Funktionsverlagerung

Stand: 2. Mai 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Rechtliche Grundlagen
2 Erscheinungsformen und Begriff
2.1 Funktion
2.2 Funktionsverlagerung
2.3 Transferpaket
2.4 Gewinnpotenzial
2.5 finanzielle Überschüsse
2.6 Funktionsverdoppelung
3 Verrechnungspreisbestimmung für das Transferpaket
4 Escape-Klausel
5 Preisanpassungsklauseln
5.1 Anwendungsvoraussetzungen des § 1a Satz 1 AStG
6 EU-Rechtsverstoß der derzeit geltenden Regelung?
7 Dokumentationspflichten
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel

1. Rechtliche Grundlagen

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912; → Unternehmensteuerreform 2008 – Ein Überblick) wurde ein neuer Absatz 3 in § 1 AStG eingefügt, der die gesetzlichen Regelungen zum international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz präzisierte und Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen enthielt (§ 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG a.F.). Diese Regelungen waren gem. § 21 Abs. 16 AStG a.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden. Auch die Änderungen des § 1 Abs. 3 Satz 9 und 10 AStG a.F. durch Art. 11 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlichen Vorschriften vom 8.4.2010 (BGBl I 2010, 386) waren gem. § 21 Abs. 16 AStG a.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden.

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§ 1 Abs. 3 Satz 13 AStG a.F. in der Fassung von Art. 7 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (BGBl I 2007, 1912) enthielt eine allgemeine Ermächtigung für den Erlass einer Verordnung zur Bestimmung von Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S.d. Abs. 1 Satz 1 bis 12 des § 1 AStG a.F. Mit dem Erlass der »Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV)« vom 12.8.2008 wurde von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht. Die FVerlV vom 12.8.2008 (BGBl I 2008, 1680) gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 (vgl. § 12 FVerlV). In einem ergänzenden Anwendungsschreiben des BMF (»Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung«, BMF vom 13.10.2010, BStBl I 2010, 774) wurden weitere Einzelheiten anhand von Beispielen verdeutlicht. Die Regelungen dieses BMF-Schreibens vom 13.10.2010 (BStBl I 2010, 774) gelten laut Rn. 6.2 des aktuellen BMF-Schreibens vom 6.6.2023, BStBl I 2023, 1094, betreffend »Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 – Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gem. § 1 AStG« für Funktionsverlagerungen, die vor dem 1.1.2022 verwirklicht werden.

Durch das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer vom 2.6.2021 (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG, BGBl I 2021, 1259) wurde in § 1 AStG u.a. ein neuer Absatz 3b aufgenommen, der den Inhalt der Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F. mitsamt Anpassung enthält (BT-Drs. 19/27632, 73; BR-Drs. 50/21, 81). Die Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen sind nun also in § 1 Abs. 3b AStG zu finden. Gem. § 21 Abs. 25 AStG i.d.F. des AbzStEntModG vom 2.6.2021 ist § 1 AStG n.F. erstmals für die Einkommen- und Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 2022 anzuwenden. Dabei ist zu beachten, dass § 21 AStG durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie vom 25.6.2021 (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG – BGBl I 2021, 2035) erneut angepasst und redaktionell vollständig überarbeitet wurde (siehe BT-Drs. 19/28652, 67). Gem. § 21 Abs. 1 AStG in der Fassung des ATADUmsG gilt die aktualisierte Fassung des AStG – sofern keine abweichende Regelung in § 21 Abs. 2 bis Abs. 4 AStG enthalten ist – für die Einkommen- und Körperschaftsteuer erstmals für den VZ 2022 (Nr. 1), für die Gewerbesteuer erstmals für den Erhebungszeitraum 2022 (Nr. 2) und für die Erbschaftsteuer auf Erwerbe, bei denen die Steuerschuld nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden ist (Nr. 3).

