nimmt zum Begriff der Bauleistungen ausführlich Stellung. S.a. OFD Karlsruhe vom 31.1.2017 (S 7279 – Karte 1 –, UR 2017, 769, LEXinform 5236289). S.a. Abschn. 13b.2. Abs. 5 bis 7 UStAE.

Leistungsbeschreibung

Bauleistung

Bemerkung

ja

nein

Abbruch von Bauwerken einschließlich Abtransport und Deponierung

x

Abtransport von Erdaushub als selbstständige Hauptleistung

x

vgl. aber Erdaushub

Analyse von Baustoffen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 6 UStAE

Anlagenbau (Montagebänder, Montagelinien, Krananlagen, Kiesförderanlagen, Getränkeabfüllanlagen usw.)

x

Eine Bauleistung liegt hinsichtlich von Werklieferungen oder des Einbaus von Ausstattungsgegenständen oder Maschinenanlagen vor, sofern sich diese unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken. Dies ist der Fall, wenn die Ausstattungsgegenstände oder Maschinenanlagen auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind, und nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE).

Anlegen von Gärten und Wegen – soweit keine Bauwerke hergestellt, instand gesetzt, geändert oder beseitigt werden

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 10 UStAE

Anschluss von Elektrogeräten

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 11 UStAE

Anschütten von Hügeln und Böschungen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 10 UStAE

Anzeigetafel (Flughafen, Bahnhof)

x

vgl. Lichtwerbeanlage in Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 11 Satz 2 UStAE

Arbeiten an Maschinenanlagen, die zu ihrer Funktionsfähigkeit aufgebaut werden müssen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE

Arbeitnehmerüberlassungen

x

Dies gilt auch dann, wenn der Entleiher Bauleistungen erbringt (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 13 UStAE).

Aufstellen von Material-, Bürocontainern oder mobilen Toilettenhäusern

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 6 UStAE

Aufzug (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE

Ausheben von Gräben und Mulden zur Landschaftsgestaltung

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 10 UStAE

Autokran: bloße Vermietung und Vermietung mit Bedienungspersonal, wenn die Güter lediglich nach Weisung des Anmietenden bzw. dessen Erfüllungsgehilfen am Haken befördert werden

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 5 UStAE

Bauaustrocknung

x

Baukran (Zurverfügungstellung mit Bedienungspersonal)

x

Es sei denn, dass der Kranführer eigenverantwortlich beim Einsetzen von Teilen tätig wird (s.a. Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 5 UStAE).

Bauleitung (als selbstständige Leistung)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 6 UStAE

Bausatzhäuser

x

Voraussetzung: Verantwortung für die ordnungsgemäße Gebäudeerrichtung liegt zumindest teilweise beim Lieferer des Bausatzes

Bauschuttzerkleinerung

x

Baustellenabsicherung (als selbstständige Leistung)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 12 UStAE

Baustoffe (Lieferung)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 1 UStAE

Bauteillieferung (z.B. Maßfenster, -türen, Betonfertigteile). Der liefernde Unternehmer schuldet lediglich das Bauteil.

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 1 UStAE

Bauteillieferung. Der liefernde Unternehmer schuldet auch den Einbau

x

Bauträger, die ausschließlich eigene Grundstücke zum Zwecke des Verkaufs bebauen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 17 i.V.m. Abschn. 13b.3. Abs. 8 UStAE

Beleuchtungsanlagen aufhängen und anschließen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 11 UStAE

Beleuchtungsanlagen: Montage und Anschließen in Kaufhäusern oder Fabrikhallen

x

Bepflanzungen, Anlage und Pflege

x

Ausnahme: Dachbegrünungen (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 10 UStAE)

Betonlieferung

x

Ausnahme: Anlieferung und fachgerechtes Verarbeiten durch Anlieferer (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 3 UStAE)

Betongleitwände, Stahlschutzplanken im Straßenbau

x

Ausnahme: Bei vorübergehendem Aufbau, z.B. im Baustellenbereich

Betonmischer; Betonpumpe (Zurverfügungstellung)

x

Voraussetzung: Es wird gleichzeitig Bedienungspersonal für substanzverändernde Arbeiten zur Verfügung gestellt, z.B. Verfüllung von Ortbeton

Betonpumpe (Vermietung)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 5 UStAE

Betriebsvorrichtung (Einbau): fest mit dem Grund und Boden verbunden und die Lieferung wird nach Abschnitt 3.12 Abs. 4 UStAE am Ort des Einbaus ausgeführt (z.B. bei großen Maschinenanlagen, die zu ihrer Funktionsfähigkeit aufgebaut werden müssen oder bei Gegenständen, die aufwendig installiert werden)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE. S.o. unter Anlagenbau.

Blitzschutzsysteme errichten (auch Erdungsanlagen, Überspannungsschutz)

x

Bodenbeläge (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE

Brandmeldeanlagen (Einbau)

x

Brückenbau

x

s.a. Abschn. 13b.2. Abs. 1 Satz 1 UStAE

Brunnenbau

x

Bühnenbau

x

analog Messestand

Dachbegrünungen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 7 UStAE

EDV-Anlagen

x

Voraussetzung: fest verbunden mit dem Bauwerk (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 6 UStAE)

Einrichtungsgegenstände (u.a. Fenster, Türen, Einbauküchen, Regale)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE

Elektrogeräte anschließen

x

Ausnahme: Einbau in einer fest installierten Einbauküche (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 11 UStAE)

Elektroinstallation

x

Energielieferung

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 4 UStAE.

Entsorgung von Baumaterialien (Schuttabfuhr)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 7 UStAE

Erdaushub einschließlich Abtransport und Deponierung

x

Vgl. Abbruch von Bauwerken (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 5 UStAE)

Erdkabel verlegen/austauschen

x

S.a. Überlandleitungen

Erdwärmebohrung

x

Fang- und Sicherheitsnetze bei Baumaßnahmen im Außenbereich

x

Vgl. Gerüstbau (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 9 UStAE)

Fahrbahnmarkierung

• endgültig (Weißmarkierung)

x

• vorübergehend

x

Fassadenreinigung durch Abschleifen bzw. Bearbeitung mit Sandstrahl

x

Voraussetzung: Veränderung der Oberfläche (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 10 UStAE)

Fertiggaragen, Fertighaus/-teile

x

Voraussetzung: Lieferer trägt die Verantwortung für das ordnungsgemäße Aufstellen (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 1 UStAE)

Feuerlöschereinbau, fester Verbund mit dem Gebäude

x

Kein Einrichtungsgegenstand i.S.d. Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE.

Festzelterrichtung

x

Fliegenschutzgitter/Sonnenschutzfolien

x

Gartenanlagen

x

Voraussetzung: befestigte Wege, Terrassen, Mauern, Brücken, ortsfeste Sprengelanlagen etc. sind Teile der Leistung (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 10 UStAE)

Gartenzaun

x

Garagentor (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE.

Gaststätteneinrichtung (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE

Gebäude: Schlüsselfertige Erstellung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden, auch in Fällen eines einheitlichen Vertragswerkes nach Abschn. 4.9.1 Abs. 1 UStAE

x

Maßgebend ist, dass die Werklieferung nicht unter § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG fällt

Gerüstbau

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 9 UStAE

Gewerbliche Geschirrspüler (Installation)

x

Voraussetzung: Fest verbunden mit Gebäude durch Herstellung von Fundament/Vorrichtung vor Ort

lediglich Lieferung und Aufstellen

x

Grabstein

x

Grundwasserabsenkung

x

Hausanschlüsse

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 8 UStAE

Heizungsanlage (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE

Kanalbau

x

Kranvermietung mit Bedienungspersonal zwecks Abladen von Baustoffen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 5 UStAE

Kunst am Bau

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 9 UStAE

Künstler schuldet lediglich Planung und Überwachung

x

Künstler schuldet zusätzlich die Ausführung des Werks

x

Ladeneinbauten (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE

Labordienstleistungen (u.a. chemische Analyse von Baustoffen)

x

Landschaftsgestaltung

x

Anschütten von Hügeln und Böschungen sowie das Ausheben von Gräben und Mulden (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 10 UStAE)

Leitplanken

x

Lichtwerbeanlage (Installation)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 11 UStAE

Luftdurchlässigkeitsmessungen

x

Abschn. 132b.2. Abs. 7 Nr. 16 UStAE

Malerarbeiten

x

Abschn. 13b.2. Abs. 3 UStAE

Markise (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE

Maschinen

x

Das Erstellen von Fundamenten, Sockeln und Befestigungsvorrichtungen ist i.d.R. Nebenleistung; vgl. Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 2 UStAE

Materialcontainer (Aufstellen)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 6 UStAE

Materiallieferungen (u.a. durch Baustoffhändler, Baumärkte)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 1 UStAE

Messestand (Aufstellen)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 8 UStAE

mobiles Toilettenhaus (Aufstellen)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 6 UStAE

Neubau eines Bauwerks

x

Pflasterarbeiten

x

Photovoltaik- und Solaranlagen

x

unabhängig davon, ob sie das Dach ersetzen oder ob es sich um sog. Aufdachanlagen sowie um Freiland-Photovoltaikanlagen handelt (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 11 UStAE

Planierraupe (Zurverfügungstellung mit Bedienungspersonal)

x

Vgl. Baukran

Planungsarbeiten (u.a. durch Statiker, Architekt)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 6 UStAE

Reinigung von Räumlichkeiten oder Flächen, z.B. Fenster

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 14 UStAE

Reparaturen an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 15 UStAE

Nettoentgelt für den einzelnen Umsatz mehr als 500 €

x

Nettoentgelt für den einzelnen Umsatz nicht mehr als 500 €

x

Rodung, Herausfräsen der Wurzeln und Abtransport

x

Ausnahme: Arbeiten werden im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bauwerkes durchgeführt

Rohrreinigung

x

Ausnahme: Veränderung, Bearbeitung, Austausch von Teilen und die Grenze von 500 € wird überschritten (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 15 UStAE)

Rolltreppe (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE

Sanierung von Bauteilen (Korrosionsschutz) im eigenen Betrieb ohne Aus- und Einbau vor Ort

x

Sauna (Einbau)

x

Schaufensteranlagen (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE

Schuttabfuhr durch Abfuhrunternehmer

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 7 UStAE

Silo

x

wenn es im Rahmen einer Werklieferung vor Ort errichtet bzw. aufgebaut wird.

Solaranlagen

x

Spielplatzgeräte (Einbau)

x

wenn mit dem Grund und Boden durch Fundament o.Ä. fest verbunden

Straßen- und Wegebau

x

Abschn. 13b.2. Abs. 1 UStAE

Tankanlageneinbau

x

Nicht: Reinigung Tank

Tapezierarbeiten

x

Abschn. 13b.2. Abs. 3 UStAE.

Teichfolie (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 1 UStAE

Telefonanlage

x

Vgl. EDV-Anlagen; Voraussetzung: keine bloße Lieferung der Endgeräte (Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 6 UStAE)

Teppichboden verlegen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE

Tunnelbau

x

Abschn. 13b.2. Abs. 1 Satz 1 UStAE

Tür (Einbau)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 1 UStAE

Überlandleitungen verlegen/austauschen

x

S.a. Erdkabel

Überspannungsschutzsysteme (Errichtung)

x

Überwachungsleistungen (im Zusammenhang mit Bauleistungen)

x

Abschn. 13b.2. Abs. 6 UStAE

Umbau eines Bauwerks

x

Verkehrsschilder und Ampelanlagen

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 12 UStAE

• dauerhaft

x

• vorübergehend

x

Verlegen von Rohren für die Energie- oder Wasserversorgung

x

Abschn. 13b.2. Abs. 1 Satz 1 UStAE

Video-Überwachungsanlagen

x

Wartung von Brandschutzanlagen, Heizungsanlagen, Klimaanlagen

x

Voraussetzung: Veränderung, Bearbeitung, Austausch von Teilen und Überschreitung der Grenze von 500 € (Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 15 UStAE)

Wasserlieferungen

x

Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 4 UStAE

Zaunbau

x

Abschn. 13b.2. Abs. 1 UStAE

Abb.: Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG

4.4.4. Voraussetzungen für den Übergang der Steuerschuld bei der Ausführung von Bauleistungen

4.4.4.1. Allgemeiner Überblick zu den Anwendungsregelungen

Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wurden u.a. in § 13b Abs. 5 UStG die Sätze 2 und 7 geändert. Mit BMF-Schreiben vom 26.9.2014 (BStBl I 2014, 1297) wird der UStAE an die Änderungen durch das KroatienG angepasst. Die Regelungen durch das KroatienG sind mit Wirkung vom 1.10.2014 anzuwenden (s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015, 1834) wurde mit Wirkung vom 6.11.2015 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 UStG) klarstellend überarbeitet (s.a. das BMF-Schreiben vom 10.8.2016, BStBl I 2016, 820).

Werden Bauleistungen von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist und selbst Bauleistungen erbringt, unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Bauleistung verwendet (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG). Der Leistungsempfänger muss derartige Bauleistungen nachhaltig erbringen oder erbracht haben. Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gilt deshalb vor allem nicht für Nichtunternehmer sowie für Unternehmer mit anderen als den vorgenannten Umsätzen, z.B. Baustoffhändler, die ausschließlich Baumaterial liefern, oder Unternehmer, die ausschließlich Lieferungen erbringen, die unter das GrEStG fallen (Abschn. 13b.3. Abs. 1 UStAE).

Erbringt ein Unternehmer eine Leistung, die keine Bauleistung ist, und bezeichnet er sie dennoch in der Rechnung als Bauleistung, ist der Leistungsempfänger für diesen Umsatz nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 UStG (Abschn. 13b.3. Abs. 13 UStAE).

Ein Leistungsempfänger, der eine Bauleistung von einem Unternehmer bezieht, bei dem die Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird, schuldet die USt nicht nach § 13b UStG (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG). Dagegen kann ein Kleinunternehmer als Leistungsempfänger, sofern er selbst Bauleistungen erbringt, die USt u.a. nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG schulden.

Wohnungseigentümergemeinschaften sind für Bauleistungen i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, wenn diese Leistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an einzelne Wohnungseigentümer weitergegeben werden. Dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft derartige Umsätze nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt (Abschn. 13b.3. Abs. 9 UStAE; s.a. Becker, NWB 2014, 1348).

Erläuterungen zum Steuerabzug nach § 48 EStG s. unter → Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen.

Hinweis:

Mit Schreiben vom 19.7.2022 (BStBl I 2022, 1229) ersetzt das BMF die bisherige Schreiben zur Bauabzugsteuer vom 27.12.2002 (BStBl I 2022, 1399), vom 4.9.2003 (BStBl I 2003, 431) und vom 20.9.2004 (BStBl I 2004, 862). S.a. Bubeck u.a., Neues BMF-Schreiben zur Bauabzugsteuer (NWB 39/2022, 2770).

Besonderheiten sind hinsichtlich der Bauträgerleistungen zu beachten. Nachdem der BFH mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG neu ausgelegt hat, gibt das BMF mit Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 2014, 233) und vom 8.5.2014 (BStBl I 2014, 823) Anwendungshilfen für die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft. Entsprechend den Vorgaben des BFH wurde der UStAE angepasst. Nach dem BMF-Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 2014, 233) sind die Vorgaben der BFH-Rechtsprechung auf Umsätze anzuwenden, die ab dem Tag nach der Veröffentlichung dieses BMF-Schreibens im BStBl Teil I ausgeführt werden (Tag der Veröffentlichung: 14.2.2014).

Nach dem BFH-Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) kommt ein Bauträger nicht als Steuerschuldner nach § 13b UStG in Betracht, denn Bauträger erbringen keine Bauleistung i.S.d. Vorschrift, sondern liefern bebaute Grundstücke. Das unterscheidet sie vom sog. Generalunternehmer, der an seinen Auftraggeber Bauleistungen erbringt und deshalb die Steuer für die von ihm in einer Leistungskette (von Subunternehmern) bezogenen Bauleistungen nach § 13b UStG schuldet (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 80/2013 vom 27.11.2013, LEXinform 0440963; → Bauleistungen in der Umsatzsteuer).

In seinem Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) verweist der BFH in Rz. 37 ausdrücklich auf seine bisherige Rspr., wonach der Unternehmer dadurch eine → Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG bewirkt, dass er auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt. I.R.d. § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes.

Wie der BFH ausdrücklich hervorhebt, ist es für die Entscheidung, ob der Leistungsempfänger selbst eine Bauleistung ausführt, ohne Bedeutung, ob die Erwerber der vom Leistungsempfänger veräußerten Wohnungen »Einfluss auf Bauausführung und Baugestaltung« genommen haben, da eine derartige Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt, dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde Gegenstände – als Voraussetzung der Werklieferung gem. § 3 Abs. 4 UStG – bearbeitet. S.a. Abschn. 13b.3 Abs. 8 und Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 17 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 26.9.2014 (BStBl I 2014, 1297).

Als Reaktion auf das BFH-Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) wurde § 27 Abs. 19 UStG eingefügt (Art. 7 Nr. 9 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014, BGBl I 2014, 1266, BStBl I 2014, 1126). Die Regelung des § 27 Abs. 19 UStG betrifft die Fälle, in denen der Leistungsempfänger für vor dem 15.2.2014 an ihn erbrachte Leistungen von der Nichtbeanstandungsregelung keinen Gebrauch macht (s. BMF vom 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz. 4a). Insoweit ist die gesetzlich entstandene USt gegen den leistenden Unternehmer festzusetzen.

Mit BMF-Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 2014, 233) und vom 8.5.2014 (BStBl I 2014, 823) wurden die FÄ angewiesen, die Grundsätze des o.a. BFH-Urteils vom 22.8.2013 in vollem Umfang für nach dem 14.2.2014 (= Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 5.2.2014 im BStBl Teil I) ausgeführte Umsätze allgemein anzuwenden. Die betroffenen Unternehmer können danach für die Vergangenheit an der bisherigen Handhabung festhalten. Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen besteht nicht. Diese Vereinfachungsregelung (Nichtbeanstandungsregelung) gewährt beiden Unternehmern bei einvernehmlicher unveränderter Beibehaltung der bisherigen Handhabung uneingeschränkte Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, sofern nicht zu einem späteren Zeitpunkt von der einvernehmlichen Handhabung abgewichen wird (BMF vom 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz. 4).

Nach dem BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 24.1.2019 (BStBl I 2019, 117) wird Tz. 15a des BMF-Schreibens vom 26.7.2017 (BStBl I 2017, 1001) gestrichen. Die Änderung ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.

Beachte:

Die Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG gilt nur für vor dem 15.2.2014 ausgeführte Bauleistungen.

Sind der Leistungsempfänger (Bauträger) und der leistende Bauunternehmer nach diesem Stichtag übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Reverse-Charge-Verfahrens vorliegen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Auslegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, so tritt die Fiktion des § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG ein, wonach der Leistungsempfänger gleichwohl als Steuerschuldner zu behandeln ist, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen (s. Abschn. 13b.8. Abs. 1 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Fehlerhafte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens«).

Mit Urteil vom 23.2.2017 (V R 16, 24/16, BStBl II 2017, 760; Sterzinger, UR 9/2017, 325) bestätigt der BFH die Übergangsregelung in Bauträgerfällen. Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann (zu seinem Nachteil) geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt gegen den Leistungsempfänger (Bauträger) zusteht. Der Bauhandwerker wird auf diese Weise vollständig von der USt auf seine Leistungen entlastet; er steht dann so, wie er stünde, wenn alles von vornherein richtig beurteilt worden wäre (BFH Pressemitteilung Nr. 20/2017 vom 5.4.2017, LEXinform 0446260).

Zu den Auswirkungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft in den Fällen der Übergangsregelung gem. § 27 Abs. 19 UStG hat der BFH mit Urteil vom 24.5.2023 (XI R 45/20, BStBl II 2023, 1082) entschieden, dass umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger i.S.d. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG bei bestehender Organschaft auch dann der Organträger ist, wenn zivilrechtlich die Organgesellschaft als Bauträger Vertragspartnerin des bauleistenden Unternehmers ist. Der zivilrechtliche Nachzahlungsanspruch des bauleistenden Unternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt richtet sich trotz Organschaft nicht gegen den Organträger, sondern gegen die Organgesellschaft als Leistungsempfänger (BFH XI R 45/20, Rz. 34). Umsatzsteuerrechtlich bleibt aber der Organträger Leistungsempfänger, sodass auch diesem ein Erstattungsanspruch zusteht (s. → Bauleistungen in der Umsatzsteuer unter dem Gliederungspunkt »Bauleistungen in Bauträgerfällen«).

Mit Urteil vom 6.7.2023 (V R 5/21, BFH/NV 2023, 1380, LEXinform 0953588) hat der BFH die Aufrechnung in Bauträgerfällen entschieden, in denen die Organgesellschaft als bauleistender Unternehmer tätig war. Im Urteilsfall war zu entscheiden, ob die Organgesellschaft den zivilrechtlichen Nachzahlungsanspruch der USt gegen den Bauträger an das FA abtreten kann, wenn über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass der Organträger im Rahmen der für ihn aufgrund der Eingliederung bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten auf eine Anspruchsabtretung durch die Organgesellschaft hinwirken kann.

Diese Möglichkeit besteht aber bei einer zwischenzeitlichen Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft nicht. Hierdurch kommt es zur Beendigung der Organschaft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Insolvenzverwalter einen werthaltigen, der Masse zustehenden Anspruch durch Abtretung aufgibt. Daher scheidet hier eine Änderung gem. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG zulasten des Organträgers aus. Das von der Vorschrift verfolgte Regelungsziel, eine Änderung zulasten des leistenden Unternehmers deshalb zu ermöglichen, da ihm aufgrund einer Anspruchsabtretung an das FA kein Nachteil erwächst, wobei das FA die Nachforderung durch die Durchsetzung der ihm abgetretenen Forderung tilgen kann, versagt hier (BFH V R 5/21, Rz. 36; → Bauleistungen in der Umsatzsteuer unter dem Gliederungspunkt »Bauleistungen in Bauträgerfällen«).

4.4.4.2. Bauleistungen, die ab dem 6.11.2015 ausgeführt werden
4.4.4.2.1. Grundsätzliches zur Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015, 1834) wurde mit Wirkung vom 6.11.2015 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 UStG) klarstellend überarbeitet (s.a. das BMF-Schreiben vom 10.8.2016, BStBl I 2016, 820). Danach unterliegen dem Reverse-Charge-Verfahren »Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Die Veränderung muss dabei erheblich sein. Die Veränderung ist immer dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 6 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 10.8.2016, BStBl I 2016, 820).

Außerdem wurden mit Wirkung vom 6.11.2015 die bestehenden Verwaltungsanweisungen zur Ausnahme von Leistungsbezügen des nichtunternehmerischen Bereichs von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gesetzlich geregelt und auf weitere Bereiche ausgedehnt.

Neu definiert wurde insbes. der Begriff der Bauleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken in § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 und 2 UStG. Zur Definition des Grundstücks in diesem Sinne s.o. und Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 6 UStAE.

Die Regelungen des BMF-Schreibens vom 10.8.2016 (BStBl I 2016, 820) sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 5.11.2015 ausgeführt werden.

4.4.4.2.2. Leistungsempfänger als Steuerschuldner

Werden Bauleistungen von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner,

  • wenn er Unternehmer ist

  • und selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt, unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Bauleistung verwendet (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG).

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gilt deshalb vor allem nicht für Nichtunternehmer sowie für Unternehmer mit anderen als den vorgenannten Umsätzen, z.B. Baustoffhändler, die ausschließlich Baumaterial liefern, oder Unternehmer, die ausschließlich Lieferungen erbringen, die unter das GrEStG fallen (Abschn. 13b.3. Abs. 1 UStAE).

Werden stpfl. Umsätze u.a. nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, sind die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich. In den Fällen der Erbringung von Bauleistungen gelten die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG stets als nicht gegeben (Abschn. 13b.1. Abs. 3 i.V.m. Abschn. 13b.3. Abs. 14 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803, Rz. 54 und 55).

Ein Unternehmer erbringt zumindest dann nachhaltig Bauleistungen, wenn er mindestens 10 % seines Weltumsatzes (Summe seiner im Inland steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze) als Bauleistungen erbringt. Unternehmer, die Bauleistungen unterhalb dieser Grenze erbringen, sind danach grundsätzlich keine bauleistenden Unternehmer (Abschn. 13b.3. Abs. 2 Satz 1 und 2 UStAE).

Hat der Unternehmer zunächst keine Bauleistungen ausgeführt oder nimmt er seine Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, ist er auch schon vor der erstmaligen Erbringung von Bauleistungen als bauleistender Unternehmer anzusehen, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen begonnen hat und die Bauleistungen voraussichtlich mehr als 10 % seines Weltumsatzes betragen werden (Abschn. 13b.3. Abs. 2 Satz 3 und 4 UStAE).

Es ist davon auszugehen, dass die Voraussetzung für das Vorliegen eines bauleistenden Leistungsempfängers erfüllt ist, wenn dem Unternehmer das nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständige FA auf Antrag oder von Amts wegen eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TG erteilt hat; hinsichtlich dieses Musters wird auf das BMF-Schreiben vom 5.11.2019 (BStBl I 2019, 1041), verwiesen (Abschn. 13b.3. Abs. 3 UStAE).

Hat das FA dem Unternehmer eine Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TG ausgestellt, ist er auch dann als Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er diesen Nachweis gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht – im Original oder in Kopie – verwendet oder sich herausstellt, dass der Unternehmer tatsächlich nicht mindestens 10 % seines Weltumsatzes als Bauleistungen erbringt oder erbracht hat. Wurde die Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen, und erbringt der Leistungsempfänger nicht nachhaltig Bauleistungen, schuldet der leistende Unternehmer dann die Steuer, wenn er hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben können. Hatte der leistende Unternehmer in diesen Fällen keine Kenntnis oder hat er keine Kenntnis haben können, wird es beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger nicht beanstandet, wenn beide einvernehmlich von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgehen und durch diese Handhabung keine Steuerausfälle entstehen; dies gilt dann als erfüllt, wenn der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wird (Abschn. 13b.3. Abs. 5 UStAE).

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Bauleistungen, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind und nachhaltig Bauleistungen erbringen (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG; s.a. Abschn. 13b.3. Abs. 12 UStAE.

Erbringt ein Unternehmer eine Leistung, die keine Bauleistung ist, und bezeichnet er sie dennoch in der Rechnung als Bauleistung, ist der Leistungsempfänger für diesen Umsatz nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 UStG (Abschn. 13b.3. Abs. 13 UStAE; s.a. den Gliederungspunkt »Bemessungsgrundlage und Berechnung der Steuer«).

4.4.4.2.3. Bauleistungen an einen Organkreis

Erbringt bei einem Organschaftsverhältnis nur ein Teil des Organkreises (z.B. der Organträger oder eine Organgesellschaft) nachhaltig Bauleistungen, ist der Organträger nur für die Bauleistungen Steuerschuldner, die an diesen Teil des Organkreises erbracht werden. Die im vorangegangenen Gliederungspunkt genannten Voraussetzungen sind auf den jeweiligen Unternehmensteil entsprechend anzuwenden. Bei der Berechnung der 10 %-Grenze sind nur die Bemessungsgrundlagen der Umsätze zu berücksichtigen, die dieser Teil des Organkreises erbracht hat (Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE).

Zur Auslegung der Verwaltungsregelung in Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE sowie zur Steuerschuld des Leistungsempfängers bei Organschaft hat der BFH mit Urteil vom 23.7.2020 (V R 32/19, BStBl II 2021, 793) Stellung genommen.

Entscheidungssachverhalt des BFH-Urteils V R 32/19:

Einzelunternehmer E ist Organträger u.a. der X-GmbH. Diese erbrachte Bauleistungen an andere Organgesellschaften zur Ausführung von nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätzen im Rahmen von Bauträgerleistungen. Die X-GmbH beauftragte andere Drittunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen.

Das FA sah den Organträger als Steuerschuldner für die empfangenen Bauleistungen an. Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE sehe eine Aufspaltung des Organkreises vor. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wirke die Organschaft nur im Innenverhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen. In Fällen der Organschaft bestehe für den Leistenden ansonsten keine Möglichkeit, rechtssicher zu bestimmen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner sei. Damit komme es zu einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Entscheidungsgründe des BFH-Urteils V R 32/19:

Für die Entstehung der Steuerschuld beim Leistungsempfänger kommt es nicht darauf an, dass der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet, sondern es kommt darauf an, dass der Leistungsempfänger selbst nachhaltig solche Bauleistungen erbringt (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG; Abschn. 13b.3. Abs. 1 Satz 1 UStAE).

Bezieht eine Organgesellschaft eine Bauleistung und führt sie auch selbst Bauleistungen an eine andere mit ihr organschaftlich verbundenen Gesellschaft aus, so kommt es für die Bestimmung der nachhaltigen Ausführung von Bauleistungen nicht auf diesen Innenumsatz, sondern darauf an, welche Außenumsätze dem Organträger zuzuordnen sind.

Die durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG angeordnete Unselbstständigkeit der Organgesellschaft führt dazu, dass deren Tätigkeit dem Organträger E zuzurechnen ist. Im Rahmen der Organschaft kommt der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG angeordneten Behandlung der inländischen Unternehmensteile als ein Unternehmen Vorrang gegenüber der sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebenden Beschränkung der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen des Organkreises zu. Daraus folgt nicht nur die Nichtsteuerbarkeit von sog. Innenumsätzen zwischen den Mitgliedern des Organkreises; vielmehr hat der Organträger auch die Umsätze der Organgesellschaften als Außenumsätze zu versteuern. Damit wirkt sich die organschaftliche Verbindung nicht nur im Innenverhältnis aus – z.B. bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs, der sich nach der Verwendung von Eingangsleistungen für Außenumsätze des Organkreises (und nicht nach der Verwendung für Innenumsätze) richtet –, sondern auch auf die dem Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und deren umsatzsteuerrechtliche Qualifikation.

Die organschaftliche Zusammenfassung ist auch bei § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG zu beachten, sodass es auf die dem Organträger zuzuordnenden Außenumsätze und nicht auf nichtsteuerbare Innenumsätze der Unternehmen des Organkreises ankommt. Bestätigt wird dies durch den Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG ist der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist, der die dort beschriebenen Bauleistungen erbringt. Die Unternehmereigenschaft richtet sich dabei nach der allgemeinen Unternehmerdefinition in § 2 UStG. Mithin ist auch insoweit die Sonderregelung zur Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu beachten. Unternehmer im Rahmen der Organschaft ist nur der Organträger, da die Organgesellschaften ihre Tätigkeiten nicht selbstständig ausüben. Daher hat im Urteilsfall aufgrund der Organschaft der Einzelunternehmer E als Organträger, nicht aber die GmbH als Organgesellschaft die Bauleistung, auf die das FA § 13b UStG anwenden will, bezogen.

Der BFH gelangt bei der Auslegung der Verwaltungsregelung des Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE zu dem Ergebnis, dass die Verwaltung dabei nur ein Erfordernis des nachhaltigen Erbringens von Bauleistungen sieht, ohne dass sich die Verwaltung weitergehend dazu äußert, ob sie damit bei einer Organschaft deren Innen- oder Außenumsätze meint. Sollte sie dabei auf Innenumsätze abstellen, folgt dem der BFH aus den vorstehend aufgeführten Gründen nicht. Das Bescheinigungsverfahren ermöglicht auch in Fällen der Organschaft eine rechtssichere Bestimmung des Steuerschuldners (s.a. Anmerkung vom 27.10.2020, LEXinform 0653782).

Mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 27.9.2021 (BStBl I 2021, 1856) nimmt das BMF zu den Auswirkungen des BFH-Urteils vom 23.7.2020 (V R 32/19, BStBl II 2021, 793) Stellung. Das BMF ergänzt dabei u.a. seine bisherige in Abschn. 13b.3. Abs. 7 Satz 3 UStAE enthaltene Verwaltungsregelung dahingehend, dass bei der Berechnung der 10 %-Grenze nur die Bemessungsgrundlagen der Umsätze zu berücksichtigen sind, die dieser Teil des Organkreises erbracht hat; nicht steuerbare Innenumsätze sind dabei unbeachtlich.

Beachte:

Dieser Grundsatz gilt allgemein und ist auf die Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Lieferungen von Gas oder Elektrizität nach § 13b Abs. 5 Satz 3 und 4 i.V.m. Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG, bei der Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen nach § 13b Abs. 5 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 8 UStG und bei sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation nach § 13b Abs. 5 Satz 6 i.V.m. Abs. 2 Nr. 12 UStG übertragbar (s.a. OFD Frankfurt vom 27.10.2021, S 7279 A – 1 – St 113, DStR 2022, 2978, SIS 21 20 84).

Zum Bescheinigungsverfahren in den Fällen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ergänzt das BMF mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 10.2.2021 (BStBl I 2021, 314) Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE um die Sätze 4 bis 6.

Die Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TG stellt das für den Organkreis für Zwecke der USt zuständige FA für alle im Inland gelegenen Unternehmensteile i.S.d. Abschn. 2.9 Abs. 3 bis 5 auf Antrag oder von Amts wegen aus. Der Antrag ist von dem Organträger zu stellen. Abschn. 13b.3. Abs. 7 Satz 6 UStAE zählt die im Antrag enthaltenen Pflichtinformationen auf.

4.5. Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG)

4.5.1. Allgemeiner Überblick

Durch Art. 4 Nr. 8 und Art. 32 Abs. 5 des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wurde mit Wirkung vom 1.1.2011 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Lieferungen von Gas oder Elektrizität um Lieferungen von Wärme oder Kälte ergänzt (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 3g UStG; s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Durch Art. 10 Nr. 6 Buchst. a und b i.V.m. Art. 31 Abs. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) wird der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Lieferungen von Gas oder Elektrizität sowie von Wärme oder Kälte durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer (§ 13 b Abs. 2 Nr. 5 UStG) auf Lieferungen von Gas oder Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer ergänzt. Die Regelung beruht auf Art. 199a Abs. 1 Satz 1 Buchst. e MwStSystRL. Voraussetzung nach der nationalen Umsetzung ist, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst derartige Leistungen erbringt bzw. – bei Lieferungen von Elektrizität – der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität i.S.d. § 3g UStG sind. Die Regelung ist nach Art. 31 Abs. 5 AmtshilfeRLUmsG zum 1.9.2013 in Kraft getreten (s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG gilt für Lieferungen

  1. der in § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g UStG und

  2. von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchst. a fallen.

4.5.2. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG

4.5.2.1. Die Tatbestände im Einzelnen

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG gilt für Lieferungen

  • von Gas über das Erdgasnetz,

    von Elektrizität sowie

  • von Wärme und Kälte über ein Wärme- oder Kältenetz

  • durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer

  • an einen anderen Unternehmer

  • unter den Bedingungen des § 3g UStG (Abschn. 13b.3a. Abs. 1 UStAE; → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Ortsbestimmung nach § 3g UStG«).

Nach § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG gilt die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität oder von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze an einen Unternehmer, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Gegenstände in deren Weiterlieferung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Gegenstände von untergeordneter Bedeutung ist, an dem Ort ausgeführt, an dem der Abnehmer sein Unternehmen betreibt.

Bei einer Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität oder von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze an andere als die in § 3g Abs. 1 UStG bezeichneten Abnehmer gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem der Abnehmer die Gegenstände tatsächlich nutzt oder verbraucht.

Beachte:

Andere Abnehmer in diesem Sinne sind (Abschn. 3g.1. Abs. 3 Satz 8 UStAE)

  • Unternehmer, die keine Wiederverkäufer sind sowie

  • private Endverbraucher.

Soweit die Gegenstände von diesem Abnehmer nicht tatsächlich genutzt oder verbraucht werden, gelten sie als an dem Ort genutzt oder verbraucht, an dem der Abnehmer seinen Sitz, eine Betriebsstätte, an die die Gegenstände geliefert werden, oder seinen Wohnsitz hat (§ 3g Abs. 2 UStG).

4.5.2.2. Leistungsempfänger als Steuerschuldner

Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG muss der Abnehmer ein Unternehmer sein; die Wiederverkäufereigenschaft ist hier nicht Voraussetzung. Der ausländische Lieferer muss entscheiden, ob er oder sein Abnehmer Schuldner der USt ist. Dabei ist es dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er den Nachweis der Unternehmereigenschaft führt (s.o. den Gliederungspunkt »Werklieferungen und sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern« und dort »Leistungsempfänger als Steuerschuldner«). Eine Bescheinigung der Unternehmereigenschaft durch die Finanzbehörde erfolgt nicht (s. → Unternehmer und dort den Gliederungspunkt »Bescheinigung der Unternehmereigenschaft durch die Finanzbehörde«).

Werden Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität sowie von Wärme und Kälte über ein Wärme- oder Kältenetz durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder (§ 18 Abs. 4f und 4g UStG) erbracht, gelten die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG stets als erfüllt (Abschn. 13b.1. Abs. 3 i.V.m. Abschn. 13b.3a. Abs. 7 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803, Rz. 54 und 55).

4.5.3. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG

4.5.3.1. Die Tatbestände im Einzelnen

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Abs. 5 Satz 3 und 4 UStG gilt für Lieferungen

  • von Gas über das Erdgasnetz und

  • von Elektrizität,

  • die nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG fallen.

Es handelt sich dabei um die Lieferungen von im Inland ansässigen Unternehmern. Die Lieferungen ausländischer Unternehmer fallen unter § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG.

4.5.3.2. Leistungsempfänger als Steuerschuldner

Bei Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz durch einen im Inland ansässigen Unternehmer ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Abs. 5 Satz 3 UStG, wenn er Unternehmer ist, der selbst Erdgas über das Erdgasnetz liefert. Als Unternehmer, die selbst Erdgas über das Erdgasnetz liefern, sind – in richtlinienkonformer Anwendung der nationalen Regelung – die Unternehmer anzusehen, die Wiederverkäufer von Erdgas i.S.d. § 3g Abs. 1 UStG sind (Abschn. 13b.3a. Abs. 2 Satz 1 und 2 UStAE).

Bei Lieferungen von Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Abs. 5 Satz 4 UStG, wenn er und der liefernde Unternehmer Wiederverkäufer von Elektrizität i.S.d. § 3g Abs. 1 UStG sind. Betreiber von dezentralen Stromgewinnungsanlagen (z.B. Photovoltaik- bzw. Windkraftanlagen, Biogas-Blockheizkraftwerke) sind regelmäßig keine Wiederverkäufer von Elektrizität i.S.d. § 3g UStG (Abschn. 13b.3a. Abs. 2 Satz 3 ff. UStAE), wenn sie ausschließlich selbst erzeugte Elektrizität liefern Zur Wiederverkäufereigenschaft des Anlagenbetreibers dezentraler Stromgewinnungsanlagen s. Abschn. 2.5. Abs. 3 UStAE sowie → Photovoltaikanlage.

Besteht die Tätigkeit des Anlagenbetreibers sowohl im Erwerb als auch in der Herstellung von Strom zur anschließenden Veräußerung, ist bei der Beurteilung der Wiederverkäufereigenschaft ausschließlich das Verhältnis zwischen erworbenen und veräußerten Energiemengen maßgeblich. Werden daher mehr als die Hälfte der zuvor erworbenen Strommengen weiterveräußert, erfüllt der Unternehmer die Wiederverkäufereigenschaft i.S.d. § 3g UStG. Ist er danach Wiederverkäufer von Strom, fallen auch die Lieferungen der selbsterzeugten Strommengen an einen anderen Wiederverkäufer unter die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG (s.a. das Beispiel in Abschn. 2.5. Abs. 3 UStAE).

Zum Begriff des Wiederverkäufers von Erdgas oder Elektrizität i.S.d. § 3g Abs. 1 UStG vgl. Abschn. 3g.1. Abs. 2 und 3 UStAE. Es ist davon auszugehen, dass ein Unternehmer Wiederverkäufer von Erdgas oder Elektrizität ist, wenn er einen im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültigen Nachweis des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen FA im Original oder in Kopie vorlegt. Für diesen Nachweis durch die Finanzämter wird das Vordruckmuster USt 1 TH – Nachweis für Wiederverkäufer von Erdgas und/oder Elektrizität eingeführt. Das BMF hat mit Schreiben vom 5.11.2019 (BStBl I 2019, 1041) das Vordruckmuster für den Nachweis für Wiederverkäufer von Erdgas und/oder Elektrizität für Zwecke der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Vordruckmuster USt 1 TH) neu bekanntgegeben (Abschn. 13b.3a. Abs. 2 Satz 5 UStAE).