In § 1 Abs. 6 AStG ist weiterhin eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen vorgesehen, durch Rechtsverordnung Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes auch bezogen auf die Funktionsverlagerung gem. § 1 Abs. 3b AStG festzulegen. Mit der »Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Absatz 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitendender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV)« vom 18.10.2022, BGBl I 2022, 1803 wurde von der vorgenannten Ermächtigung zwischenzeitlich Gebrauch gemacht.

Gem. § 9 FVerlV ist die Funktionsverlagerungsverordnung erstmals für Veranlagungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2021 beginnen. Für Funktionsverlagerungen bis zum 31.12.2021 soll die »alte« Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008 gelten (BR-Drs. 423/22, 9). Die Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008 (BGBl I 2008, 1680) tritt gem. § 10 FVerlV vom 18.10.2022 am Tag nach der Verkündung der neuen Verordnung außer Kraft.

Am 6.6.2023 wurde zudem das BMF-Schreiben »Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 – Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gem. § 1 AStG« (BStBl I 2023, 1094) veröffentlicht. Insbes. im Kap. III, Rn. 3.87 bis 3.120, sind Ausführungen zur Funktionsverlagerung zu finden. Gem. Rn. 6.2 des vorgenannten BMF-Schreibens vom 6.6.2023 sind die Regelungen zur Funktionsverlagerung (Kap. I.) auf Funktionsverlagerungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2021 verwirklicht werden. Für Funktionsverlagerungen, die vor dem 1.1.2022 verwirklicht werden, gelten also weiterhin die Regelungen des BMF-Schreibens vom 13.10.2020 (so Rn. 6.2 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, BStBl I 2023, 1094).

Das BMF-Schreiben betreffend »Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gem. § 1 AStG« vom 14.7.2021, BStBl I 2021, 1098 wird mit Veröffentlichung des BMF-Schreibens »Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023« vom 6.6.2023 im BStBl aufgehoben (vgl. Rn. 6.1 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, BStBl I 2023, 1094).

Falls im Nachfolgenden auf die frühere Funktionsverlagerungsverordnung Bezug genommen wird, wird dies mit dem Hinweis »a.F.« gekennzeichnet. Ansonsten beziehen sich die Ausführungen und Verweise auf die aktuelle Funktionsverlagerungsverordnung vom 18.10.2022 sowie das BMF-Schreiben »Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023« vom 6.6.2023, BStBl I 2023, 1094.

2. Erscheinungsformen und Begriff

2.1. Funktion

Der zentrale Begriff der »Funktion« ist umstritten und wird kontrovers diskutiert.

Unter einer Funktion versteht die FVerlV eine Geschäftstätigkeit, die »aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden«, so § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV. Das Begriffsverständnis hat sich bezogen auf den Terminus »Funktion« durch die neue Funktionsverlagerungsverordnung vom 18.10.2022 nicht geändert; die Definition des Begriffs »Funktion« ist gleich geblieben (vgl. auch BR-Drs. 423/22, 7).

Bei Geschäftstätigkeiten, die aus Geschäftsleitung, Lagerhaltung, Produktion, Vertrieb, Transport, Verwaltung oder Kundendienst bestehen, kann es sich beispielsweise um Funktionen in diesem Sinne handeln (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.89). Im Vergleich zu sonstigen Unternehmensteildefinitionen bleibt die Regelung in der FVerlV hinter dem Teilbetrieb im steuerlichen Sinne (etwa i.S.d. § 16 Abs. 1 EStG oder des § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG) zurück; so explizit § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV (siehe auch Anlage 2 – Glossar – des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, zur Definition des Begriffs »Funktion«). Die steuerlichen Voraussetzungen für einen Teilbetrieb müssen demnach nicht vorliegen; die Funktion ist ein organischer Teil des Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss (§ 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV – gleicher Wortlaut wie in der Funktionsverlagerungsverordnung a.F.; Anlage 2 – Glossar – des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, zur Definition des Begriffs »Funktion«); vgl. auch BR-Drs. 423/22, 7.