Verwendet bei der Lieferung von Erdgas der Leistungsempfänger einen Nachweis nach dem Vordruckmuster USt 1 TH, ist er Steuerschuldner, auch wenn er im Zeitpunkt der Lieferung tatsächlich kein Wiederverkäufer von Erdgas i.S.d. § 3g UStG ist; dies gilt nicht, wenn der Leistungsempfänger einen gefälschten Nachweis nach dem Vordruckmuster USt 1 TH verwendet hat und der Vertragspartner hiervon Kenntnis hatte. Bei der Lieferung von Elektrizität gilt dies entsprechend für die Verwendung eines Nachweises nach dem Vordruckmuster USt 1 TH durch den leistenden Unternehmer und/oder den Leistungsempfänger (s.a. Gerhards, DStZ 2014, 265).

Erfüllen der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 3 und 4 UStG, ist der Leistungsempfänger auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind die Lieferungen von Erdgas und Elektrizität, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art als Wiederverkäufer von Erdgas bzw. Elektrizität i.S.v. § 3g Abs. 1 UStG unternehmerisch tätig sind (§ 13b Abs. 5 Satz 11 UStG).

Werden Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, gelten die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Abs. 5 Satz 3 und4 UStG stets als nicht gegeben (Abschn. 13b.1. Abs. 3 Satz 1 und 3 i.V.m. Abschn. 13b.3a. Abs. 7 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803, Rz. 54 und 55).

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Abrechnung von Mehr- bzw. Mindermengen Gas nimmt das BMF mit Schreiben vom 20.8.2020 (BStBl I 2020, 671) Stellung. Zum Ausgleich von Mehr- bzw. Mindermengen Gas s. Abschn. 13b.3a Abs. 4a i.V.m. Abschn. 1.7. Abs. 5 UStAE. Unter den in § 13b Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 5 UStG genannten Voraussetzungen ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner (BMF vom 20.8.2020, BStBl I 2020, 671 unter II.).

Der Ausgleich von Mehr- bzw. Mindermengen Strom stellt Lieferungen von Elektrizität dar (Abschn. 13b.3a Abs. 5 Nr. 5 i.V.m. Abschn. 1.7. Abs. 6 UStAE; BMF vom 6.12.2017, BStBl I 2017, 1660).

4.5.4. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von E-Charging

4.5.4.1. Stromlieferung unmittelbar vom Ladesäulenbetreiber (Charge Point Operator – CPO) an den Kunden

Der MwSt-Ausschuss nimmt zu den anwendbaren MwSt-Vorschriften bezüglich von Transaktionen im Zusammenhang mit dem Aufladen von Elektrofahrzeugen (E-Charging) Stellung (EU-Kommission vom 3.6.2019, taxud.c.1(2019)6589787 – 972, SIS 19 18 59).

In Bezug auf die Transaktion, die ein Infrastrukturbetreiber (Ladesäulenbetreiber; im Folgenden »CPO«) durchführt, der ein Paket von Gegenständen und Dienstleistungen anbietet, das beispielsweise Fernreservierungen, die Bereitstellung von Informationen (Verfügbarkeit und Standort von Ladestationen, verwendete Anschlusstypen und Anzahl freier Parkplätze) sowie das eigentliche Aufladen der Akkumulatoren von Elektrofahrzeugen umfasst, ist der MwSt-Ausschuss einstimmig der Auffassung, dass das Aufladen des Akkus als Hauptelement der Transaktion zu betrachten ist, da der einzige Zweck der zusätzlichen Dienstleistungen darin besteht, den Zugang von Elektrofahrzeugen zur Ladestation zwecks Aufladung des Akkus zu erleichtern; die zusätzlichen Dienstleistungen sind somit mit dem Aufladen verbundene Nebentätigkeiten.

Daher ist der MwSt-Ausschuss einstimmig der Auffassung, dass die vom CPO durchgeführte Transaktion als Lieferung von Gegenständen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 und des Art. 15 Abs. 1 der MwStSystRL zu betrachten ist.

Achtung:

Es ist zu beachten, dass Leitlinien, die vom MwSt-Ausschuss herausgegeben werden, lediglich die Ansichten eines beratenden Ausschusses wiedergeben. Sie stellen weder eine offizielle Auslegung des Unionsrechts dar noch stimmt ihnen die Europäische Kommission unbedingt zu. Sie binden weder die Europäische Kommission noch die Mitgliedstaaten, denen es freisteht, sie nicht zu befolgen.

Mit Urteil vom 20.4.2023 (C-282/22, LEXinform 0954155) hat sich der EuGH in einem polnischen Verfahren mit dem Thema E-Charging auseinandergesetzt.

Entscheidungssachverhalt:

Der Kläger des Ausgangsverfahrens beabsichtigte, öffentlich zugängliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu errichten und zu betreiben. Der den Nutzern in Rechnung gestellte Preis sollte insbesondere von der Ladezeit sowie von der von dem betreffenden Nutzer gewählten Art des Anschlusses abhängen (Langsam- oder Schnellladeanschluss). Die Zahlungen sollten nach jedem Ladevorgang oder am Ende eines vereinbarten Abrechnungszeitraums geleistet werden. Allerdings sollte auch die Möglichkeit bestehen, ein System für den Kauf von Guthaben einzurichten, die in einer elektronischen Geldbörse angesammelt und zum Aufladen des betreffenden Elektrofahrzeugs verwendet werden könnten.

Die bei jedem Ladevorgang erbrachte Leistung sollte grds. je nach dem Bedarf des betreffenden Nutzers folgende Umsätze umfassen:

  1. die Bereitstellung von Ladevorrichtungen,

  2. die Übertragung von Elektrizität und die notwendige technische Unterstützung.

  3. Darüber hinaus sollte eine spezielle Plattform, Website oder Anwendungssoftware bereitgestellt werden, über die die jeweiligen Nutzer einen bestimmten Anschluss reservieren sowie den Verlauf der getätigten Umsätze und der erfolgten Zahlungen einsehen können.

Für alle diese Leistungen wollte der Kläger einen einheitlichen Preis in Rechnung stellen.

Das polnische Gericht legte dem EuGH folgende Fragen vor:

Handelt es sich bei der komplexen Leistung, die an Ladepunkten an die Nutzer von Elektrofahrzeugen erbracht wird und Folgendes umfasst:

  1. Bereitstellung von Ladevorrichtungen (einschließlich der Verbindung des Ladegeräts mit dem Betriebssystem des Fahrzeugs),

  2. Sicherstellung der Übertragung von Elektrizität mit entsprechend angepassten Parametern an die Batterien des Elektrofahrzeugs,

  3. notwendige technische Unterstützung für die Fahrzeugnutzer,

  4. Bereitstellung einer speziellen Plattform, Website oder Anwendungssoftware für die Nutzer, mit der der betreffende Anschluss reserviert werden kann und der Umsatzverlauf sowie getätigte Zahlungen eingesehen werden können, wobei auch die Nutzung einer sog. elektronischen Geldbörse angeboten wird, mit der für die einzelnen Ladevorgänge gezahlt werden kann,

um eine »Lieferung von Gegenständen« i.S.v. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL oder um eine »Dienstleistung« i.S.v. Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie?

Entscheidung des EuGH:

Im Ausgangsverfahren geht es um eine Kombination von Umsätzen, die in der Lieferung von Elektrizität zum Aufladen von Elektrofahrzeugen und der Erbringung verschiedener Dienstleistungen bestehen.

Da die Vermarktung eines Gegenstands stets mit einer minimalen Dienstleistung verbunden ist, müssen diese Dienstleistungen bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung zudem außer Betracht bleiben. Insoweit stellt erstens der Umsatz, der in der Übertragung von Elektrizität an die Batterie eines Elektrofahrzeugs besteht, eine Lieferung von Gegenständen dar, da er den Nutzer des Ladegeräts ermächtigt, die übertragene Elektrizität zum Zweck des Antriebs seines Fahrzeugs zu verbrauchen. Das Zur-Verfügung-Stellen einer geeigneten Ladevorrichtung wird nicht berücksichtigt, da sie notwendigerweise mit der Lieferung von Elektrizität verbunden ist. Die technische Unterstützung ihrerseits stellt keinen eigenen Zweck dar, sondern das Mittel, um die Lieferung der für den Antrieb des Elektrofahrzeugs erforderlichen Elektrizität unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und ist daher eine Nebenleistung zur Lieferung von Elektrizität. Dies gilt auch für die Bereitstellung von IT-Anwendungen, die es dem betreffenden Nutzer ermöglichen, einen Anschluss zu reservieren, den Umsatzverlauf einzusehen und Guthaben für die Bezahlung der Aufladungen zu erwerben. Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Übertragung von Elektrizität grds. den charakteristischen und dominierenden Bestandteil der einheitlichen und komplexen Leistung ausmacht.

Damit folgt der EuGH den Ausführungen des MwSt-Ausschusses (EU-Kommission vom 3.6.2019, taxud.c.1(2019)6589787 – 972, SIS 19 18 59, s.o.).

4.5.4.2. Stromlieferung über einen E-Mobility Provider (EMP)

Der MwSt-Ausschuss nimmt zu den anwendbaren MwSt-Vorschriften bezüglich von Transaktionen im Zusammenhang mit dem Aufladen von Elektrofahrzeugen (E-Charging) Stellung (EU-Kommission vom 19.4.2021, taxud.c.1(2021)6657618 – 1018, SIS 21 21 37).

Der MwSt-Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass in einer typischen Wertschöpfungskette des Aufladens von Elektrofahrzeugen, in der es einen Ladepunktbetreiber (»Charge Point Operator«/CPO) und einen Mobilitätsanbieter (»Mobility Provider«/EMP) gibt, der CPO als Lieferer von Elektrizität i.S.v. Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL an den EMP und der EMP wiederum als Erbringer derselben Lieferung von Elektrizität an den Fahrer anzusehen ist.

Nach einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses sollte davon ausgegangen werden, dass der EMP in dieser Konstellation als stpfl. Wiederverkäufer i.S.v. Art. 38 Abs. 2 MwStSystRL handelt. Aus diesem Grunde ist der Mehrwertsteuerausschuss einstimmig der Auffassung, dass der Ort als Ort der Lieferung von Elektrizität durch den CPO an den EMP gelten sollte, an dem der stpfl. Wiederverkäufer (d.h. der EMP) den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL hat (§ 3g Abs. 1 UStG; Abschn. 3g.1. Abs. 1 bis 5 UStAE; → Ort der Lieferung).

Beachte:

Hat ein deutscher CPO (Ladesäule in Deutschland) einen ausländischen EMP eingeschaltet, liegt der Lieferort des deutschen CPO gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL) am Sitz des EMP im Ausland. Der Umsatz des deutschen CPO an den ausländischen EMP fällt unter das Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 1 2. Alt. UStG; Art. 195 MwStSystRL). Zur Rechnungsausstellung des deutschen CPO s. § 14a Abs. 5 UStG. In der Rechnung des CPO an den EMP darf keine USt gesondert ausgewiesen werden (s. Abschn. 13b.14. Abs. 1 UStAE).

Hat ein deutscher CPO (Ladesäule in Deutschland) einen deutschen EMP eingeschaltet, liegt der Lieferort des deutschen CPO gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL) am Sitz des EMP in Deutschland. Der Umsatz des deutschen CPO an den deutschen EMP fällt nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG unter das Reverse-Charge-Verfahren. Nach § 13b Abs. 5 Satz 4 UStG schuldet der deutsche EMP als Leistungsempfänger und zugleich als Wiederverkäufer nur dann die USt, wenn auch der Lieferer (CPO) Wiederverkäufer von Elektrizität ist.

Der MwSt-Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass – gem. Art. 39 MwStSystRL – der Ort als Ort der Lieferung von Elektrizität durch den EMP an einen Fahrer, der sein Fahrzeug auflädt, gelten sollte, an dem der Fahrer die Gegenstände tatsächlich nutzt oder verbraucht, d.h. am Ort des Ladeterminals (§ 3g Abs. 2 UStG; Abschn. 3g.1. Abs. 5 UStAE).

Beachte:

Der ausländische EMP erbringt nach § 3g Abs. 2 UStG eine steuerbare Lieferung in Deutschland (Ort der Ladesäule). Erbringt der ausländische EMP die steuerbare Lieferung an einen privaten Endkunden (B2C-Umsatz), schuldet der EMP in Deutschland die USt und muss sich im Inland für Umsatzsteuerzwecke registrieren lassen.

Erbringt der ausländische EMP die steuerbare Lieferung an einen Unternehmer (B2B-Umsatz), schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 1 2. Alt. UStG.

Hat ein ausländischer CPO (Ladesäule im Ausland) einen deutschen EMP eingeschaltet, liegt der Lieferort des ausländischen CPO gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL) am Sitz des EMP in Deutschland. Der Umsatz des ausländischen CPO an den deutschen EMP fällt nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG unter das Reverse-Charge-Verfahren. Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 2. Alt. UStG schuldet der deutsche EMP als Leistungsempfänger und zugleich als Wiederverkäufer die USt.

Der deutsche EMP erbringt nach § 3g Abs. 2 UStG eine Lieferung im Ausland (Ort der Ladesäule). Da das Reverse-Charge-Verfahren des § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht zur Anwendung kommt – kein ausländischer Lieferer (kein Nr. 5 Buchst. a UStG) und der Leistungsempfänger ist entweder privater Endkunde (B2C) oder kein Wiederverkäufer (B2B) (kein Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Abs. 5 Satz 4 UStG) –, muss sich der deutsche EMP im Land der Ladesäule registrieren lassen (s.a. Fietz u.a., Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von E-Charging, NWB 39/2023, 2682).

4.6. Übertragung von Berechtigungen u.a. nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz

4.6.1. Grund für die Einführung des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG

Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften – EU-Vorgabenumsetzungsgesetz – vom 8.4.2010 (BGBl I 2010, 386) wurde § 13b UStG komplett neu gefasst. Die Neufassung tritt ab 1.7.2010 in Kraft (Art. 10 Abs. 4 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften). Mit der Neufassung wurde in § 13b Abs. 2 UStG eine neue Nr. 6 eingeführt. Die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens bei Treibhausgasemissionszertifikaten dient der Umsetzung des Art. 199a MwStSystRL. Art. 199a MwStSystRL wurde eingeführt mit Wirkung vom 9.4.2010 durch Richtlinie 2010/23 EU vom 16.3.2010 (ABl EU Nr. L 72 Satz 1) und ist bis zum 31.12.2026 befristet (s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

4.6.2. Einführung des Art. 199a MwStSystRL

Nach Abs. 1 des Art. 199a MwStSystRL können die Mitgliedstaaten bis zum 31.12.2026 vorsehen, dass die Mehrwertsteuer von dem steuerpflichtigen Empfänger u.a. folgender Leistungen geschuldet wird:

  1. Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten entsprechend der Definition in Art. 3 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, die gem. Art. 12 der genannten Richtlinie übertragen werden können,

  2. Übertragung von anderen Einheiten, die von den Wirtschaftsbeteiligten genutzt werden können, um den Auflagen der Richtlinie nachzukommen.

4.6.3. Die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG im Einzelnen

Durch das EU-Vorgaben-Umsetzungsgesetz wurde zum 1.7.2010 in § 13b Abs. 2 UStG eine neue Nr. 6 eingeführt. Für die Steuer, die bei der Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nr. 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) vom 21.7.2011 (BGBl I 2011, 1475), Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nr. 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes und zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nr. 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes entsteht, findet ein Wechsel der Steuerschuldnerschaft statt, wenn der Leistungsempfänger Unternehmer ist (§ 13b Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 5 Satz 1 UStG).

Die Übertragung der Rechte nach § 3 Abs. 4 bis 6 TEHG stellt umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung dar, deren Leistungsort sich bei der Übertragung zwischen Unternehmern nach § 3a Abs. 2 UStG mit dem Sitz des Leistungsempfängers bestimmt. Ist der leistende Unternehmer im Ausland ansässig und erbringt er eine der o.g. Leistungen an einen inländischen Unternehmer, wurde dieser Leistungsempfänger auch schon nach der bisherigen Regelung des § 13b Abs. 1 UStG Steuerschuldner. Mit der Einführung von § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG gilt dies nun auch für entsprechende Umsätze zwischen inländischen Unternehmern (s.a. Plikat, UStB 2010, 155).

Durch Art. 12 Nr. 9 i.V.m. Art. 39 Abs. 2 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (JStG 2019; BGBl I 2019, 2451) wurde § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG zum 1.1.2020 neu gefasst. Die bestehende Vorschrift zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers wurde auf die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten ausgeweitet. Die Änderung hat zur Folge, dass bei nach dem 31.12.2019 ausgeführten Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten an Unternehmer der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz UStG ist. Die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten ist eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG. Zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten s. das BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 23.3.2020 (BStBl I 2020, 288). Abschn. 13b.1. Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 UStAE wird entsprechend angepasst. Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 1.1.2020 auf Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten s. das BMF-Schreibens vom 23.3.2020 (BStBl I 2020, 288 unter II sowie Abschn. 13b.18. Satz 11 UStAE).

Durch Art. 12 Nr. 2 i.V.m. Art 18 Abs. 4 des Achten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 24.10.2022 (BGBl I 2022, 1838) wurde mit Wirkung ab 1.1.2023 § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG auf die Übertragung von Emissionszertifikaten, die im nationalen System nach dem Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2728) gehandelt werden, an einen Unternehmer erweitert (§ 3 Nr. 2 BEHG; s.a. Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 8 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 5.9.2023, BStBl I 2023, 1655).

Mit Schreiben vom 5.9.2023 (BStBl I 2023, 1655) nimmt das BMF zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (§ 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG) Stellung (s. Liermann, NWB 45/2023, 3070).

Mit dem BEHG hat Deutschland den Rechtsrahmen für ein nationales Handelssystem für die Bepreisung von Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen geschaffen (nEHS), die nicht unter das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union (»EU-Emissionshandelssystem« oder »EU-EHS«) fallen. Das BEHG dient der Erreichung der nationalen Klimaschutzziele, einschließlich des langfristigen Ziels der Treibhausgasneutralität bis 2050, und der Erreichung der Minderungsziele nach der EU-Klimaschutzverordnung sowie der Verbesserung der Energieeffizienz. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Handel mit Emissionszertifikaten werden dabei durch die §§ 9 und 10 BEHG geschaffen. Die Übertragung erfolgt nach § 9 Abs. 2 Satz 2 BEHG durch Einigung und Eintragung auf dem Konto des Erwerbers in dem nach § 12 BEHG von der zuständigen Behörde zu führenden nationalen Emissionshandelsregister. Konkretisierende Regelungen zur Veräußerung der Emissionszertifikate und zum nationalen Emissionshandelsregister, die für die Durchführung des nationalen Brennstoffmissionshandels nach dem BEHG erforderlich sind, enthält die Durchführungsverordnung zum BEHG (Brennstoffemissionshandelsverordnung – BEHV).

Informationen zum nationalen Emissionshandel und Zweck des BEHG:

Informationen zum nationalen Emissionshandel finden sich auf der Homepage der Deutschen Emissionshandelsstelle unter www.dehst.de, dort unter »Nationaler Emissionshandel«.

Mit dem BEHG wird eine Bepreisung von CO2 für die Sektoren Wärme und Verkehr eingeführt. Das Gesetz gibt vor, dass die Inverkehrbringer von Brennstoffen ab 2021 an einem Emissionshandelssystem teilnehmen müssen. Die entsprechenden Verantwortlichen müssen für die Emissionen der in Verkehr gebrachten Brennstoffe Zertifikate erwerben und abgeben. Die Deutsche Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt ist für den Vollzug des BEHG benannt worden.

Nach dem Prinzip des nationalen Emissionshandles muss für jede Tonne CO2, die bei der Verbrennung von Brennstoff freigesetzt werden kann, ein nEHS-Zertifikat abgegeben werden.

Damit die teilnehmenden Unternehmen sich schrittweise auf den neu eingeführten nationalen Emissionshandel (nEHS) einstellen können, ist im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) eine Einführungsphase (2021 bis 2026) vorgesehen, in der die nEHS-Zertifikate zunächst zu Festpreisen verkauft werden (2021 bis 2025) und im Jahr 2026 in einem Preiskorridor mit einem Mindest- und Höchstpreis versteigert werden. Die Rahmenbedingungen für den Verkauf hatte die Bundesregierung im Dezember 2020 in der Brennstoffemissionshandelsverordnung (BEHV) festgelegt. Ab 2027 ist eine Versteigerung mit freier Preisbildung am Markt möglich.

Die Preise für die Emissionszertifikate für CO2 aus dem nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG) sind in den nächsten Jahren gestaffelt. Ab 2021 kostet das Zertifikat 25,00 € pro Tonne CO2, ab 2022 30,00 € pro Tonne und ab 2023 sind es 35 € pro Tonne. Mit Art. 7 des Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 vom 22.12.2023 (BGBl I 2023, Nr. 412) wird im Jahr 2024 der CO2-Preis auf 45 € und im Jahr 2025 auf 55 € pro Tonne festgelegt.

Danach beginnt der eigentliche Brennstoffemissionshandel mit einem festgelegten Korridor von 55 bis 65 € je Tonne.

Zur Teilnahme am nationalen Emissionshandel (nEHS) sind laut BEHG alle natürlichen und juristischen Personen verpflichtet, die als Schuldner der Energiesteuer in bestimmten Fällen definiert sind – und zwar auch dann, wenn sich an das Entstehen der Energiesteuer ein Verfahren der Steuerbefreiung anschließt. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Großhändler von Brennstoffen, Hersteller von Brennstoffen mit Großhandelsvertrieb, die Brennstoffe in Verkehr bringen, sowie um Unternehmen, die Brennstoffe nach Deutschland importieren, das heißt i.S.d. Energiesteuer einführen. Darüber hinaus sind auch Unternehmen verpflichtet, die Kohle in bestimmten Fällen steuerfrei verwenden oder Abfallverbrennungsanlagen betreiben.

Seit 2021 sind die Brennstoffe Benzin, Gasöle, Heizöle, Erdgas und Flüssiggas vom nEHS erfasst und seit 2023 auch zahlreiche andere Brennstoffe wie zum Beispiel Kohle.

Die Übertragung der Zertifikate nach dem BEHG ist umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung. Überträgt ein Unternehmer ein Zertifikat an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen, ist der Leistungsort regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, an den bzw. an die die Leistung tatsächlich erbracht wird (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Liegt der Leistungsort im Inland und ist der leistende Unternehmer nicht hier, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig, ist der Leistungsempfänger (Unternehmer) Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 und 5 UStG). Sind leistender Unternehmer und Leistungsempfänger im Inland ansässig, ist bislang der leistende Unternehmer Steuerschuldner (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG); insbes. liegt insoweit kein Fall des bisherigen § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG vor, da dieser lediglich Emissionsberechtigungen nach dem EU-EHS umfasst.

Ziel der Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens ist es, Umsatzsteuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten, dass bei o.g. Leistungen, die von § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG bisher nicht erfasst sind, nicht sichergestellt werden kann, dass der Fiskus den Steueranspruch beim Leistenden realisieren kann. Die im Bereich des Zertifikatehandels gemachten Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass der Handel mit entsprechenden Zertifikaten in höchstem Maße betrugsanfällig ist. Aufgrund dieser Erfahrungen ist davon auszugehen, dass auch der Handel mit Zertifikaten für Brennstoffemissionen nach dem BEHG für betrügerische Zwecke genutzt werden könnte und damit Umsatzsteuerausfälle in dem Bereich zu erwarten sind. Die Steuerausfälle entstehen, indem bei den vorgenannten Leistungen vielfach die Steuer dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellt wird, dieser die in Rechnung gestellte Steuer als Vorsteuer abzieht, der leistende Unternehmer aber die in Rechnung gestellte USt nicht an das FA abführt. Dies wird bei einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vermieden (s. BT-Drs. 20/2247, 116 f.).

Die in § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG genannten Emissionszertifikate gem. § 3 Nr. 2 BEHG beziehen sich auf Zertifikate, die das Recht zur Emission einer Tonne Treibhausgase in Tonnen Kohlendioxidäquivalent innerhalb eines bestimmten Zeitraums verleihen. Damit ist insbes. der Handel mit der THG-Quote von der Regelung des Reverse-Charge-Verfahrens in § 13b Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG betroffen. Wenn Unternehmer die THG-Quote an andere Unternehmer veräußern, darf bei der Rechnungstellung unter Verweis auf das erweiterte Reverse-Charge-Verfahren keine USt ausgewiesen werden (s. Liermann, NWB 45/2023, 3070 unter I.).

Exkurs:

Seit 2019 sind die Emissionseinsparungen von (reinen) Elektrofahrzeugen auf die sog. Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) anrechenbar. Mit jeder Kilowattstunde, die an einem Ladepunkt geladen wird, geht eine Treibhausgasminderung einher, die als THG-Quote an quotenverpflichtete Unternehmen verkauft werden kann.

Seit dem 1.1.2022 sind alle Betreiber von Ladepunkten Eigentümer der THG-Quote und damit berechtigt, diese weiterzuverkaufen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 TMinQuotBestV). Als Ladepunktbetreiber gilt danach jede Person, auf die das reine Batterieelektrofahrzeug zugelassen ist. Mit Beginn des Jahres 2022 und aktuell bis zum Jahr 2030 kann somit jeder Fahrzeugbesitzer eines Batteriefahrzeugs von der THG-Quote profitieren und mit seinem Fahrzeug Geld verdienen, indem er die eingesparten CO2-Emissionen »verkauft«. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug privat oder gewerblich genutzt wird, es gekauft, geleast oder finanziert wurde. Einzig notwendig ist die Eintragung als Halter im Fahrzeugschein. Die maximale Vergütung richtet sich dabei nach der Fahrzeugklasse, da unterschiedliche Fahrzeugklassen auch unterschiedlich viel Emission einsparen. Die Höhe der Einsparung wird jedes Jahr typisiert für jede Fahrzeugklasse neu berechnet. Neben einer Eigenvermarktung gibt es aktuell bereits diverse Ankäufer der THG-Quote, bei denen sich Fahrzeughalter registrieren können und die die Vermarktung der THG-Quote zu Großhandelspreisen für die Fahrzeughalter übernehmen (vgl. z.B.: https://www.elektroauto-news.net/thg-quote-barpraemie). Für den Erhalt der Prämie (zwischen 250 € und 300 €) muss nur der Fahrzeugschein hochgeladen werden.

Mit Vfg. vom 29.3.2022 (S 2240/S 2256/S 2257 A – St 32 1, UR 2022, 556, SIS 22 09 06) nimmt das LfSt Rheinland-Pfalz zur Umsatzbesteuerung von Prämien aus der Treibhausgasminderungs-Quote Stellung.

Die THG-Quote wird nicht mit dem Erwerb des Fahrzeuges »mitangeschafft«, sodass insoweit weder eine neben dem Elektrofahrzeug bezogene weitere (Haupt-)Leistung noch ein anteilig darauf entfallender Vorsteuerbetrag aus der Anschaffung des Elektrofahrzeugs vorliegt.

Überträgt eine Privatperson ihre vom Umweltbundesamt bescheinigte Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) aus einem auf sie zugelassenen und ihrem nichtunternehmerischen Bereich zugeordneten oder für den nichtunternehmerischen Bereich bezogenen Elektrofahrzeug jährlich oder für mehrere Jahre gegen eine Vergütung an einen Ankäufer, handelt es sich dabei nicht um eine nachhaltige Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG.

Überträgt ein Unternehmer seine vom Umweltbundesamt bescheinigte THG-Quote aus einem auf ihn zugelassenen und seinem Unternehmen zugeordneten oder für sein Unternehmen bezogenen Elektrofahrzeug jährlich oder für mehrere Jahre gegen eine Vergütung an einen Ankäufer, handelt es sich dabei um einen Teil der unternehmerischen Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG des Unternehmers (s.a. Klein, NWB 44/2022, 3093).

Hinweis:

Durch Art. 31 Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz; Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 20/9341, 126) soll ab 1.1.2024 § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG ergänzt werden.

Für bestimmte, der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unterfallende Umsätze enthält § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG eine Vereinfachungsregelung, wonach der Leistungsempfänger als Steuerschuldner gilt, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger für diesen Umsatz die Regelung des § 13b Abs. 2 UStG angewandt haben, obwohl dies nach Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Voraussetzungen nicht zutreffend war.

Durch die Erweiterung des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG durch das 8. Verbrauchsteueränderungsgesetz im Jahr 2022 fallen jetzt auch die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) unter die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Die Vereinfachungsregelung soll auch für die unter diese Vorschrift fallenden Umsätze angewandt werden können.

Das Wachstumschancengesetz hatte der Bundestag bereits beschlossen, es stieß aber auf Ablehnung im Bundesrat und soll im Jahr 2024 im Vermittlungsausschuss behandelt werden.

4.7. Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG)

4.7.1. Gegenstände der Anlage 3 des UStG

Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 UStG um eine Nr. 7 erweitert auf steuerpflichtige Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen (Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände). Bei Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen an einen Unternehmer schuldet nicht (mehr) der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger die Steuer. Steuerschuld und Vorsteuerabzug fallen somit beim Leistungsempfänger zusammen (Abschn. 13b.1. Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UStAE).

Ziel dieser Erweiterung ist, Umsatzsteuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten, dass bei diesen Leistungen nicht sichergestellt werden kann, dass diese von den leistenden Unternehmern vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden, bzw. der Fiskus den Steueranspruch beim Leistenden realisieren kann. So haben Feststellungen insbesondere der obersten Finanzbehörden der Länder gezeigt, dass auch bei Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen vielfach die Steuer dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellt wird, dieser die in Rechnung gestellte Steuer als Vorsteuer abzieht, der leistende Unternehmer aber die in Rechnung gestellte Steuer nicht an das FA abführt. Die Finanzämter konnten – in den meisten Fällen wegen Zahlungsunfähigkeit des leistenden Unternehmers – den Umsatzsteueranspruch nicht mehr durchsetzen. Dies wird bei einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vermieden.

Darüber hinaus entsteht – wie bei allen in § 13b Abs. 2 UStG genannten Umsätzen – die USt bei diesen Lieferungen dann im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Lieferung folgenden Kalendermonats.

Die Regelung entspricht Art. 66 Abs. 1 Buchst. a und c und Art. 199 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 MwStSystRL (BT-Drs. 17/2249, 76).

Abschn. 13b.4. UStAE nimmt zu den Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen ausführlich Stellung.

Die Anlage 3 (zu § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG) enthält folgende Gegenstände:

Lfd. Nr.

Warenbezeichnung

Zolltarif (Kapitel, Position, Unterposition), Erläuterungen im UStAE

1

Granulierte Schlacke (Schlackensand) aus der Eisen- und Stahlherstellung

Unterposition 2618 00 00

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 1 UStAE

2

Schlacken (ausgenommen granulierte Schlacke), Zunder und andere Abfälle der Eisen- und Stahlherstellung

Unterposition 2619 00

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 2 UStAE

3

Schlacken, Aschen und Rückstände (ausgenommen solche der Eisen- und Stahlherstellung), die Metalle, Arsen oder deren Verbindungen enthalten

Position 2620

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 3 UStAE

4

Abfälle, Schnitzel und Bruch von Kunststoffen

Position 3915

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 4 UStAE

5

Abfälle, Bruch und Schnitzel von Weichkautschuk, auch zu Pulver oder Granulat zerkleinert

Unterposition 4004 00 00

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 5 UStAE

6

Bruchglas und andere Abfälle und Scherben von Glas

Unterposition 7001 00 10

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 6 UStAE

7

Abfälle und Schrott von Edelmetallen oder Edelmetallplattierungen; andere Abfälle und Schrott, Edelmetalle oder Edelmetallverbindungen enthaltend, von der hauptsächlich zur Wiedergewinnung von Edelmetallen verwendeten Art.

Eingeschmolzener und zu Rohblöcken, Masseln oder ähnlichen Formen gegossener Abfall und Schrott von Edelmetallen ist als unbearbeitetes Metall einzureihen und fällt deshalb nicht unter Nr. 7 der Anlage 3 des UStG, sondern unter Nr. 2, 3 oder 4 der Anlage 4 des UStG (Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 7 Satz 5 UStAE; vgl. § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG und Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 2 bis 4 UStAE).

Position 7112

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 7 UStAE

8

Abfälle und Schrott, aus Eisen oder Stahl; Abfallblöcke aus Eisen oder Stahl.

Hinsichtlich der Lieferung von Roheisen, Spiegeleisen, Eisen oder Stahl vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 8 Satz 4 UStAE.

Position 7204

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 8 UStAE

9

Abfälle und Schrott, aus Kupfer.

Hinsichtlich der Lieferung von Kupfer vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 9 Satz 4 UStAE.

Position 7404

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 9 UStAE

10

Abfälle und Schrott, aus Nickel.

Hinsichtlich der Lieferung von Nickel vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 10 Satz 3 UStAE).

Position 7503

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 10 UStAE

11

Abfälle und Schrott, aus Aluminium.

Hinsichtlich der Lieferung von Aluminium vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 8 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 11 Satz 3 UStAE.

Position 7602

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 11 UStAE

12

Abfälle und Schrott, aus Blei.

Hinsichtlich der Lieferung von Blei vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 9 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 12 Satz 3 UStAE.

Position 7802

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 12 UStAE

13

Abfälle und Schrott, aus Zink.

Hinsichtlich der Lieferung von Zink vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 10 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 13 Satz 3 UStAE.

Position 7902

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 13 UStAE

14

Abfälle und Schrott, aus Zinn.

Hinsichtlich der Lieferung von Zinn vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 11 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 14 Satz 3 UStAE.

Position 8002

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 14 UStAE

15

Abfälle und Schrott, aus anderen unedlen Metallen

Hinsichtlich der Lieferung der vorgenannten unedlen Metalle vgl. Abschn. 13b.7a. Satz 1 Nr. 12 und 13 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 15 Satz 4 UStAE.

aus Positionen 8101 bis 8113

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 15 UStAE

16

Abfälle und Schrott, von elektrischen Primärelementen, Primärbatterien und Akkumulatoren; aufgebrauchte elektrische Primärelemente, Primärbatterien und Akkumulatoren.

Unterposition 8548 10

Abschn. 13b.4. Abs. 1 Nr. 16 UStAE

Bestehen Zweifel, ob ein Gegenstand unter die Anlage 3 des UStG fällt, haben der Lieferer und der Abnehmer die Möglichkeit, bei dem zuständigen Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke (uvZTA) mit dem Vordruckmuster 0310 einzuholen. Das Vordruckmuster mit Hinweisen zu den Zuständigkeiten für die Erteilung von uvZTA steht auf den Internetseiten der Zollabteilung des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.zoll.de) unter der Rubrik Vorschriften und Vordrucke – Formularcenter – Gesamtliste aller Vordrucke zum Ausfüllen und Herunterladen bereit. UvZTA können auch von den Landesfinanzbehörden (z.B. den Finanzämtern) beantragt werden (Abschn. 13b.4. Abs. 1 Satz 2 ff. UStAE).

Werden sowohl Gegenstände geliefert, die unter die Anlage 3 des UStG fallen, als auch Gegenstände, die nicht unter die Anlage 3 des UStG fallen, ergeben sich unterschiedliche Steuerschuldner. Dies ist auch bei der Rechnungsstellung zu beachten (s.a. Abschn. 13b.4. Abs. 2 UStAE).

Beispiel 19:

Der in München ansässige Aluminiumhersteller U liefert Schlackenzement und Schlackensand in zwei getrennten Partien an den auf Landschafts-, Tief- und Straßenbau spezialisierten Unternehmer B in Köln.

Lösung 19:

Es liegen zwei Lieferungen vor. Die USt für die Lieferung des Schlackenzements wird vom leistenden Unternehmer U geschuldet (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG), da Schlackenzement in der Anlage 3 des UStG nicht aufgeführt ist (insbesondere fällt Schlackenzement nicht unter die Nummer 1 der Anlage 3 des UStG).

Für die Lieferung des Schlackensands schuldet der Empfänger B die Umsatzsteuer (§ 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 7 UStG).

In der Rechnung ist hinsichtlich des gelieferten Schlackenzements u.a. das Entgelt sowie die hierauf entfallende USt gesondert auszuweisen (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 UStG). Hinsichtlich des gelieferten Schlackensands ist eine Steuer nicht gesondert auszuweisen (§ 14a Abs. 5 Satz 3 UStG). Auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers insoweit ist hinzuweisen (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG).

Erfolgt die Lieferung von Gegenständen der Anlage 3 des UStG im Rahmen eines Tauschs oder eines tauschähnlichen Umsatzes gilt als Entgelt für jede einzelne Leistung der Wert der vom Leistungsempfänger erhaltenen Gegenleistung, beim Tausch oder tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe ggf. abzüglich bzw. zuzüglich einer Baraufgabe (vgl. Abschn. 10.5. Abs. 1 Sätze 6 bis 9 i.V.m. Abschn. 13b.4. Abs. 2 Satz 3 ff. UStAE).

Werden Mischungen oder Warenzusammensetzungen geliefert, die sowohl aus in der Anlage 3 des UStG bezeichneten als auch dort nicht genannten Gegenständen bestehen, sind die Bestandteile grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Näheres dazu s. unter Abschn. 13b.4. Abs. 3 UStAE (s.a. Weimann, UStB 2011, 198). Zu beachten ist, dass die Lieferung von Fahrzeugwracks aus Vereinfachungsgründen unter die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG fällt (Abschn. 13b.4. Abs. 3 Satz 3 UStAE; s.a. Weimann, UStB 2011, 395).

4.7.2. Leistungsempfänger als Steuerschuldner

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Lieferungen der in der Anlage 3 des UStG bezeichneten Gegenstände, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG; Abschn. 13b.4. Abs. 4 UStAE).

Werden Lieferungen der in der Anlage 3 des UStG bezeichneten Gegenstände an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, sind die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich. Dabei gelten u.a. die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG stets als erfüllt; § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG bleiben unberührt (Abschn. 13b.4. Abs. 5 i.V.m. Abschn. 13b.1. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803).

4.8. Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG)

4.8.1. Grundsätzliche

Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 UStG um eine Nr. 8 erweitert auf die steuerpflichtige Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen. Bei derartigen Leistungen an einen Unternehmer, der selbst nachhaltig derartige Leistungen erbringt, schuldet nicht der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger die Steuer (§ 13b Abs. 5 Satz 5 UStG; Abschn. 13b.5. Abs. 4 UStAE).

Unter die genannten Umsätze fällt insbesondere (Abschn. 13b.5. Abs. 2 UStAE):

  1. die Reinigung sowie die pflegende und schützende (Nach-)Behandlung von Gebäuden und Gebäudeteilen (innen und außen);

  2. die Hausfassadenreinigung (einschließlich Graffitientfernung); dies gilt nicht für Reinigungsarbeiten, die bereits unter § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG fallen (vgl. Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 10 UStAE);

  3. die Fensterreinigung;

  4. die Reinigung von Dachrinnen und Fallrohren;

  5. die Bauendreinigung;

  6. die Reinigung von haustechnischen Anlagen, soweit es sich nicht um Wartungsarbeiten handelt;

  7. die Hausmeisterdienste und die Objektbetreuung, wenn sie auch Gebäudereinigungsleistungen beinhalten.

Insbesondere folgende Leistungen fallen nicht unter die in § 13b Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 UStG genannten Umsätze (Abschn. 13b.5. Abs. 3 UStAE):

  1. die Schornsteinreinigung;

  2. die Schädlingsbekämpfung;

  3. der Winterdienst, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt;

  4. die Reinigung von Inventar, wie Möbel, Teppiche, Matratzen, Bettwäsche, Gardinen und Vorhänge, Geschirr, Jalousien und Bilder, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt;

  5. die Arbeitnehmerüberlassung, auch wenn die überlassenen ArbN für den Entleiher Gebäudereinigungsleistungen erbringen, unabhängig davon, ob die Leistungen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erbracht werden oder nicht.

Wie bei allen in § 13b Abs. 2 UStG genannten Umsätzen entsteht die USt bei diesen Lieferungen dann im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Lieferung folgenden Kalendermonats.

Die Regelung entspricht Art. 66 Abs. 1 Buchst. a und c und Art. 199 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 MwStSystRL (BT-Drs. 17/2249, 76).