In Verlagerungsfällen ist es zur eindeutigen Abgrenzung von zentraler Bedeutung, die betreffende Funktion anhand der verwendeten Wirtschaftsgüter und insbes. immateriellen Werte sowie der sonstigen Vorteile und der mit der bestimmten Geschäftstätigkeit konkret verbundenen Chancen und Risiken tätigkeitsbezogen und objektbezogen zu definieren (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, Rn. 3.90).

An dieser Stelle erfolgt ein Hinweis auf das aktuelle Urteil des Niedersächsischen FG vom 16.3.2023, 10 K 310/19, BB 2023, 1637. Das FG beschäftigt sich in diesem Urteil unter anderem mit der Frage, ob eine Funktionsverlagerung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F. vorliegt. Ob eine tätigkeitsbezogene und objektbezogene Betrachtungsweise – wie von der Finanzverwaltung vertreten – heranzuziehen ist oder nicht, konnte das FG dabei offen lassen. Das Vorliegen einer Funktion bejaht das FG in dem konkreten Urteilsfall. Dabei stellt das FG klar, dass es nicht bereits für das Vorliegen einer Funktion der Mitübertragung von Chancen und Risiken bedarf. Im Urteil beschäftigt sich das FG dann noch mit den Begrifflichkeiten »Chance« und »Risiko«. Die Funktionsverlagerung lehnt das Gericht jedoch mangels Übertragung von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen sowie Geschäftschancen und fehlender kausaler Verknüpfung ab. Die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wurde zugelassen; ob Revision eingelegt wurde, ist noch nicht bekannt. Auch wenn sich dieses Urteil auf die alte Rechtslage bezieht, könnte es dennoch für das zukünftige Begriffsverständnis von Bedeutung sein.

2.2. Funktionsverlagerung

Gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F. musste für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung nach alter gesetzlicher Regelung »eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert« (Hervorhebung nicht im Original) werden.

In § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG ist der Begriff der »Funktionsverlagerung« im Klammerzusatz nicht mehr zu finden. Dort wird lediglich zu Beginn des Satzes 1 auf die Verlagerung einer »Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile« (Hervorhebung nicht im Original) hingewiesen.

Eine Legaldefinition des Terminus »Funktionsverlagerung« ist explizit in § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV enthalten. Dort ist geregelt, dass eine Funktionsverlagerung gem. § 1 Abs. 3b AStG gegeben ist, wenn »eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, so dass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann« (Hervorhebung nicht im Original).

Für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung wird laut Finanzverwaltung eine Funktionseinschränkung bis hin zur Funktionseinstellung beim verlagernden Unternehmen vorausgesetzt (so Rn. 3.91 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094). Dazu kann ggf. auch die Abschmelzung von Funktionen und Risiken gehören (vgl. ausführlicher: Rn. 3.91 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094).

Zudem werden in der Rn. 3.91 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Beispiele für Funktionsverlagerungen genannt, wie die Umstellung eines Eigenproduzenten zum Lohnfertiger.

Der Begriff der Funktionsverlagerung wurde durch die Abänderung des Begriffs »und« in »oder« in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG (bezogen auf die sonstigen Vorteile, siehe auch obige Hervorhebungen) anscheinend klargestellt (BT-Drs. 19/27632, 73 und 74; Jacobsen in DStZ 2021, 742, 745; kritisch: Stein/Schwarz in DB 2021, 1292, 1295). Auch § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV schließt sich der begrifflichen Änderung von »und« zu »oder« an. Die Auswirkungen dieser Änderung bleiben abzuwarten. Ob es sich tatsächlich lediglich um eine Klarstellung handelt, kann m.E. sehr wohl kontrovers diskutiert werden. Zum Teil wird in der Literatur auch die Meinung vertreten, dass damit eine Erweiterung des Anwendungsbereichs einhergeht (so beispielsweise Heidecke/Sauer in ISR 2022, 401, 402).

Nach der bisherigen Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV a.F. war eine Funktionsverlagerung anzunehmen, wenn »ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahestehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird«.