§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG bleibt hiervon unberührt. Für im Inland steuerpflichtige Gebäudereinigungsleistungen eines ausländischen Unternehmers ist der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG Steuerschuldner (s.a. Luft, DStR 2011, 749).

Beispiel 20:

U betreibt im eigenen Bürogebäude in Landau/Pfalz ein Beratungsunternehmen für mittelständige Unternehmer. U erbringt ausschließlich Abzugsumsätze.

Zur Reinigung des Bürogebäudes schließt U mit dem französischen Unternehmer F einen Vertrag über die Reinigung des Gebäudes. F reinigt vertragsgemäß wöchentlich zweimal die Flächen des Gebäudes. Die Vertragsdauer beträgt 36 Monate, vierteljährlich sind 15 000 € zu zahlen. U überweist zum Ende des jeweiligen Quartals immer pünktlich 15 000 € an F.

Lösung 20:

S. Nürnberg, Übungsklausur aus dem Umsatzsteuerrecht – Vom Wechsel der Steuerschuldnerschaft im In- und Ausland unter I.2., Steuer & Studium 5/2023, 334.

Mit den Reinigungsleistungen tätigt F sonstige B2B-Leistungen nach § 3 Abs. 9 UStG, deren Ortsbestimmung sich grds. nach § 3a Abs. 2 UStG richten. Als sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c UStG (s.a. Abschn. 3a.3. Abs. 8 Satz 3 Nr. 1 UStAE). Der Ort befindet sich daher in Landau (Inland, § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG). Die Leistung ist steuerbar und mangels Steuerbefreiung auch steuerpflichtig.

Für die an U im Inland ausgeführte Leistung ist das Reverse-Charge-Verfahren des § 13b UStG zu prüfen. § 13b Abs. 1 UStG kommt nicht zur Anwendung, da F zwar ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist, der Ort seiner sonstigen Leistungen sich aber nicht nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt.

F ist ein ausländischer Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG. Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG geht die Steuerschuldnerschaft auf U als Leistungsempfänger über. Nach § 14a Abs. 5 Satz 2 UStG darf die USt nicht gesondert in der Rechnung ausgewiesen werden. Für die Rechnungserstellung durch F ist § 14 Abs. 7 UStG zu beachten (s.a. Abschn. 13b.14. UStAE).

Nach § 13b Abs. 2 entsteht die USt mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistungen folgenden Kalendermonats. Bei den Reinigungsleistungen handelt es sich um quartalsmäßig ausgeführte Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2und 3 UStG. Die Steuer entsteht nach § 13b Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG mit Ablauf des jeweiligen Quartals. Bemessungsgrundlage für die quartalsmäßige Steuer ist der Rechnungsbetrag von jeweils 15 000 €. Der Steuersatz beträgt nach § 12 Abs. 1 UStG 19 %; somit entsteht die USt i.H.v. 2 850 € (s.a. Abschn. 13b.12. Abs. 1 N. 2 UStAE mit Beispiel).

Der Leistungsempfänger U kann die von ihm nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete USt als Vorsteuer abziehen, wenn er die Lieferung oder sonstige Leistung für sein Unternehmen bezieht und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG; Abschn. 13b.15. Abs. 1 UStAE).

4.8.2. Gebäudereinigungsleistungen, die nach dem 30.9.2014 erbracht werden

Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wird mit Wirkung vom 1.10.2014 u.a. der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG) und Gebäudereinigungsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG) geändert, um die Folgen der BFH-Urteile vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) und vom 11.12.2013 (XI R 21/11 BStBl II 2014, 425) in der Praxis zu vermeiden. (s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Werden Gebäudereinigungsleistungen von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist und selbst nachhaltig Gebäudereinigungsleistungen erbringt, unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Gebäudereinigungsleistung verwendet (§ 13b Abs. 5 Satz 5 UStG). Abschn. 13b.2. Abs. 4 und Abschn. 13b.3. Abs. 1 bis 5, 7, 9, 11, 13 und 14 UStAE gelten sinngemäß (Abschn. 13b.5. Abs. 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803). Die Steuerschuldnerschaft geht dann über, wenn der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des Steuerschuldübergangs mittels Vordruck USt 1 TG nachweist (Abschn. 13b.3. Abs. 3 UStAE).

Es ist nicht erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Gebäudereinigungsleistungen mit von ihm erbrachten Gebäudereinigungsleistungen unmittelbar zusammenhängen (Abschn. 13b.5. Abs. 5 UStAE).

Beispiel: 21:

Der Gebäudereiniger A beauftragt den Unternehmer B mit der Reinigung seines Bürogebäudes. A bewirkt nachhaltig Gebäudereinigungsleistungen.

Lösung 21:

Die Gebäudereinigungsleistung durch B ist eine unter § 13b Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 und Abs. 5 Satz 5 UStG fallende sonstige Leistung. Für diesen Umsatz ist A Steuerschuldner, da er selbst nachhaltig Gebäudereinigungsleistungen erbringt. Unbeachtlich ist, dass der von B erbrachte Umsatz nicht mit den Ausgangsumsätzen des A in unmittelbarem Zusammenhang steht (Beispiel in Abschn. 13b.5. Abs. 5 UStAE).

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 5 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Gebäudereinigungsleistungen, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind und nachhaltig Gebäudereinigungsleistungen erbringen (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG; Abschn. 13b.5. Abs. 6 UStAE).

4.8.3. Vermittlung von Gebäudereinigungsleistungen

Oftmals werden gerade Gebäudereinigungsleistungen durch Wohnungseigentümergemeinschaften, Hausverwalter oder Vermieter (»Zwischenauftraggeber«) weiterberechnet. Die empfangene Gebäudereinigungsleistung führt unmittelbar zur Ausführung einer eigenen Reinigungsleistung.

Handeln die o.g. »Zwischenauftraggeber« im fremden Namen und für fremde Rechnung, treten sie als Vermittler auf. In diesem Fall liegt eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen dem Dritten, der die Gebäudereinigungsleitung tatsächlich ausführt, und dem Wohnungseigentümer bzw. Mieter vor.

Für Reinigungsleistungen des Dritten ist nicht erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Gebäudereinigungsleistungen mit von ihm erbrachten Gebäudereinigungsleistungen unmittelbar zusammenhängen (Abschn. 13b.5. Abs. 5 UStAE). Da die 10 %-Grenze gilt (Nachhaltigkeit der Gebäudereinigungsleistungen gem. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG; Abschn. 13b.5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abschn. 13b.3. Abs. 1 bis 5 UStAE), geht die Steuerschuldnerschaft dann über, wenn der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des Steuerschuldübergangs mittels Vordruck USt 1 TG nachweist (Abschn. 13b.3. Abs. 3 UStAE).

In den Fällen des § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG kann die Steuerschuldnerschaft auch auf die Leistungsempfänger übergehen.

4.8.4. Gebäudereinigungsleistung im Wege der Dienstleistungskommission

Reinigungsleistungen werden von Wohnungseigentümergemeinschaften, Hausverwaltern oder Vermietern oftmals im eigenen Namen aber für fremde Rechnung in Auftrag gegeben (→ Dienstleistungskommission; § 3 Abs. 11 UStG; Abschn. 3.15. UStAE). In diesen Fällen empfängt der »Zwischenauftraggeber« die Leistung des Dritten als Leistungsempfänger und leistet diese wiederum selbst an seinen Auftraggeber (Abschn. 3.15. Abs. 1 Satz 1 UStAE).

Beispiel 22:

Hausverwalter H beauftragt im Namen und für Rechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft W die Reinigungsfirma R mit der Reinigung der Fenster des gesamten Hauses. Die Fensterreinigung wird, soweit sie auf das Gemeinschaftseigentum entfällt, im Wege der Umlage von den Eigentümern getragen. Soweit es sich um die Reinigung der Fenster der einzelnen Wohnungen handelt, wird diese den Eigentümern gesondert in Rechnung gestellt (s.a. Becker, NWB 2014, 1348).

Lösung 22:

Da der Hausverwalter H als Vermittler auftritt, wird hinsichtlich der Reinigungsleistung eine Leistungskette fingiert (Abschn. 3.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Bei diesem Leistungseinkauf ist der Leistungsnehmer W Leistungsempfänger und zugleich Leistender an die Wohnungseigentümer im Wege der Dienstleistungskommission.

Jede der beiden Leistungen ist gesondert für sich nach den allgemeinen Regeln des UStG zu beurteilen (Abschn. 3.15. Abs. 2 Satz 3 UStAE). Unabhängig vom Status des Leistungsempfängers (Unternehmer oder Nichtunternehmer) bestimmt sich der Ort der jeweiligen Reinigungsleistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG nach dem Belegenheitsort des Grundstücks (zur Reinigungsleistung s. Abschn. 3a.3. Abs. 9 Nr. 4 UStAE).

Die Wohnungseigentümergemeinschaft erhält mit der Umlage ein Entgelt für die Ausführung steuerbarer Sonderleistungen an die einzelnen Mitglieder. Die Reinigungsleistung der W an die Wohnungseigentümer ist, soweit die Reinigung auf die Umlage entfällt, nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfrei (Abschn. 4.13.1 Abs. 2 UStAE). Die Verwaltung des Sondereigentums der Mitglieder fällt allerdings nicht unter die Steuerbefreiung (Abschn. 4.13.1. Abs. 2 Satz 5 UStAE).

Die Leistungen der Leistungskette werden bezüglich ihres Inhalts gleich behandelt (Abschn. 3.15. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Die an W erbrachte Reinigungsleistung hängt somit unmittelbar mit der von W erbrachten Reinigungsleistung zusammen. Für Gebäudereinigungsleistungen ist dieser unmittelbare Zusammenhang für den Steuerschuldübergang allerdings nicht erforderlich (Abschn. 13b.5. Abs. 5 UStAE). Nach § 13b Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 5 UStG geht grundsätzlich die Steuerschuldnerschaft des R nur dann auf W über, wenn W selbst nachhaltig (10 %-Grenze) Gebäudereinigungsleistungen erbringt und dies durch den Vordruck USt 1 TG nachweist.

Wohnungseigentümergemeinschaften sind für Bau- und Reinigungsarbeiten als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, wenn diese Leistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an die einzelnen Wohnungseigentümer weitergegeben werden. Dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft derartige Umsätze nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt (Abschn. 13b.5. Abs. 4 Satz 2 UStAE i.V.m. Abschn. 13b.3. Abs. 9 UStAE).

Übernimmt W fälschlicherweise in vollem Umfang die Steuerschuldnerschaft und führt die USt ans FA ab, kann W die nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete USt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abziehen. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass W die Leistung für ihr Unternehmen bezieht und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (Abschn. 13b.8. Abs. 1 UStAE). Der Anteil der Vorsteuer, der auf die Umlagen entfällt, ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig.

4.9. Goldlieferungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG)

Durch das JStG 2010 vom 8.12 2010 (BGBl I 2010, 1768) wird die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 UStG um eine Nr. 9 erweitert auf bestimmte Goldlieferungen (s.a. OFD Niedersachsen vom 4.7.2012, S 7279 – 38 – St 184, UR 2013, 475, LEXinform 5234071).

Durch das BMF-Schreiben vom 12.12.2011 (BStBl I 2011, 1289) wird Abschn. 13b. UStAE an die Änderungen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers durch das JStG 2010 angepasst. Nach Abschn. 13b.5. UStAE wird Abschn. 13b.6. UStAE angefügt, der zu den Goldlieferungen Stellung nimmt.

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers wird erweitert auf steuerpflichtige Lieferungen von Gold in Rohform oder als Halbzeug, mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, einschließlich der steuerpflichtigen Lieferungen von Anlagegold in dieser Form mit einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendstel nach § 25c Abs. 3 UStG, sowie von Goldplattierungen auf unedlen Metallen oder auf Silber, in Rohform oder als Halbzeug, mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (Abschn. 13b.6. Abs. 1 UStAE).

Ziel dieser Erweiterung ist, Umsatzsteuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten, dass bei diesen Leistungen nicht sichergestellt werden kann, dass diese von den leistenden Unternehmern vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden, bzw. der Fiskus den Steueranspruch beim Leistenden realisieren kann.

Wie bei allen in § 13b Abs. 2 UStG genannten Umsätzen entsteht die USt bei diesen Lieferungen dann im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Lieferung folgenden Kalendermonats.

Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG ist der Leistungsempfänger dann Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist. S.a. das Beispiel in Abschn. 13b.6. Abs. 1 UStAE. Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Lieferungen von Gold in der in § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG bezeichneten Art, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG und Abschn. 13b.6. Abs. 2 UStAE).

Werden Goldlieferungen an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, sind die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich. Dabei gelten u.a. die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 9 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG stets als erfüllt (Abschn. 13b.6. Abs. 3 i.V.m. Abschn. 13b.1. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803).

Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wird mit Wirkung vom 1.10.2014 u.a. § 13b Abs. 5 UStG um Satz 9 ergänzt. Mit dem neuen § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG wird klargestellt, dass bei Lieferungen von in § 13b Abs. 2 Nr. 2, 7 und 9 bis 11 UStG genannten Gegenständen, für die die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG vorliegen und der Unternehmer diese Regelung auch anwendet, der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner wird (s.a. Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStAE).

Zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung bei der Abgabe von Scheidegut an eine Scheideanstalt gegen Gutschrift auf einem Gewichtskonto und zur Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG nimmt die OFD Karlsruhe mit Vfg. vom 19.2.2015 (S 7100 – Karte 23, UR 2015, 565, LEXinform 5235552) Stellung.

Die Abgabe von Scheidegut an Scheideanstalten gegen Gutschrift auf dem Gewichtskonto stellt keine Lieferung an die Scheideanstalt dar, wenn durch die Gutschrift auf dem Gewichtskonto die Verfügungsmacht an dem Edelmetall beim Anlieferer verbleiben soll. Der Anlieferer hat einen Anspruch auf Herausgabe von Edelmetall hinsichtlich der ihm gutgeschriebenen Menge (Miteigentumsanteil). Die Scheideanstalt erbringt in diesem Fall mit der Scheidung der Edelmetalle eine sonstige Leistung.

Beispiel 23:

Schmuckhersteller H übergibt Scheidegut an eine Scheideanstalt. Die Edelmetallgehalte werden seinem Gewichtskonto bei der Scheideanstalt gutgeschrieben. Die Scheideanstalt stellt ihm die Scheidekosten für Schmelz-, Scheide- und Analyseleistungen in Rechnung.

Lösung 23:

Die Anlieferung des Scheideguts stellt keinen Umsatz dar. Die Scheideanstalt erbringt mit den Scheideleistungen (Schmelz-, Scheide- und Analyseleistungen) eine sonstige Leistung an H.

Beispiel 24:

Schmuckhersteller H übergibt Scheidegut an eine Scheideanstalt. Die Edelmetallgehalte werden seinem Gewichtskonto bei der Scheideanstalt gutgeschrieben. Die Scheideanstalt stellt keine Scheidekosten in Rechnung, sondern vermindert die Gutschrift des Feingoldgehalts.

Lösung 24:

Die Anlieferung des Scheideguts stellt insoweit keinen Umsatz dar, als die Edelmetallgehalte dem Gewichtskonto des H gutgeschrieben werden. Die Scheideanstalt erbringt mit der Scheideleistung eine sonstige Leistung an H. Entgelt für diese Leistung ist die anteilige Lieferung von Edelmetall (tauschähnlicher Umsatz). Hierfür ist die Scheideanstalt Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 i.V. mit Abs. 5 UStG).

Die Abgabe von Scheidegut an Scheideanstalten gegen Gutschrift auf dem Gewichtskonto stellt eine Lieferung an die Scheideanstalt dar, wenn das Gewichtskonto lediglich dazu dient, die Anlieferung an die Scheideanstalt abzuwickeln. In diesen Fällen hat der Anlieferer nur Anspruch auf Vergütung der angelieferten Edelmetallgehalte. Nach dem Willen der Vertragsparteien ist davon auszugehen, dass der Edelmetallgehalt der im Scheidegut enthaltenen Edelmetalle der Scheideanstalt geliefert wird. Für diesen Umsatz kann § 13b UStG zur Anwendung kommen (s.a. Lange u.a., NWB 31/2019, 2275).

Beispiel 25:

Unternehmer A übergibt Scheidegut an eine Scheideanstalt. Er erhält hierfür von der Scheideanstalt den Wert des angelieferten Edelmetalls ausgezahlt. Die technische Abwicklung erfolgt bei der Scheideanstalt über ein Gewichtskonto.

Lösung 25:

A erbringt eine Lieferung von Edelmetall an die Scheideanstalt. Für das vergütete Feingold wird die Scheideanstalt Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 i.V. mit Abs. 5 UStG.

Mit Schreiben vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161) nimmt das BMF zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Transaktionen auf Gewichtskonten Stellung.

Die umsatzsteuerrechtliche Einordnung einer Verfügung über einen Gewichtskontenbestand hängt von der Art der Leistung ab. Ausschlaggebend für die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung ist das Grundgeschäft. Nach Tz. I des BMF-Schreibens vom 17.1.2022 sind die Einräumung und Übertragung von Gewichtsguthaben an Edelmetallen für Umsatzsteuerzwecke wie folgt zu differenzieren:

  1. Gewichtskontenbewegungen ohne Grundgeschäft.

    Reine Umbuchungssachverhalte, d.h. Gewichtskontenbewegungen, denen keine Grundgeschäfte zugrunde liegen, sind umsatzsteuerrechtlich ohne Relevanz (s. dort Beispiel 1 und 2).

  2. Unterscheidung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung.

    1. Lieferungen.

      Eine Lieferung ist immer dann anzunehmen, wenn eine Konkretisierung von Übergabeort, Form, Stückelung und Reinheit des Metalls vorgenommen wurde bzw. schon bei Abschluss des Grundgeschäfts beabsichtigt ist, eine solche Konkretisierung noch vor der Übertragung vorzunehmen. Indizien hierfür sind, wenn der Belegenheitsort des gelagerten/physischen Metalls dem Gewichtskonteninhaber im Zeitpunkt des Erwerbs bekannt ist, zwischen den Beteiligten weitgehend feststeht, in welcher Form, Stückelung und Reinheit die Metalle abgerufen werden, ausreichende physische Vorräte am Erfüllungsort, um diese Gewichtskontenansprüche erfüllen zu können, gegeben sind und ein Herausgabeanspruch unter Berücksichtigung gegebener logistischer Anforderungen vereinbart wurde.

      Beispiel 26:

      Goldhändler G verkauft am 1.7.21 Goldbarren (Anlagegold) mit einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendstel nach § 25c Abs. 3 UStG stpfl. an den Kunden K. K entrichtet dafür ein Entgelt an G. Die Menge wird K auf seinem Goldkonto gutgeschrieben. K kann die Menge unter Berücksichtigung gegebener logistischer Anforderungen jederzeit abholen oder die Auslieferung vereinbaren.

      Lösung 26:

      S.a. das Beispiel 3 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161).

      Es liegt eine Lieferung von G an K vor. Unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 9 UStG kann das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommen.

      Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Lieferungen von Gold in der in § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG bezeichneten Art, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG; Abschn. 13b.6. Abs. 2 UStAE).

      Die Übertragung von Miteigentumsanteilen an einer Sache ist umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Lieferung zu beurteilen (vgl. BFH vom 18.2.2016, V R 53/14, BStBl II 2019, 333). Soweit ein Gewichtskonto bei Scheideanstalten einen Miteigentumsanteil an einem Edelmetall repräsentiert, wäre daher mit der Abbuchung von diesem Konto eine Eigentumsübertragung (an die Scheideanstalt oder einen Dritten) und damit eine Lieferung verbunden. § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG könnte zur Anwendung kommen.

      Abweichend von diesen Grundsätzen wird für die Abbuchung von einem Gewichtskonto bei Scheideanstalten, das einen Miteigentumsanteil an einem Edelmetall repräsentiert, davon ausgegangen, dass für die Annahme einer Lieferung i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG entscheidend ist, ob eine Konkretisierung des Metalls vorgenommen wurde bzw. bereits bei Abschluss des Grundgeschäfts beabsichtigt ist, eine solche Konkretisierung vor Übertragung noch vorzunehmen.

    2. Sonstige Leistung.

      Für den Fall, dass der Ort der physischen Übergabe, Form und Stückelung des Metalls sowie die Reinheit noch nicht feststehen, fehlt eine hinreichende Konkretisierung des herauszugebenden Metalls, sodass eine Verfügungsmacht über einen bestimmten physischen Bestand des Edelmetalls durch den Gewichtskonteninhaber nicht gegeben ist. In der Konsequenz besteht bei Metallbeständen auf Gewichtskonten der Zugriff in Abhängigkeit von den Vereinbarungen des Grundgeschäfts. So lange über Übergabeort, Form, Stückelung und Reinheit des Metalls noch keine Vorstellungen bestehen, kommt dem Gewichtskonteninhaber nur ein konkretisierungsbedürftiger Rechtsverwirklichungsanspruch zu. In diesen Fällen liegt ausnahmsweise keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung vor.

      Beispiel 27:

      Die Scheideanstalt S verkauft Goldbarren an den Unternehmer U. Zur Risikoabsicherung des Edelmetallpreises (= Hedging) kauft die Scheideanstalt S die gleiche Menge bei der Bank B als Gewichtskontoguthaben. Eine physische Lieferung von der Bank B an Scheideanstalt S ist weder gewollt noch vereinbart.

      Lösung 27:

      S.a. das Beispiel 4 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161).

      Mit dem Verkauf der Goldbarren an U tätigt die Scheideanstalt Lieferungen nach § 3 Abs. 1 UStG. Unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 9 UStG kann das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommen.

      Die Transaktion von Bank B an Scheideanstalt S ist als sonstige Leistung einzuordnen. Bei einer derartigen Gewichtskontentransaktion fehlt es an einer Konkretisierung im Hinblick auf Übergabeort, Form, Stückelung und Reinheit des Metalls. Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG. § 13b UStG findet keine Anwendung.

      Abwandlung:

      Die Bank B ist im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig.

      Lösung Abwandlung:

      Der Leistungsort ist nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Inland. S schuldet die Steuer nach § 13b Abs. 1 i.V.m. § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG.

4.10. Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen

4.10.1. Gegenstände i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG

4.10.1.1. Mobilfunkgeräte

Durch das 6. Verbrauchsteueränderungsgesetz vom 16.6.2011 (BGBl I 2011, 1090) wird die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 um eine Nr. 10 erweitert auf bestimmte Lieferungen von Handys und integrierte Schaltkreise. Nach Art. 7 des 6. VStÄndG tritt das Gesetz ab 1.7.2011 in Kraft und gilt für alle betroffenen Lieferungen, die nach dem 30.6.2011 ausgeführt werden (BT-Drs. 17/5127 und 17/5510 sowie BR-Drs. 55/11; LEXinform 0436083; s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Mobilfunkgeräte sind Geräte, die zum Gebrauch mittels eines zugelassenen Netzes und auf bestimmten Frequenzen hergestellt oder hergerichtet wurden unabhängig von etwaigen weiteren Nutzungsmöglichkeiten (Abschn. 13b.7. Abs. 1 UStAE). Hiervon werden insbesondere alle Geräte erfasst, mit denen Telekommunikationsleistungen in Form von Sprachübertragung über drahtlose Mobilfunk-Netzwerke in Anspruch genommen werden können. Die Lieferung von Geräten, die reine Daten übertragen, ohne diese in akustische Signale umzusetzen, fällt dagegen nicht unter die Regelung. Mobile Datenerfassungsgeräte, die z.B. von Kurierdiensten zum Scannen des Barcodes der Sendung und als Unterschriftenpad eingesetzt werden, enthalten in den neueren Generationen einen SIM-Kartenslot und bieten somit ebenso die Möglichkeit, Telefongespräche über drahtlose Mobilfunk-Netzwerke zu tätigen. Die Lieferung derartiger Geräte fällt daher unter § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG (Abschn. 13b.7. Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Folgende Gegenstände gehören nicht zu den Mobilfunkgeräten i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG (Abschn. 13b.7. Abs. 1 Satz 5 UStAE):

  1. Navigationsgeräte;

  2. Computer, soweit sie eine Sprachübertragung über drahtlose Mobilfunk-Netzwerke nicht ermöglichen (z.B. Tablet-PC bis zum 30.9.2014);

  3. MP3-Player;

  4. Spielekonsolen bis zum 30.9.2014;

  5. On-Board-Units.

Die Lieferung von Geräten, die ausschließlich reine Daten übertragen, ohne diese in akustische Signale umzusetzen, fällt dagegen nicht unter die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG (Abschn. 13b.7. Abs. 1 Satz 4 UStAE).

4.10.1.2. Ergänzung der Liste der Gegenstände durch das KroatienG ab 1.10.2014

Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wird mit Wirkung vom 1.10.2014 u.a. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG auf Lieferungen von Tablet-Computern und Spielekonsolen ergänzt. Mit Schreiben vom 26.9.2014 (BStBl I 2014, 1297) wird Abschn. 13b.7. UStAE an die neue Rechtslage angepasst (s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsleistungen«).

Ein Tablet-Computer (aus Unterposition 8471 30 00 des Zolltarifs) ist ein tragbarer, flacher Computer in besonders leichter Ausführung, der vollständig in einem Touchscreen-Gehäuse untergebracht ist und mit den Fingern oder einem Stift bedient werden kann (Abschn. 13b.7. Abs. 1a UStAE).

Spielekonsolen sind Computer oder computerähnliche Geräte, die in erster Linie für Videospiele entwickelt werden. Neben dem Spielen können sie weitere Funktionen bieten, z.B. Wiedergabe von Audio-CDs, Video-DVDs und Blu-ray Discs (Abschn. 13b.7. Abs. 1b UStAE).

Ein integrierter Schaltkreis ist eine auf einem einzelnen (Halbleiter-)Substrat (sog. Chip) untergebrachte elektronische Schaltung (elektronische Bauelemente mit Verdrahtung). Zu den integrierten Schaltkreisen zählen insbesondere Mikroprozessoren und CPUs (Central Processing Unit, Hauptprozessor einer elektronischen Rechenanlage). Die Lieferungen dieser Gegenstände fallen unter die Umsätze i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG, sofern sie (noch) nicht in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand (Endprodukt) eingebaut wurden. Ein Gegenstand ist für die Lieferung auf der Einzelhandelsstufe insbesondere dann geeignet, wenn er ohne weitere Be- oder Verarbeitung an einen Endverbraucher geliefert werden kann (Abschn. 13b.7. Abs. 2 UStAE).

Die Lieferungen folgender Gegenstände fallen beispielsweise nicht unter die in § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG genannten Umsätze (Abschn. 13b.7. Abs. 2 Satz 7 UStAE):

  1. Antennen;

  2. elektrotechnische Filter;

  3. Induktivitäten (passive elektrische oder elektronische Bauelemente mit festem oder einstellbarem Induktivitätswert);

  4. Kondensatoren;

  5. Sensoren (Fühler).

Mit Vfg. der Finanzbehörde Hamburg vom 1.12.2021 (S 7279 – 2021/005 – 51, SIS 21 21 81) hat sich die Finanzverwaltung zur Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG auf die verschiedenen Formen von Smartwatches und Convertibles geäußert. Im Ergebnis muss zwischen den Funktionen und technischen Eigenschaften der Geräte unterschieden werden.

  1. Smartwatches:

  2. Fitnessarmbänder:

    Fitnessarmbänder sind keine Smartwatches und fallen nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG, da dort in der Regel keine Funktion zur Sprach- oder Datenübertragung integriert ist.

  3. Smartwaches mit LTE-Modul o.Ä. (SIM-Slot; eSim):

    Diese Smartwatches lassen sich zur Sprach- und Datenübertragung nutzen, auch unabhängig von einem gekoppelten Smartphone. Folglich sind sie von § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG erfasst (vgl. Abschn. 13b.7. Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE).

  4. Smartwatches ohne LTE-Modul o.Ä.:

    Smartwatches ohne LTE-Modul werden ausschließlich über Bluetooth mit dem Smartphone verbunden und können allein nicht zum Telefonieren über ein Mobilfunknetz genutzt werden. Die Möglichkeit der Nutzung sowie der Datenübertragung über ein WLAN eröffnet keine Subsumtion unter »Mobilfunkgeräte« i.S.d. Abschn. 13b.7. Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE. Diese Geräte stellen reine Eingabegeräte dar und sind kein Fall des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG.

  5. Convertibles

  6. Klassische Notebooks:

    Klassische Notebooks zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht über einen Touchscreen verfügen, eine vollständige Tastatur besitzen und die Komponenten nicht unter dem Bildschirm, sondern unter der Tastatur untergebracht sind. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG findet grds. keine Anwendung (vgl. Abschn. 13b.7. Abs. 1a UStAE).

  7. Convertibles:

    Convertibles sind eine Mischung aus Tablet und Notebook. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Touchscreen besitzen und damit wie ein Tablet über den Screen bedient werden können. Zusätzlich bieten diese Geräte eine fest angebrachte oder abnehmbare Tastatur.

    Hier ist zu unterscheiden:

    1. Convertibles mit fest angebrachter Tastatur:

      Geräte mit fest angebrachter Tastatur sind in aller Regel Notebooks mit der Zusatzfunktion des Touchscreens. Die Komponenten, die diesen Computer ausmachen (Mainboard, CPU, GPU etc.), sind regelmäßig nicht unter dem Screen, sondern unter der Tastatur verbaut. Damit entsprechen diese Geräte nicht der Definition aus Abschn. 13b.7. Abs. 1a UStAE, da der Computer nicht vollständig in einem Touchscreen-Gehäuse untergebracht ist. Sie gelten damit nicht als Tablet-Computer i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG i.V.m. Abschn. 13b.7. Abs. 1a UStAE.

    2. Convertibles mit abnehmbarer/optionaler Tastatur:

      Diese Geräte sind Tablets, an denen eine Tastatur angeschlossen werden kann. Die Komponenten, die diesen Computer ausmachen (Mainboard, CPU, GPU etc.), müssen zwingend unter dem Touchscreen verbaut sein, da andernfalls beim Abnehmen der Tastatur keine Funktionalität gegeben wäre. Diese Geräte sind Tablets i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG i.V.m. Abschn. 13b.7. Abs. 1a UStAE, denen optional eine Tastatur hinzugefügt werden kann.

  8. Ausnahmen:

    Sowohl klassische Notebooks als auch Convertibles mit fest angebrachter Tastatur lassen sich optional mit einem LTE-Modul bzw. einem SIM-Karten-Slot ausstatten. Mit dieser Besonderheit fallen die Geräte (wie auch Smartwatches mit LTE-Modul) unter Abschn. 13b.7. Abs. 1 UStAE (Mobilfunkgeräte) und sind von § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG erfasst.

4.10.2. Bagatellgrenze

Bei Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen an einen Unternehmer schuldet nicht der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger die Steuer. Steuerschuld und Vorsteuerabzug fallen somit beim Leistungsempfänger zusammen. Voraussetzung ist, dass die Summe der für die steuerpflichtigen Lieferungen dieser Gegenstände in Rechnung zu stellenden Bemessungsgrundlagen mindestens 5 000 € beträgt. Abzustellen ist dabei auf alle im Rahmen eines zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgangs gelieferten Gegenstände der genannten Art, um Manipulationen z.B. durch Aufspalten der Rechnungsbeträge, zu unterbinden. Dies entspricht dem Regelungszweck der Betragsgrenze und ist von der europarechtlichen Ermächtigung gedeckt (Abschn. 13b.7. Abs. 3 UStAE).

Beispiel 28:

Der in Stuttgart ansässige Großhändler G bestellt am 1.7.01 bei dem in München ansässigen Handyhersteller H 900 Mobilfunkgeräte zu einem Preis von insgesamt 45 000 €. Vereinbarungsgemäß liefert H die Mobilfunkgeräte in zehn Tranchen mit je 90 Stück zu je 4 500 € an G aus.

Lösung 28:

S. das Beispiel zu Abschn. 13b.7. Abs. 3 Satz 4 UStAE.

Die zehn Tranchen Mobilfunkgeräte stellen einen zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgang dar, denn die Lieferung der Geräte erfolgte auf der Grundlage einer Bestellung über die Gesamtmenge von 900 Stück. G schuldet daher als Leistungsempfänger die USt für diese zusammenhängenden Lieferungen (§ 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 10 UStG).

Bei der Anwendung des Satzes 1 bleiben nachträgliche Entgeltminderungen für die Beurteilung der Betragsgrenze von 5 000 € unberücksichtigt; dies gilt auch für nachträgliche Teilrückabwicklungen.

In den Fällen der Zahlung von Entgelten oder Teilentgelten (Anzahlungen) für Lieferungen oder Teillieferungen, bevor die Lieferungen oder Teillieferungen ausgeführt worden sind (vgl. § 13b Abs. 4 UStG), entsteht die Steuer hierfür in dem Voranmeldungszeitraum, in dem das Entgelt oder Teilentgelt vereinnahmt wird. Bei der Anwendung dieser Regelung ist auf den Betrag der – gesamten – Endrechnung und nicht auf den Betrag in einer – etwaigen – Anzahlungsrechnung abzustellen (Abschn. 13b.12. Abs. 3 Satz 3 UStAE).

Um eine einfache und sichere Handhabung der Regelung für die betroffenen Unternehmer zu ermöglichen, bleiben nachträgliche Entgeltminderungen für die Beurteilung der Betragsgrenze von 5 000 € unberücksichtigt.

Ziel dieser Erweiterung ist, Umsatzsteuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten, dass bei diesen Leistungen nicht sichergestellt werden kann, dass diese von den leistenden Unternehmern vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden, bzw. der Fiskus den Steueranspruch beim liefernden Unternehmer realisieren kann. So haben Feststellungen insbesondere der obersten Finanzbehörden der Länder gezeigt, dass auch bei Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen ab einer Größenordnung von 5 000 € vielfach die Steuer dem Abnehmer in Rechnung gestellt wird, dieser die in Rechnung gestellte Steuer als Vorsteuer abzieht, der liefernde Unternehmer aber die in Rechnung gestellte Steuer nicht an das FA abführt. Die Finanzämter konnten – in den meisten Fällen wegen Zahlungsunfähigkeit des leistenden Unternehmers – den Umsatzsteueranspruch nicht mehr durchsetzen. Dies wird bei einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vermieden.

Die Regelung beruht auf Art. 1 des Durchführungsbeschlusses 2010/710/EU des Rates vom 22.11.2010 (ABl EU 2010 Nr. L 309 vom 25.11.2010, 5).

4.10.3. Leistungsempfänger als Steuerschuldner

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG; Abschn. 13b.7. Abs. 4 UStAE).

Werden Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, deren Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 € beträgt, an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, sind die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich. Dabei gelten u.a. die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 10 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG stets als erfüllt (Abschn. 13b.7. Abs. 5 i.V.m. Abschn. 13b.1. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803).

4.11. Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG)

4.11.1. Erweiterung des § 13b Abs. 2 UStG durch das KroatienG

Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wird mit Wirkung vom 1.10.2014 u.a. der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets erweitert (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG; s.a. Abschn. 13b.1. Abs. 2 Nr. 13 UStAE; s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

4.11.2. Neufassung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 i.V.m. Anlage 4 zum UStG durch das ZollkodexAnpG

4.11.2.1. Die Änderungen im Überblick

Durch Art. 11 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417) wurden § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG und die Anlage 4 des UStG zum 1.1.2015 neu gefasst. Der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Metalllieferungen wurde dabei eingeschränkt. So sind Selen und Gold sowie Draht, Stangen, Bänder, Folien, Bleche und andere flachgewalzte Erzeugnisse und Profile aus unedlen Metallen nicht mehr in der Anlage 4 des UStG enthalten. Außerdem wurde entsprechend der bereits bestehenden Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers u.a. für die Lieferung von Mobilfunkgeräten auch bei Lieferungen von in der Anlage 4 genannten Metallen die Betragsgrenze von 5 000 € eingeführt (BMF vom 22.1.2015, BStBl I 2015, 123 sowie vom 13.3.2015, BStBl I 2015, 234; s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Diese Änderungen haben zur Folge, dass bei nach dem 31.12.2014 ausgeführten Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen und Cermets der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 11 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG ist, wenn er Gegenstände i.S.d. Anlage 4 des UStG in der Fassung von Artikel 11 Nr. 2 des Zollkodex-Anpassungsgesetzes erwirbt und die Summe der für die steuerpflichtigen Lieferungen dieser Gegenstände in Rechnung zu stellenden Bemessungsgrundlagen im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 € beträgt. Werden nach dem 31.12.2014 Gegenstände geliefert, die mit Wirkung vom 1.1.2015 nicht mehr in der Anlage 4 des UStG enthalten sind (z.B. Selen sowie Draht, Stangen, Bänder, Folien, Bleche und andere flachgewalzte Erzeugnisse und Profile aus unedlen Metallen) oder deren Summe der Bemessungsgrundlagen im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs weniger als 5 000 € beträgt, ist der leistende Unternehmer Steuerschuldner (s.a. Abschn. 13b.7a. Abs. 2 UStAE).

Durch das BMF-Schreiben vom 13.3.2015 (BStBl I 2015, 234) wird der UStAE – insbes. Abschn. 13b.7a. UStAE – an die neue Anlage 4 des UStG angepasst.

Die Anlage 4 (zu § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG) i.d.F. ab 1.1.2015 enthält folgende Gegenstände:

Lfd. Nr.

Warenbezeichnung

Zolltarif (Kapitel, Position,

Unterposition), Erläuterungen

im UStAE

1

Silber, in Rohform oder als Halbzeug oder Pulver; Silberplattierungen auf unedlen Metallen, in Rohform oder als Halbzeug.

Positionen 7106 und 7107;

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStAE

2

Platin, in Rohform oder als Halbzeug oder Pulver; Platinplattierungen auf unedlen Metallen, auf Silber oder auf Gold, in Rohform oder als Halbzeug.

Nicht hierzu gehören gegossene, gesinterte, getriebene, gestanzte usw. Stücke in Form von Rohlingen für Schmuckwaren usw. (z.B. Fassungen, Rohlinge von Ringen, Blumen, Tiere, andere Figuren) sowie Abfälle und Schrott aus Platin (vgl. hierzu Abschn. 13b.4. Abs. 1

Satz 1 Nr. 7 UStAE).

Position 7110 und Unterposition 7111 00 00;

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStAE

Nr. 3 der Anlage 4 zu § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2.11.2015 (BGBl I 2015, 1834) lautet:

3

Roheisen oder Spiegeleisen, in Masseln, Blöcken oder anderen Rohformen; Körner und Pulver aus Roheisen, Spiegeleisen, Eisen oder Stahl; Rohblöcke und andere Rohformen aus Eisen oder Stahl; Halbzeug aus Eisen oder Stahl.

Positionen 7201, 7205 bis 7207, 7218 und 7224.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStAE

4

Nicht raffiniertes Kupfer und Kupferanoden zum elektrolytischen Raffinieren; raffiniertes Kupfer und Kupferlegierungen, in Rohform; Kupfervorlegierungen; Pulver und Flitter aus Kupfer.

Position 7402, 7403, 7405 und 7406.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStAE

5

Nickelmatte, Nickeloxidsinter und andere Zwischenerzeugnisse der Nickelmetallurgie; Nickel in Rohform; Pulver und Flitter aus Nickel

Positionen 7501, 7502 und 7504.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 5

UStAE

6

Aluminium in Rohform; Pulver und Flitter, aus Aluminium.

Positionen 7601, 7603.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UStAE

7

Blei in Rohform; Pulver und Flitter, aus Blei

Positionen 7801; aus Position 7804.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 UStAE

8

Zink in Rohform; Staub, Pulver und Flitter, aus Zink.

Positionen 7901 und 7903.

Abschn. 13b.7a Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 UStAE

9

Zinn in Rohform.

Position 8001.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 UStAE

10

Andere unedle Metalle in Rohform oder als Pulver.

aus Positionen 8101 bis 8112.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 UStAE

11

Cermets in Rohform.

(Cermets: Erzeugnisse aus einem keramischen und einem metallischen Bestandteil.)

Unterposition 8113 00 20.

Abschn. 13b.7a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 UStAE

4.11.2.2. Bagatellgrenze

Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen und Cermets fallen nur unter die Regelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und die Summe der für die steuerpflichtigen Lieferungen dieser Gegenstände in Rechnung zu stellenden Bemessungsgrundlagen im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 € beträgt. Abschn. 13b.7. Abs. 3 UStAE gilt sinngemäß (Abschn. 13b.7a. Abs. 2 UStAE). Weitere Erläuterungen s.o. unter dem Gliederungspunkt »Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen«.