Wie bereits dargestellt, ist der Begriff der Funktionsverlagerung auch in der aktuellen Funktionsverlagerungsverordnung – nämlich in § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV – ausdrücklich definiert. Dabei fällt auf, dass es laut Wortlaut der Regelung gerade nicht mehr erforderlich ist, dass die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird. Dieses Tatbestandsmerkmal sieht § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV nicht mehr vor. Nach Rn. 3.91 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, setzen Funktionsverlagerungen jedoch eine Funktionseinschränkung bis hin zur Funktionseinstellung beim verlagernden Unternehmen voraus. Weitere Entwicklungen bleiben allerdings abzuwarten.

Zudem reicht es für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung aus, wenn nur ein Teil der Funktion überlassen oder übertragen wird (vgl. Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV). Weitere Informationen zu dieser zentralen – und wahrscheinlich äußerst schwierigen und streitanfälligen – Thematik können weder der FVerlV noch der BT-Drs. 423/22 entnommen werden.

Bisher war in § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV a.F. auch eine Regelung für den Fall zu finden, dass die Funktion durch das übernehmende Unternehmen nur zeitweise übernommen wird. Bei dieser Fallkonstellation konnte nach alter Rechtslage gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV a.F. eine Funktionsverlagerung vorliegen (vgl. auch BMF vom 13.10.2010, Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, Rn. 25 – dabei ist zu beachten, dass dieses BMF-Schreiben gem. Rn. 6.2 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, noch für Funktionsverlagerungen, die vor dem 1.1.2022 verwirklicht werden, gilt). Auch wenn diese Regelung nicht mehr in der Funktionsverlagerungsverordnung vom 18.10.2022 zu finden ist, könnte diese Rechtsauffassung weiterhin gelten (so auch Heidecke/Sauer in ISR 2022, 401, 404 – allerdings vor Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094). Aktuelle Rechtsentwicklungen – insbes. höchstrichterliche Rspr. – und Entwicklungen in der Literatur sind allerdings zu beachten.

Geschäftsvorfälle der letzten fünf Jahre werden zu einer einheitlichen Funktionsverlagerung zusammengefasst, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV durch ihre gemeinsame Verwirklichung wirtschaftlich erfüllt sind. Die Geschäftsvorfälle stellen sich also wirtschaftlich als Bestandteil eines einheitlichen Verlagerungsvorgangs dar (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.96 mit Beispiel). Diese Fallgestaltung ist wie bisher auch in § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV gesetzlich normiert. Entscheidend sind dabei objektive Kriterien (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.96). Die Absicht der beteiligten Unternehmen ist an dieser Stelle hingegen unerheblich (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.96).

Einzelne Transaktionen (wie Einzel-WG-Veräußerungen oder die bloße Erbringung von Dienstleistungen) sollen anscheinend weiterhin nicht zu einer Funktionsverlagerung führen, auch wenn die explizite Regelung, die bisher in § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV a.F. zu finden war, ersatzlos gestrichen wurde (so auch BR-Drs. 423/22, 8). Die Streichung dieser Regelung dürfte in der Praxis allerdings für Rechtsunsicherheit sorgen. Zur alten Rechtslage hat das FG München mit Urteil vom 26.11.2019, 6 K 1918/16, EFG 2020, 764 (Revision beim BFH anhängig unter dem Az. I R 54/19) unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV a.F. darauf hingewiesen, dass die bloße Entsendung von Mitarbeitern nicht zum Vorliegen einer Funktionsverlagerung führt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen auf Seite 8 der BR-Drs. 423/22 dürfte diese Rechtsauffassung weiterhin gelten – auch ohne explizite Regelung in der Funktionsverlagerungsverordnung. Nach Ansicht der Finanzverwaltung (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.95) stellt die Verwendung von Personal im Konzern regelmäßig noch keine Funktionsverlagerung dar. Eine Funktionsverlagerung kann jedoch in Personalentsendungsfällen vorliegen; dies gilt insbes. dann, wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich aus dem Unternehmen, das das Personal entsendet, mitnimmt und im aufnehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.95). Dies dürfte in der Regel zu einer Einschränkung der Geschäftstätigkeit des entsendenden Unternehmens führen. Weitere Entwicklungen bleiben zudem abzuwarten.