4.11.3. Übergang der Steuerschuldnerschaft

Wie in allen anderen Fällen des § 13b Abs. 1 und 2 UStG geht auch in den Fällen des § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger über, wenn er Unternehmer ist und er die Leistung sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische Zwecke bezogen hat (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Ausgenommen hiervon sind Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen und Cermets, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG und Abschn. 13b.7a. Abs. 3 UStAE).

Werden Lieferungen der in der Anlage 4 des UStG bezeichneten Gegenstände an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, sind die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich. Dabei gelten u.a. die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 11 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG stets als erfüllt (Abschn. 13b.7a. Abs. 4 i.V.m. Abschn. 13b.1. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803).

4.12. Telekommunikationsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG)

4.12.1. Anwendungsgrundsätze

Durch Art. 12 Nr. 4 i.V.m. Art. 50 Abs. 4 des JStG 2020 wurden zum 1.1.2021 § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG eingefügt und § 13b Abs. 5 UStG geändert. Die bestehende Vorschrift zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG wurde auf sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation ausgeweitet. Die Änderung hat zur Folge, dass bei nach dem 31.12.2020 ausgeführten sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation an sog. Wiederverkäufer der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 12 i.V.m. Abs. 5 Satz 6 UStG ist (s.a. Abschn. 13b.1. Abs. 2 Satz 1 Nr. 14 UStAE).

Hinweis zur Übergangsregelung:

Bei Leistungen, die nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.4.2021 ausgeführt werden, ist es beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger nicht zu beanstanden, wenn die Vertragspartner einvernehmlich noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgegangen sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wird (BMF vom 23.12.2020, BStBl I 2021, 92 unter II.2.; (s.u. den Gliederungspunkt »Übergangsregelungen«).

Zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Telekommunikationsleistungen wird durch das BMF-Schreiben vom 23.12.2020 (BStBl I 2021, 92) Abschn. 13b.7b. UStAE neu eingefügt.

4.12.2. Begriff der Telekommunikationsleistungen

Zum Begriff der sonstigen Leistung auf dem Gebiet der Telekommunikation i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 12 Satz 1 UStG s. Abschn. 3a.10. UStAE sowie → Telekommunikationsleistungen (Abschn. 13b.7b. Abs. 1 UStAE).

4.12.3. Anwendungsgrundsätze im Allgemeinen

Bei den sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er

  • ein Unternehmer ist,

  • dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht (Wiederverkäufer) und

  • dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist

(§ 13b Abs. 5 Satz 6 erster Halbsatz UStG; Abschn. 13b.7b. Abs. 2 Satz 1 UStAE, sog. Wiederverkäufer).

4.12.4. Anwendungsgrundsätze im Einzelnen

4.12.4.1. Wiederverkäufer als Haupttätigkeit

Die Haupttätigkeit des Unternehmers in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen besteht dann in deren Erbringung, wenn der Unternehmer mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Leistungen weiterveräußert (Abschn. 13b.7b. Abs. 2 Satz 2 UStAE).

4.12.4.2. Untergeordneter eigener Verbrauch

Der eigene Verbrauch dieser Leistungen ist von untergeordneter Bedeutung, wenn nicht mehr als 5 % der erworbenen Leistungen zu eigenen (unternehmerischen sowie nichtunternehmerischen) Zwecken verwendet wird.

Beachte:

Verwendet der Unternehmer zwar mehr als 5 %, jedoch nicht mehr als 10 % der erworbenen Leistungen zu eigenen Zwecken, ist weiterhin von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen, wenn die im Mittel der vorangegangenen drei Jahre zu eigenen Zwecken verbrauchten Leistungen 5 % der in diesem Zeitraum erworbenen Leistungen nicht überschritten haben (Abschn. 13b.7b. Abs. 2 Satz 5 UStAE).

Wichtig:

Maßgeblich sind die Verhältnisse im vorangegangenen Kj.; nimmt der Unternehmer seine Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, ist er auch schon vor der erstmaligen Erbringung von Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation als Wiederverkäufer anzusehen, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur Erbringung von Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation begonnen hat und mit diesen Leistungen voraussichtlich die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen wird (Abschn. 13b.7b. Abs. 2 Satz 3 und 4 UStAE).

4.12.4.3. Bereitstellung von Internet- und/oder TV-Anschluss

Die Bereitstellung von Internet- und/oder TV-Anschluss an einen Unternehmer stellt eine sonstige Leistung auf dem Gebiet der Telekommunikation dar. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 UStG. Der Leistungsempfänger ist gem. § 13b Abs. 2 Nr. 12 i.V.m. Abs. 5 Satz 6 UStG Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Dienstleistung in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Wiederverkäufer).

Der Begriff des Wiederverkäufers ist grundsätzlich eng auszulegen. Wohnungseigentümergemeinschaften und Vermieter, die Telekommunikationsdienstleistungen an die einzelnen Wohnungseigentümer bzw. Mieter weitergeben, werden jedoch regelmäßig nicht von dem Begriff des Wiederverkäufers umfasst (BMF vom 2.5.2022, BStBl I 2022, 736; s.u.).

Mit BMF-Schreiben vom 2.5.2022 (BStBl I 2022, 736) werden in Abschn. 13b.7b. UStAE die Abs. 7 und 8 angefügt. Durch das BMF-Schreiben vom 22.5.2023 (BStBl I 2023, 803) werden die Abs. 7 und 8 zu den neuen Abs. 8 und 9 des Abschn. 13b.7b. UStAE. Gleichzeitig wird in Abschn. 13b.7b. UStAE Abs. 7 neu eingefügt.

Werden sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder erbracht, sind die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich. Die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 12 i.V.m. Abs. 5 Satz 6 UStG gelten stets als nicht gegeben (Abschn. 13b.7b. Abs. 7 i.V.m. Abschn. 13b.1. Abs. 3 Satz 1 und 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 22.5.2023, BStBl I 2023, 803).

Nach Abschn. 13b.7b. Abs. 8 UStAE sind Wohnungseigentümergemeinschaften für Telekommunikationsdienstleistungen als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, wenn diese Leistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an die einzelnen Wohnungseigentümer weitergegeben werden. Dies gilt auch, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft derartige Umsätze nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt.

Nach Abschn. 13b.7b. Abs. 9 UStAE sind Vermieter für Telekommunikationsdienstleistungen als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, wenn diese Leistungen als nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreie Nebenleistungen der Vermieter an die einzelnen Mieter weitergegeben werden (s.a. Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 2.5.2022). Dies gilt auch, wenn der Vermieter derartige Umsätze nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt.

Hinweis zur Übergangsregelung:

Bei Leistungen, die vor dem 1.7.2022 ausgeführt werden, wird es nicht beanstandet, wenn die Beteiligten übereinstimmend die Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG angewendet haben (BMF vom 2.5.2022, BStBl I 2022, 736 unter II.).

4.12.4.4. Selbst erzeugte Telekommunikationsleistungen

Im Unternehmen selbst erzeugte Leistungen bleiben bei der Beurteilung unberücksichtigt. Ob die selbst erzeugten Leistungen veräußert oder zum eigenen Verbrauch im Unternehmen verwendet werden, ist daher unbeachtlich. Ebenso sind die veräußerten Leistungen, die selbst erzeugt wurden, hinsichtlich der Beurteilung der Wiederverkäufereigenschaft aus der Gesamtheit der veräußerten Leistungen auszuscheiden; auch beeinflussen sie die einzuhaltenden Grenzwerte

  • Weiterveräußerung von mehr als der Hälfte der erworbenen Leistungen sowie

  • eigener Verbrauch von nicht mehr als 5 % der erworbenen Leistungen

nicht (Abschn. 13b.7b. Abs. 2 Satz 6 und 7 UStAE).

4.12.4.5. Vordruck USt 1 TQ

Es ist davon auszugehen, dass ein Unternehmer Wiederverkäufer ist, wenn ihm das nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständige FA auf Antrag oder von Amts wegen eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TQ erteilt hat; hinsichtlich dieses Musters wird auf das BMF-Schreiben vom 23.12.2020 (BStBl I 2021, 92) verwiesen. Die Gültigkeitsdauer der Bescheinigung ist auf längstens drei Jahre zu beschränken; sie kann nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden. Verwendet der Leistungsempfänger einen Nachweis nach dem Vordruckmuster USt 1 TQ – im Original oder in Kopie –, ist er Steuerschuldner, auch wenn er im Zeitpunkt der Leistung tatsächlich kein Wiederverkäufer ist; dies gilt nicht, wenn der Leistungsempfänger einen gefälschten Nachweis nach dem Vordruckmuster USt 1 TQ verwendet hat und der leistende Unternehmer hiervon Kenntnis hatte (Abschn. 13b.7b. Abs. 3 UStAE).

Hat das FA dem Unternehmer eine Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TQ ausgestellt, ist er auch dann als Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er diesen Nachweis gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht – im Original oder in Kopie – verwendet (Abschn. 13b.7b. Abs. 4 Satz 1 UStAE).

Wurde die Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen und ist der Leistungsempfänger kein Wiederverkäufer, schuldet der leistende Unternehmer dann die Steuer, wenn er hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben können. Hatte der leistende Unternehmer in diesen Fällen keine Kenntnis oder hat er keine Kenntnis haben können, wird es beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger nicht beanstandet, wenn beide einvernehmlich von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgehen und durch diese Handhabung keine Steuerausfälle entstehen; dies gilt dann als erfüllt, wenn der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wird (Abschn. 13b.7b. Abs. 4 Satz 2 und 3 UStAE).

4.12.4.6. Wiederverkäufereigenschaft im Organkreis

Erfüllt bei einem Organschaftsverhältnis nur ein Teil des Organkreises (z.B. der Organträger oder eine Organgesellschaft) die Voraussetzung als Wiederverkäufer, ist für Zwecke der Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 12 und Abs. 5 Satz 6 UStG nur dieser Teil des Organkreises als Wiederverkäufer anzusehen; nicht steuerbare Innenumsätze sind bei der Ermittlung der Wiederverkäufereigenschaft unbeachtlich. Die o.g. Voraussetzungen sind insoweit nur auf den jeweiligen Unternehmensteil anzuwenden (Abschn. 13b.7b. Abs. 5 UStAE; s.a. Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE unter dem Gliederungspunkt »Bauleistungen an einen Organkreis«).

4.12.4.7. Besonderheiten beim Übergang der Steuerschuldnerschaft

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 6 erster Halbsatz UStG, ist der Leistungsempfänger auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG; Abschn. 13b.7b. Abs. 6 Satz 1 UStAE). Ausgenommen hiervon sind die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art als Wiederverkäufer von sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation unternehmerisch tätig sind (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 11 UStG).

4.12.5. Übergangsregelungen

Die Regelungen des § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 ausgeführt werden. Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 1.1.2021 auf sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation vgl. Teil II des BMF-Schreibens vom 23.12.2020 (BStBl I 2021, 92; Abschn. 13b.18. Satz 12 UStAE).

5. Keine Anwendung bei Umsätzen i.S.d. § 13b Abs. 6 UStG

§ 13b Abs. 1 bis 5 UStG finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht:

  1. in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 UStG) unterlegen hat (Abschn. 13b.10. Abs. 1 Satz 1 UStAE),

  2. in einer Personenbeförderung, die mit Fahrzeug i.S.d. § 1b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG durchgeführt worden ist.

    Personenbeförderungen mit einem vorgenannten Fahrzeug (insbes. Taxi und Kraftomnibus), die von einem im Ausland ansässigen Unternehmer im Inland durchgeführt werden, unterliegen damit nicht der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Abschn. 13b.10. Abs. 1 UStAE), oder

  3. in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr (Abschn. 13b.10. Abs. 1 UStAE),

  4. in der Einräumung der Eintrittsberechtigungen für Messen, Ausstellungen und Kongressen im Inland (Abschn. 13b.10. Abs. 2 UStAE),

  5. in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistungen im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland stehen (Abschn. 13b.10. Abs. 3 UStAE) oder

  6. in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt (Abschn. 13b.10. Abs. 4 UStAE).

Seit 1.1.2010 befindet sich der Leistungsort bei der Abgabe von Speisen und Getränken an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG am Ort der tatsächlichen Leistungserbringung, bei Abgabe während einer Beförderung im Gemeinschaftsgebiet mit einem inländischen Abgangsort in Deutschland (§ 3e UStG; Abschn. 3a.6. Abs. 8 und 9 und Abschn. 3e.1 UStAE; → Ort der sonstigen LeistungRestaurationsumsätze). Ist der leistende Unternehmer im Ausland ansässig und erfolgt die Leistung an einen Unternehmer oder an eine juristische Person, sind diese als Leistungsempfänger Steuerschuldner. Dies gilt auch, wenn die Leistung an den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird. Dieses Ergebnis ist für die Betroffenen (leistende Unternehmer und Leistungsempfänger) nicht handhabbar und nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder für die Finanzverwaltung nicht administrierbar. Deshalb werden diese Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers herausgenommen. Steuerschuldner wird der leistende Unternehmer (BT-Drs. 17/2249, 77).

Zu den Ausnahmen des § 13b Abs. 6 Nr. 1 bis 6 UStG s. die ausführlichen Verwaltungsanweisungen in Abschn. 13b.10. UStAE.

6. Entstehung der Steuer

6.1. Entstehung nach § 13b Abs. 1 UStG

Für nach § 3a Abs. 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13b Abs. 1 UStG; Abschn. 13b.12. Abs. 1 Nr. 1 UStAE).

Bei Leistungen, bei denen

  • sich ab 1.1.2010 der Leistungsort nach dem Sitz oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers richtet, wenn die Leistungen tatsächlich an diese ausgeführt werden,

  • der Leistungsempfänger Unternehmer oder eine juristische Person ist, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist, und

  • der Leistungsempfänger die Steuer für diese Leistungen im EU-Mitgliedstaat schuldet, in dem er ansässig ist,

muss der leistende Unternehmer diese Umsätze in einer Zusammenfassenden Meldung (§ 18a Abs. 2 UStG) in dem jeweiligen Meldezeitraum anmelden.

Um das Ziel einer effektiveren Kontrolle des innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehrs zu erreichen, bedarf es eines einheitlichen Entstehungszeitpunkts der USt für diese Umsätze. Dieser Zeitpunkt ist EU-einheitlich ab 1.1.2010 der Zeitpunkt, an dem die jeweilige Leistung ausgeführt wird.

Die Regelung setzt Art. 66 Unterabs. 2 MwStSystRL in der Fassung der Richtlinie 2008/117/EG über das gemeinsame MwSt-System zum Zweck der Bekämpfung des Steuerbetrugs bei innergemeinschaftlichen Umsätzen vom 16.12.2008 (ABl L 14 vom 20.1.2009, 7) um.

6.2. Entstehung nach § 13b Abs. 2 UStG

Nach § 13b Abs. 2 UStG entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats (Abschn. 13b.12. Abs. 1 Nr. 2 UStAE). Nach § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG gelten die Regelungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Aus Vereinfachungsgründen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsempfänger die Anmeldung der Steuer auf das Entgelt oder Teilentgelt bereits in dem Voranmeldungszeitraum anmeldet, in dem die Beträge von ihm verausgabt werden (Abschn. 13b.12. Abs. 1 bis 3 UStAE).

Beispiel 29:

Der in Belgien ansässige Unternehmer B führt am 18.3.17 in Köln eine Werklieferung (Errichtung und Aufbau eines Messestandes) an seinen deutschen Abnehmer D aus. Die Rechnung über diesen inländischen steuerpflichtigen Umsatz, für den D als Leistungsempfänger die Steuer schuldet, erstellt B am 15.4.17. Sie geht D am 17.4.17 zu. D hat monatliche USt-Voranmeldungen abzugeben.

Lösung 29:

Die Steuer entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist, das ist mit Ablauf des Monats April 17. D hat den Umsatz in seiner USt-Voranmeldung April 17 anzumelden. Dies würde auch dann gelten, wenn die Rechnung erst im Mai 17 erstellt oder erst in diesem Monat bei D angekommen wäre.

6.3. Entstehung nach § 13b Abs. 3 UStG

Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften – EU-Vorgabenumsetzungsgesetz – vom 8.4.2010 (BGBl I 2010, 386) wurde u.a. in § 13b Abs. 3 UStG die Steuerentstehung für Dauerleistungen neu geregelt.

Nach geltendem Recht werden Dauerleistungen grundsätzlich erst dann besteuert, wenn die Leistung insgesamt erbracht wird. Soweit eine Abrechnung nach festen Zeiträumen (z.B. monatlich, vierteljährlich, jährlich, Ablauf von fünf Jahren) festgelegt ist, erfolgt die Besteuerung mit Ablauf dieses Zeitraums. Um eine Umsatzbesteuerung aber auch in derartigen Fällen sicherzustellen, sieht § 13b Abs. 3 UStG ab 1.7.2010 abweichend von § 13b Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, dass bei Dauerleistungen zumindest eine jährliche Besteuerung zu erfolgen hat, wenn der Leistungsempfänger für diesen Umsatz Steuerschuldner ist (Abschn. 13b.12. Abs. 2 UStAE).

7. Voranmeldungszeitraum

Nach dem BMF-Schreiben vom 14.3.2005 (DStR 2005, 602) ist es Unternehmern nicht erlaubt, weiterhin ihre USt-Voranmeldungen monatlich abzugeben, wenn sich unter Einbeziehung der Umsätze, für die der Leistungsempfänger die USt nach § 13b Abs. 5 Satz 1 und 2 UStG schuldet, eine USt-Zahllast von mehr als 7 500 € für das vorangegangene Kj. ergeben würde (s.a. Abschn. 18.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE und OFD Frankfurt vom 18.7.2005, S 7346 A – 75 – St I 1.30, UR 2005, 706, LEXinform 0579501).

8. Rechnungserteilung

Führt der Unternehmer Umsätze i.S.d. § 13b Abs. 1 und 2 UStG aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG), in der die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG). Neben den übrigen Angaben nach § 14 UStG muss in den Rechnungen die Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« enthalten sein (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG). Für den Fall, dass in der Rechnung diese Angabe fehlt, wird der Leistungsempfänger von der Steuerschuldnerschaft nicht entbunden. Im Fall des gesonderten Steuerausweises durch den leistenden Unternehmer wird die Steuer von diesem nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.

Der Unternehmer und der Leistungsempfänger haben ein Doppel der Rechnung zehn Jahre lang aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kj., in dem die Rechnung ausgestellt worden ist (§ 14b Abs. 1 UStG; Abschn. 13b.14. Abs. 1 und 2 UStAE).

9. Bemessungsgrundlage und Berechnung der Steuer

In den Fällen, in denen der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, ist Bemessungsgrundlage der in der Rechnung oder Gutschrift ausgewiesene Betrag (Betrag ohne USt); zur Bemessungsgrundlage für steuerpflichtige Umsätze, die unter das GrEStG fallen, vgl. die Ausführungen unter → Grunderwerbsteuer. Die USt ist von diesem Betrag vom Leistungsempfänger zu berechnen. Der Leistungsempfänger hat bei der Steuerberechnung den Steuersatz zugrunde zu legen, der sich für den maßgeblichen Umsatz nach § 12 UStG ergibt. Das gilt auch in den Fällen, in denen der Leistungsempfänger die Besteuerung nach § 19 Abs. 1 oder § 24 Abs. 1 UStG anwendet (§ 13b Abs. 8 UStG). Ändert sich die Bemessungsgrundlage, gilt § 17 Abs. 1 UStG in den Fällen des § 13b UStG sinngemäß (Abschn. 13b.13. Abs. 1 bis 4 UStAE).

Hinweis:

Bei Anwendung von § 13b UStG sind zivilrechtlich vereinbarte Gegenleistung und umsatzsteuerrechtliches Entgelt aufgrund der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers identisch (Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch § 156, Rz. 4). Anders als in den Fällen, in denen der Leistende die USt schuldet, kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass im Zweifel die zivilrechtliche Preisvereinbarung die USt enthält (s.a. Henseler in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, § 13b Tz. 2.15, Rz. 126, 5.A.).

Beispiel 30:

Bauunternehmer A stellt eine Rechnung über eine zu 19 % steuerpflichtige Bauleistung an einen anderen »Bauleister B« zur Ausführung von Bauleistungen i.H.v. 100 000 € zzgl. 19 000 € USt aus. B tätigt nachhaltig Bauleistungen (Nachweis durch Vordruck USt 1 TG).