Findet die Verlagerung über die Grenze statt, spricht man von einer grenzüberschreitenden Funktionsverlagerung. Diese ist in zwei Richtungen möglich:

  • Im Falle einer Outbound-Verlagerung werden die Funktionen ins Ausland verlagert.

  • Im Falle einer Inbound-Verlagerung werden Unternehmensteilbereiche nach Deutschland (zurück) verlagert.

Ziel der gesetzlichen Regelungen – wie auch der Funktionsverlagerungsverordnung – ist es, das im Inland geschaffene Steuersubstrat bei Outbound-Verlagerungen zu erfassen und im Inland zu besteuern.

In erster Linie werden Vertriebs- und Produktionsfunktionen in Niedrigsteuerländer aus steuerlichen Gründen verlagert. Es spielen aber auch vermehrt außersteuerliche Gründe eine große Rolle (z.B. die Erschließung neuer Märkte, Ausnutzung kostenorientierter Standortvorteile sowie Wettbewerbsfaktoren).

2.3. Transferpaket

Bisher war der Terminus »Transferpaket« in § 1 Abs. 3 FVerlV a.F. definiert.

Der Begriff des Transferpakets wird nun in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG in der Fassung des AbzStEntModG legaldefiniert, sodass eine gesonderte Regelung in der Funktionsverlagerungsverordnung nicht mehr erforderlich ist (so auch BR-Drs. 423/22, 8).

Ein Transferpaket stellt gemäß § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG die Verlagerung der Funktion als Ganzes dar. Eine Änderung des bisherigen Verständnisses soll damit allerdings anscheinend nicht verbunden sein (so BR-Drs. 50/21, 81 und BT-Drs. 19/27632, 74).

2.4. Gewinnpotenzial

Der Begriff »Gewinnpotenzial«, der bisher in § 1 Abs. 4 FVerlV a.F. definiert war, ist im Gesetz und in der aktuellen Funktionsverlagerungsverordnung nicht mehr zu finden. Vielmehr wird nun der in der Unternehmensbewertung übliche Terminus der »finanziellen Überschüsse« verwendet (vgl. BR-Drs. 423/22, 8).

2.5. finanzielle Überschüsse

Der Begriff »finanzielle Überschüsse« ist im Rahmen der Regelungen zur Transferpaketbewertung (§§ 2 ff. FVerlV) zu finden.

U.a. die Erwartungen der finanziellen Überschüsse der beteiligten Unternehmen sind gem. § 2 FVerlV für die Berechnung des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.

2.6. Funktionsverdoppelung

Von der Funktionsverlagerung abzugrenzen ist die sog. Funktionsverdopplung.

Die Regelung zur Funktionsverdopplung wurde im Wesentlichen beibehalten (so BR-Drs. 423/22, 8), allerdings vom bisherigen Abs. 6 in den Abs. 5 des § 1 FVerlV verschoben. Eine solche Verdopplung wird angenommen, wenn beispielsweise im Ausland eine Produktionstätigkeit aufgenommen und im Inland weiterhin unverändert die bisherige Produktion und Vertrieb ausgeführt werden (BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.99). Führt die Aufnahme einer Funktion durch das übernehmende Unternehmen bei dem verlagernden Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion zu keiner Einschränkung in der Ausübung dieser Funktion, liegt eine Funktionsverdoppelung vor (§ 1 Abs. 5 Satz 1 FVerlV). Und zwar obwohl die übrigen Voraussetzungen und Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 FVerlV erfüllt sind, wird eine Funktionsverlagerung i.S.v. § 1 Abs. 2 FVerlV abgelehnt. Kommt es aber innerhalb dieser fünf Jahre beim verlagernden Unternehmen zu einer solchen Einschränkung, liegt ab diesem Zeitpunkt – also im Zeitpunkt des Eintritts der Einschränkung – insgesamt eine Funktionsverlagerung vor (§ 1 Abs. 5 Satz 2 FVerlV). § 1 Abs. 5 Satz 2 FVerlV sieht allerdings noch eine Rückausnahme von dieser Rechtsfolge vor. Eine Funktionsverlagerung liegt dann nämlich trotzdem nicht vor, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einschränkung und Funktionsverdopplung besteht (§ 1 Abs. 5 Satz 2 a.E. FVerlV; vgl. BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.99). Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn die Einschränkung auf höherer Gewalt, wie etwa einem Brand, basiert (so BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.99).

3. Verrechnungspreisbestimmung für das Transferpaket

Gem. § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG ist auf die verlagerte Funktion § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG, also der hypothetische Fremdvergleich, anzuwenden, wenn für die Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) keine Vergleichsdaten festgestellt werden können. Zunächst muss also laut gesetzlicher Regelung geprüft werden, ob entsprechende Vergleichsdaten festgestellt werden können.

Nur wenn keine Vergleichsdaten festgestellt werden können, ist der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden. Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG ist der hypothetische Fremdvergleich aus Sicht des Leistenden und des jeweiligen Leistungsempfängers anhand ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden durchzuführen (BT-Drs. 19/27632, 73). Leistender ist dabei das verlagernde Unternehmen und Leistungsempfänger das übernehmende Unternehmen. Solche anerkannten Methoden sind vor allem Ertragswertverfahren oder Discounted-Cashflow-Methoden, die auf innerbetrieblichen Planrechnungen beruhen (so BT-Drs. 19/27632, 72). Die Finanzverwaltung weist im BMF-Schreiben vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, unter der Rn. 3.101 darauf hin, dass für die Verrechnungspreisbestimmung »insbes. der zukünftig zu erwartende Nutzen aus dem Transferpaket maßgebend« ist. Dieser ergibt sich »aufgrund betriebswirtschaftlicher Bewertung nach einem kapitalwertorientierten Verfahren«, das als Bewertungsstandard anerkannt und auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblich ist« (so BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.101). Gem. § 2 Satz 3 FVerlV ist für die Berechnung des Eignungsbereichs eine kapitalwertorientierte Bewertungsmethode zu verwenden.

Können keine Vergleichsdaten festgestellt werden, ist der Einigungsbereich also gem. § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG auf Grundlage des Transferpakets zu bestimmten. Da in der Praxis regelmäßig keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festzustellen sein werden, wird regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung kommen (so auch Rn. 3.101 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094).

Von § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG kann laut expliziter Regelung in Satz 2 abgesehen werden, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Wann immaterielle Wirtschaftsgüter wesentlich sind, ergibt sich für Funktionsverlagerungen aus der Regelung § 1 Abs. 3 FVerlV. Wesentlich sind immaterielle Wirtschaftsgüter danach, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) oder ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab) – vgl. BMF vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, Rn. 3.97. Zudem muss dies unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsverlagerung – laut Aufzeichnungen i.S.d. § 2 Satz 2 FVerlV – glaubhaft sein (so § 1 Abs. 3 FVerlV). Des Weiteren ist § 1 Abs. 3b Satz 3 AStG zu beachten. Rechtsfolge aus § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG ist die Einzelbewertung.

In der Anlage 3 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, sind Beispiele zur Bestimmung des Einigungsbereichs zu finden (vgl. auch Verweis unter Rn. 3.111 des vorgenannten BMF-Schreibens).

Der Einigungsbereich ergibt sich beim hypothetischen Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3a Satz 5 AStG aus dem Mindestpreis des Leistenden, also des verlagernden Unternehmens, und dem Höchstpreis des Leistungsempfängers, also dem übernehmenden Unternehmen. Nach § 1 Abs. 3a Satz 6 AStG ist grds. der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen, wenn der Stpfl. nicht glaubhaft macht, dass ein anderer Wert innerhalb des Einigungsbereichs dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Die höchste Wahrscheinlichkeit (siehe § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG a.F.) spielt nun keine Rolle mehr (so auch Stein/Schwarz in DB 2021, 1292, 1296).