Lösung 30:

Da die Vorschriften über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung keine Anwendung finden (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG), schuldet der leistende Unternehmer die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Maßgeblich für die Entstehung der USt ist die zivilrechtliche Vereinbarung der Parteien. Sind die Parteien zivilrechtlich von einer Gegenleistung von 119 000 € ausgegangen und hat der Leistende diese 119 000 € aber fehlerhaft abgerechnet, so schuldet der Leistungsempfänger trotzdem den Gesamtbetrag von 119 000 €. Der vom Leistungsempfänger geschuldete Betrag bildet die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der USt. Bei einer Bemessungsgrundlage von 119 000 € entsteht eine USt von 22 610 €.

Sind die Parteien zivilrechtlich von einer Gegenleistung von 100 000 € ausgegangen und hat der Leistende diese 100 000 € abgerechnet, indem er fälschlicherweise USt gesondert in der Rechnung ausgewiesen hat, so schuldet der Leistungsempfänger zivilrechtlich lediglich den Betrag von 100 000 €. Wenn der Leistungsempfänger auch lediglich den zivilrechtlich geschuldeten Betrag zahlt, bildet dieser Betrag von 100 000 € auch die Bemessungsgrundlage für die USt und es entsteht eine USt i.H.v. 19 000 €.

Die nach § 13b UStG geschuldete USt ist unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2–4 UStG als Vorsteuer abziehbar. Ein Vorsteuerabzug ist aus der Rechnung für den Leistungsempfänger gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht möglich, weil der leistende Unternehmer für die Bauleistung keine USt schuldet (s.a. Lippross/Janzen, Basiskommentar zu UStG, § 13b, Tz. B.VII, LEXinform 0178362 sowie EuGH Urteil vom 6.2.2014, C–424/12, LEXinform 0589442).

Im Urteilsfall des EuGH-Urteils vom 6.2.2014 wurde durch den Bauunternehmer M an den Unternehmer F eine dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegende Bauleistung ausgeführt. M erstellt eine Rechnung über 150 000 € und wies darin zusätzlich 28 500 € USt gesondert aus. Der Vermerk »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« war nicht angebracht. F hatte keine Maßnahmen ergriffen, um diesem Mangel abzuhelfen. F hatte außerdem fälschlicherweise die in dieser Rechnung zu Unrecht ausgewiesene USt an M gezahlt, obwohl F diese in Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens als Empfänger der Leistung an das FA hätte abführen müssen. Daher ist – neben der Tatsache, dass die betreffende Rechnung den Formvorschriften des nationalen Rechts in § 14a Abs. 5 UStG nicht genügt – eine materielle Voraussetzung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht erfüllt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung besteht das Recht auf Vorsteuerabzug nur für diejenigen Steuern, die geschuldet werden – d.h. mit einem der Mehrwertsteuer unterworfenen Umsatz in Zusammenhang stehen – oder die entrichtet worden sind, soweit sie geschuldet wurden. Da die von F an M gezahlte USt nicht geschuldet wurde und diese Zahlung eine materielle Voraussetzung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht erfüllt, kann sich F nicht auf ein Recht zum Abzug dieser Mehrwertsteuer berufen (s.a. EuGH Urteil vom 11.4.2019, C-691/17, UR 2019, 502, LEXinform 0651639).

Der Leistungsempfänger F kann jedoch die Rückzahlung der rechtsgrundlos an den Bauunternehmer M gezahlten Steuer verlangen (EuGH Urteil vom 6.2.2014, C-424/12, Rz. 42, LEXinform 0589442 sowie EuGH Urteil vom 26.4.2017, C-564/15, LEXinform 0651512, UR 2017, 438). Dabei ist es ausreichend, wenn der Leistungsempfänger einen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber seinem Vertragspartner auf Rückzahlung der USt hat. Der leistende Unternehmer, der die USt an die Finanzverwaltung zu Unrecht abgeführt hat, muss die Möglichkeit haben, diese wieder zurückzuerhalten.

Die Modalitäten eines solchen Berichtigungsverfahrens können die Mitgliedstaaten unter Beachtung der Rechtsgrundsätze der Neutralität und Effektivität des Mehrwertsteuersystems selbst regeln. Nach Auffassung des EuGH (Urteil vom 26.4.2017, C-564/15, LEXinform 0651512, UR 2017, 438) sind diese Grundsätze gewahrt, wenn der leistende Unternehmer die Rechnung berichtigen und somit die zu Unrecht abgeführte Umsatzsteuer zurückerhalten kann.

Sofern allerdings die Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig schwierig wird, kann es der Grundsatz der Effektivität gebieten, dass der Erwerber des betreffenden Gegenstands seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten kann. Eine solche Erschwernis der Mehrwertsteuererstattung kann beispielsweise vorliegen, wenn der Verkäufer der Ware zahlungsunfähig wird. Damit der Grundsatz der Effektivität gewahrt wird, müssen deshalb die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsehen, die es dem Erwerber ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen (s.a. Anmerkung vom 2.5.2017, LEXinform 0948675).

Das BMF nimmt mit Schreiben vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 652) zum Direktanspruch in der USt Stellung. Dabei wird in Abschn. 15.11. UStAE ein neuer Abs. 8 eingefügt: » In der Rspr. wurde das sich aus dem Unionsrecht ergebende Rechtsinstrument des Direktanspruchs in der Umsatzsteuer entwickelt (vgl. EuGH vom 15.3.2007, C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken). Danach kann ein Leistungsempfänger unter bestimmten Voraussetzungen über eine Billigkeitsmaßnahme die Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer direkt vom Fiskus (statt vom Leistenden) verlangen, vgl. BMF-Schreiben vom 12.4.2022, BStBl I 2022, 652).« S. dazu die weiteren Erläuterungen zu → Rechnung.

Zur Berichtigung des gesonderten Steuerausweises in Fällen der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG nimmt die OFD Karlsruhe mit Vfg. vom 25.9.2012 (S 7282, UR 2013, 283, LEXinform 5234187) Stellung. »Nach § 14a Abs. 5 UStG muss der leistende Unternehmer in den Fällen des § 13b UStG eine Rechnung erstellen, darf darin aber die USt nicht gesondert ausweisen. Weist der leistende Unternehmer dennoch die USt in der Rechnung gesondert aus, schuldet er sie nach § 14c Abs. 1 UStG (Abschn. 13b.14. Abs. 1 Satz 5 UStAE). Der Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung ist beim Leistungsempfänger zu versagen (Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE; EuGH Urteil vom 6.2.2014, C-424/12, LEXinform 0589442). Der unrichtige Steuerausweis kann nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG berichtigt werden. Bei der Rechnungsberichtigung ist die Vorschrift des § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden. Der Berichtigungsanspruch nach § 17 UStG entsteht erst mit der Rückgewähr des Entgelts (BFH Urteil vom 2.9.2010, V R 34/09, BStBl II 2011, 991). Daher ist eine Berichtigung des unrichtigen Steuerausweises in den Fällen des § 13b UStG erst möglich, soweit die bisher gesondert ausgewiesene Steuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt wurde. Ansonsten wäre der leistende Unternehmer ungerechtfertigt bereichert.«

Ergänzend zu der o.g. Vfg. der OFD Karlsruhe vom 25.9.2012 ist noch festzuhalten, dass zusätzlich eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 und 2 UStG durch den Leistungsempfänger und Steuerschuldner durchzuführen ist. Die gesamte Berichtigung i.S.d. § 17 UStG soll anhand des nachfolgenden Beispiels verdeutlicht werden.

Beispiel 31:

Sachverhalt s.a. Beispiel 30.

Bauunternehmer A stellt eine Rechnung über eine zu 19 % steuerpflichtige Bauleistung an einen anderen »Bauleister B« i.H.v. 100 000 € zzgl. 19 000 € USt aus. Die Parteien sind zivilrechtlich von einer Gegenleistung von 100 000 € ausgegangen; der Leistende hat diese 100 000 € aber fehlerhaft abgerechnet. Der Leistungsempfänger zahlt insgesamt 119 000 €.

Lösung 31:

Der vom Leistungsempfänger aufgewendete Betrag bildet die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der USt. Bei einer Bemessungsgrundlage von 119 000 € entsteht eine USt von 22 610 €.

Da die Vorschriften über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung keine Anwendung finden (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG), schuldet der leistende Unternehmer die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Stellt der leistende Unternehmer eine berichtigte Rechnung über einen Betrag von 100 000 € ohne gesonderten Ausweis der Steuer aus, so erhält er die nach § 14c Abs. 1 UStG gezahlte USt erst dann vom FA erstattet, wenn er diesen Betrag an den Leistungsempfänger erstattet.

Da der Leistungsempfänger durch diese Rückerstattung der 19 000 € lediglich 100 000 € aufgewendet hat, schuldet der Leistungsempfänger die USt nach § 13b Abs. 5 UStG lediglich aus einer Bemessungsgrundlage von 100 000 € statt wie bisher von 119 000 €. Dies führt beim Leistungsempfänger zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 UStG.

Der vom Bauleister B (Leistungsempfänger) vorgenommene Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG i.H.v. 19 000 € ist zu Unrecht erfolgt. Weist der leistende Unternehmer (Bauunternehmer A) die USt in der Rechnung gesondert aus, schuldet er sie nach § 14c Abs. 1 UStG (Abschn. 13b.14 Abs. 1 Satz 5 sowie Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 UStAE). Der Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung ist beim Leistungsempfänger zu versagen (Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Nach dem BFH-Urteil vom 26.9.2019 (V R 13/18, BFH/NV 2020, 35, LEXinform 0951915) sind die sich aus der Versagung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger entstehenden Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn das FA die für die Leistung geschuldete Steuer vom vermeintlichen statt vom wirklichen Steuerschuldner vereinnahmt hatte, der Leistende seine Rechnungen mit Steuerausweis berichtigt und den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch an den Leistungsempfänger abtritt (s.a. Anmerkung vom 4.12.2019, LEXinform 0889013).

10. Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers

Der Leistungsempfänger kann die von ihm nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete USt als Vorsteuer abziehen, wenn er die Lieferung (Werklieferung) oder sonstige Leistung für sein Unternehmen bezieht und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG).

Für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG braucht der Leistungsempfänger keine Rechnung zu besitzen (EuGH Urteil vom 1.4.2004, C-90/02, LEXinform 0168954; → Vorsteuerabzug, Abschn. 13b.15. Abs. 2 UStAE).

Ist der im Ausland ansässige Unternehmer Steuerschuldner nach § 13b UStG, erfolgt die Vergütung von Vorsteuerbeträgen im Regelbesteuerungs- und nicht im Vergütungsverfahren (s.a. Anmerkung vom 4.7.2013, LEXinform 0943954; Abschn. 13b.15. Abs. 4 UStAE; so auch BFH vom 10.1.2019, V R 66/16, BFH/NV 2019, 590, LEXinform 0951225). Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG schulden, gelten nach § 15 Abs. 4b UStG die Einschränkungen des § 18 Abs. 9 Satz 5 und 6 UStG entsprechend (s.a. Abschn. 13b.15. Abs. 4 Satz 2 UStAE). Nach dem BFH-Urteil vom 22.5.2019 (XI R 1/18, BStBl II 2020, 132) verstoßen § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG und § 15 Abs. 4b UStG weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht (→ Vorsteuervergütungsverfahren unter dem Gliederungspunkt »Zulässige Umsätze des ausländischen Unternehmers im Vergütungszeitraum« sowie »Nicht unter das Vorsteuervergütungsverfahren fallende Vorsteuerbeträge«).

11. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers und allgemeines Besteuerungsverfahren

USt-Voranmeldungen (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG) und eine Steuererklärung für das Kj. (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) haben auch die Unternehmer und juristischen Personen abzugeben, soweit sie als Leistungsempfänger ausschließlich eine Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG zu entrichten haben (§ 18 Abs. 4a Satz 1 UStG). Voranmeldungen sind nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen die Steuer für die Umsätze i.S.d. § 13b Abs. 1 und 2 UStG zu erklären ist (§ 18 Abs. 4a Satz 2 UStG). Die Anwendung des § 18 Abs. 2a UStG ist ausgeschlossen (Abschn. 13b.16. Abs. 1 UStAE).

Hat der im Ausland bzw. im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer im Besteuerungszeitraum oder Voranmeldungszeitraum nur Umsätze ausgeführt, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b Abs. 5 UStG), sind von ihm nur dann Steueranmeldungen abzugeben, wenn er selbst als Leistungsempfänger eine Steuer nach § 13b UStG schuldet, er eine Steuer nach § 14c Abs. 1 oder 2 UStG schuldet oder wenn ihn das FA hierzu besonders auffordert. Das FA hat den Unternehmer insbesondere in den Fällen zur Abgabe von Steueranmeldungen aufzufordern, in denen es zweifelhaft ist, ob er tatsächlich nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet. Eine Besteuerung des Unternehmers nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG ist jedoch nur dann durchzuführen, wenn der im Ausland ansässige Unternehmer im Inland steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer nicht schuldet (Abschn. 13b.16. Abs. 2 UStAE).

Bei der Besteuerung des im Ausland ansässigen Unternehmers nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG sind die Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, nicht zu berücksichtigen. Ferner bleiben die Vorsteuerbeträge unberücksichtigt, die im Vorsteuer-Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 bis 61 UStDV) vergütet wurden. Die danach verbleibenden Vorsteuerbeträge sind ggf. durch Vorlage der Rechnungen und Einfuhrbelege nachzuweisen. Abschn. 15.11. Abs. 1 UStAE gilt sinngemäß. Das FA hat die vorgelegten Rechnungen und Einfuhrbelege durch Stempelaufdruck oder in anderer Weise zu entwerten und dem Unternehmer zurückzusenden (Abschn. 13b.16. Abs. 3 UStAE).

Hat der im Ausland ansässige Unternehmer im Besteuerungszeitraum oder im Voranmeldungszeitraum nur Umsätze ausgeführt, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, und kommt deshalb das allgemeine Besteuerungsverfahren nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht zur Anwendung, können die nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge unter den weiteren Voraussetzungen nur im Vorsteuer-Vergütungsverfahren vergütet werden (§ 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 bis 61a UStDV; Abschn. 13b.16. Abs. 4 UStAE).

12. Aufzeichnungspflichten

Neben den allgemeinen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG müssen in den Fällen des § 13b Abs. 1 bis 5 UStG beim Leistungsempfänger die in § 22 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG enthaltenen Angaben über die von ihm ausgeführten oder noch nicht ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen aus den Aufzeichnungen zu ersehen sein. Auch der leistende Unternehmer hat diese Angaben gesondert aufzuzeichnen (§ 22 Abs. 2 Nr. 8 UStG). Die Verpflichtung, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen, gilt in den Fällen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auch für Personen, die nicht Unternehmer sind (§ 22 Abs. 1 Satz 2 UStG); z.B.: Bezug einer Leistung für den nicht unternehmerischen Bereich des Unternehmers oder den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Abschn. 13b.17. UStAE).

13. Übergangsregelungen

13.1. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2011

Zum Übergang auf die Anwendung der Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2011 auf

  • Lieferungen von Kälte und Wärme (s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG)«),

  • Lieferungen der in der Anlage 3 des UStG bezeichneten Gegenstände (s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG)«),

  • Gebäudereinigungsleistungen (s.o. den Gliederungspunkt »Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG)«) und

  • bestimmte Lieferungen von Gold (s.o. den Gliederungspunkt »Goldlieferungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG)«)

nimmt das BMF-Schreiben vom 4.2.2011 (BStBl I 2011, 156) Stellung (s.a. Abschn. 13b.18. Satz 5 UStAE).

13.2. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.7.2011

Zum Übergang auf die Anwendung der Erweiterung des § 13b UStG ab 1.7.2011 auf Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen nimmt das BMF-Schreiben vom 24.6.2011 (BStBl I 2011, 687) und das BMF-Schreiben vom 22.9.2011 (BStBl I 2011, 910) Stellung (Abschn. 13b.18. Satz 6 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen (§ 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG)«).

13.3. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.9.2013

Zum Übergang auf die Anwendung der Erweiterung des § 13b UStG ab 1.9.2013 auf Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer vgl. BMF-Schreiben vom 19.9.2013 (BStBl I 2013, 1212; Abschn. 13b.18. Satz 7 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG)«).

13.4. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.10.2014

Zum Übergang auf die Anwendung der Erweiterung des § 13b UStG ab 1.10.2014

  • auf Lieferungen von Tablet-Computern, Spielekonsolen (s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen«),

  • auf Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG)«) sowie

  • zur Änderung der Anwendung des § 13b UStG ab 1.10.2014 bei Bauleistungen und Gebäudereinigungsleistungen (s.o. die Gliederungspunkte »Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG)« sowie »Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG)«)

vgl. Teil II des BMF-Schreibens vom 26.9.2014 (BStBl I 2014, 1297; Abschn. 13b.18. Satz 8 UStAE). Zur Übergangsregelung s.a. BMF vom 5.12.2014 (BStBl I 2014, 1618).

13.5. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2015

Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 1.1.2015 auf Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen und Cermets vgl. Teil II des BMF-Schreibens vom 13.3.2015 (BStBl I 2015, 234; Abschn. 13b.18. Satz 9 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG)«).

13.6. Erweiterung des § 13b UStG ab 6.11.2015

Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 6.11.2015 auf

  • Lieferungen der in der Anlage 3 des UStG bezeichneten Gegenstände (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG, s.o.),

  • Gebäudereinigungsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG; s.o.),

  • bestimmte Lieferungen von Gold (§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG; s.o.) sowie

  • Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen, integrierten Schaltkreisen (§ 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG; s.o.) und

  • Edelmetallen, unedlen Metallen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG; s.o.)

vgl. Teil II des BMF-Schreibens vom 10.8.2016 (BStBl I 2016, 820; Abschn. 13b.18. Satz 10 UStAE).

13.7. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2020

Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 1.1.2020 auf Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten vgl. Teil II des BMF-Schreibens vom 23.3.2020 (BStBl I 2020, 288; Abschn. 13b.18. Satz 11 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Übertragung von Berechtigungen u.a. nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (§ 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG)«).

13.8. Erweiterung des § 13b UStG ab 1.1.2021

Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 1.1.2021 auf sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation vgl. Teil II des BMF-Schreibens vom 23.12.2020 (BStBl I 2021, 92; Abschn. 13b.18. Satz 12 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Telekommunikationsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG)«).

14. Literaturhinweise

Langer, Steuerschuldübergang bei Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen, DStR 2011, 1647; Schmidt, Zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen und bei Gebäudereinigungsleistungen, NWB 2014, 1638; Fleckenstein-Weiland, Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen – Fallbeispiele und Handlungsempfehlungen für betroffene Unternehmer, BB 2014, 2391; Sterzinger, Steuerschuldnerschaft von nachhaltig Bauleistungen erbringenden Leistungsempfängern, UR 2015, 569; Grebe u.a., Augen auf beim Grundstücks(ver-)kauf – Teil I und II, UStB 2015, 265, 325; Grebe, Abwicklung von Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 UStG, UStB 5/2017, 145; Lange u.a., Übertragung von Gewichtsguthaben an Edelmetallen bei Scheideanstalten, NWB 31/2019, 2275; Grebe u.a., Grundzüge des Wechsels der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG Teil 1 und 2, UStB 4/2019, 121 und 5/2019, 147; Sterzinger, Aktuelle Entwicklung zur Abwicklung der sog. Bauträgerfälle, UStB 3/2019, 86; Liermann, BMF ändert Definition für Werklieferungen: Kein Schuldübergang nach § 13b UStG bei Montagelieferungen, NWB 45/2020, 3311; Jansen, Steuerschuldumkehr auf Telekommunikationsleistungen, UStB 3/2021, 94; Nürnberg, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG Teil I und Teil II, Steuer & Studium 4/2023, 248 und 5/2023, 325; Klein, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Handels mit Treibhausgasminderungsquoten, NWB 44/2022, 3093; Liermann, Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf die Übertragung von Emissionszertifikaten, NWB 45/2023, 3070; Fietz u.a., Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von E-Charging, NWB 39/2023, 2682.

15. Verwandte Lexikonartikel

Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen

Bauleistungen in der Umsatzsteuer

Steuerschuldner bei der Umsatzsteuer

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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