Zur konkreten Bewertung des Transferpakets enthält die Vorschrift § 1 Abs. 3b AStG keine Regelung. Dafür ist vielmehr die Funktionsverlagerungsverordnung – also die Regelungen §§ 2 ff. FVerlV – heranzuziehen. Außerdem sind die Ausführungen der Rn. 3.101 ff. und die Beispiele laut Anlage 3 des BMF-Schreibens vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, zu beachten.

Die Bestimmung des Einigungsbereichs ist in § 6 FVerlV näher geregelt (bisher § 7 FVerlV a.F., aber: durch die neue Funktionsverlagerungsverordnung erfolgen redaktionelle Anpassungen und Klarstellungen, vgl. BR-Drs. 423/22, 9).

Ausführungen zum Höchstpreis, also die Obergrenze des Einigungsbereichs, sind in § 6 Abs. 4 FVerlV zu finden. Regelmäßig ist Obergrenze des Einigungsbereichs i.S.d. § 1 Abs. 3a Satz 5 AStG »der Barwert der zu erwartenden finanziellen Überschüsse des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion« (so § 6 Abs. 4 Satz 1 FVerlV). Nach Satz 2 des § 6 Abs. 4 FVerlV sind tatsächlich bestehende Handlungsalternativen, die das übernehmende Unternehmen als vom verlagernden Unternehmen unabhängiges Unternehmen hätte, zu berücksichtigen – ohne allerdings die unternehmerische Dispositionsfreiheit des übernehmenden Unternehmens infrage zu stellen. Zum Mindestpreis i.S.d. § 1 Abs. 3a Satz 5 AStG enthält die Vorschrift § 6 Abs. 1 FVerlV Regelungen.

Außerdem ist § 2 FVerlV zu beachten. Dabei sind bei Ermittlung des Einigungsbereichs nach § 6 FVerlV alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Grundlage für die Ermittlung des Einigungsbereichs ist gem. § 2 Satz 1 FVerlV eine Funktions- und Risikoanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung. Neben den tatsächlich bestehenden Handlungsalternativen sind auch Standortvorteile und -nachteile sowie Synergie- und Steuereffekte zu berücksichtigen. Für die Berechnung des Einigungsbereichs ist gem. § 2 Satz 3 FVerlV eine kapitalwertorientierte Bewertungsmethode zu verwenden. Dabei sind nach § 2 Satz 4 FVerlV die dem Maßstab des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG entsprechenden Erwartungen der finanziellen Überschüsse der beteiligten Unternehmen, angemessene Kapitalisierungszinssätze nach § 4 FVerlV und ein von den Umständen der Funktionsausübung abhängiger Kapitalisierungszeitraum nach § 5 FVerlV zugrunde zu legen.

4. Escape-Klausel

Mit dem Abzugssteuerentlastungsmodernisierungsgesetz vom 2.6.2021, BGBl I 2021, 1259 wurde § 1 AStG umfassend geändert. Vor dieser Gesetzesänderung waren in § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG a.F. Ausnahmegestaltungen zu finden, bei denen in Einzelfällen (mit Glaubhaftmachung) eine Einzelbewertung der sich für die betroffenen Einzel-WG und Dienstleistungen ergebenden Verrechnungspreise vorgenommen werden konnten.

Durch das AbzStEntModG wurde die Öffnungsklausel allerdings erheblich eingeschränkt. Nur die in § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbsatz 1 erste Alternative AStG a.F. vorgesehene Ausnahmeregelung ist weiterhin im Gesetz, nämlich in § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG, zu finden (BR-Drs. 50/21, 81 und BT-Drs. 19/27632, 74). Die anderen Ausnahmeregelungen wurden ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen. Eine detaillierte Begründung und Ausführungen zur Reduzierung der Escape-Regelungen enthält die Gesetzesbegründung allerdings nicht (BT-Drs. 19/27632, 74; siehe auch: BR-Drs. 50/21, 81).

Eine Besonderheit und Möglichkeit zu Einzelverrechnungspreisen besteht nur noch dann, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Wesentlich in diesem Sinne sind immaterielle Wirtschaftsgüter gem. § 1 Abs. 3 FVerlV, wenn diese für die verlagerte Funktion erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile des Transferpakets beträgt. Laut Regelung muss dies zudem unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsverlagerung – laut Aufzeichnungen gem. § 2 Satz 2 FVerlV – glaubhaft sein.

Zudem ist § 1 Abs. 3b Satz 3 AStG zu beachten. Dort wird die Regelung des § 2 Abs. 2 FVerlV a.F. übernommen (BT-Drs. 19/27632, 74).

5. Preisanpassungsklauseln

Bisher enthielt die Vorschrift § 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG a.F. eine Preisanpassungsklausel. Mit dem AbzStEntModG wurde zur Regelung der Preisanpassungsklauseln die besondere Vorschrift § 1a AStG ins Gesetz aufgenommen.

§ 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG a.F. eröffneten die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen umfassende rückwirkende Preisanpassungen bzgl. des ermittelten Verrechnungspreises für wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile seitens der Finanzverwaltung durchzuführen.

Diese Möglichkeiten sehen auch § 1a Satz 1 und Satz 2 AStG vor, die inhaltlich – bis auf kleinere Abweichungen – dem § 1 Abs. 3 Satz 11 und Satz 12 AStG a.F. entsprechen (BR-Drs. 50/21, 4 und BT-Drs. 19/27632, 76).

Die neue Funktionsverlagerungsverordnung sieht nun keine Ausführungen mehr zu nachträglichen Preisanpassungen vor, da in § 1a AStG eine umfassende gesetzliche Regelung zu dieser Thematik zu finden ist. § 9 bis § 11 FVerlV a.F. wurden insofern ersatzlos gestrichen. Damit gelten die gesetzlichen Regelungen zu Preisanpassungsklauseln aber nicht mehr nur für die Funktionsverlagerung (siehe auch expliziter Wortlaut der Norm § 1a AStG).

Derartige nachträgliche Preisanpassungen durch die Finanzbehörden sind allerdings nur dann möglich, wenn von den beteiligten Unternehmen keine (fremdübliche) Preisanpassungsklausel vereinbart wurde. Bisher ergab sich dieser Grundsatz auch aus der Rn. 136 des BMF-Schreibens vom 13.10.2010, Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung. Im BMF-Schreiben vom 6.6.2023, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023, BStBl I 2023, 1094, wird unter der Rn. 3.136 ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine Anwendung der Preisanpassungsklausel, also der Vorschrift § 1a AStG, ausgeschlossen ist, wenn die Parteien eine sachgerechte Preisanpassungsklausel vertraglich vereinbart haben. Außerdem ergibt sich dieser Grundsatz auch aus dem Wortlaut des Gesetzes selbst (Rückschluss aus § 1a Satz 1 AStG). Wurde zwischen den beteiligten Unternehmen also eine fremdübliche Preisanpassungsklausel vereinbart, kommt die Vorschrift § 1a AStG nicht zur Anwendung.

Wenn wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter oder Vorteile im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen übertragen werden, kann sich nachträglich herausstellen, dass die den Preis bestimmenden Faktoren in erheblichem Umfang falsch eingeschätzt worden sind. Diese Annahme seitens der Finanzverwaltung kann durch die Beibringung geeigneter Unterlagen durch den Steuerpflichtigen widerlegt werden (beachte Wortlaut des Gesetzes – widerlegbare Vermutung).

Mit der gesetzlichen Fiktion von Preisanpassungsklauseln soll eine spätere Berichtigung bereits geprüfter Verrechnungspreise ermöglicht und die Bemessungsgrundlage gegen systematische Unterbewertungen geschützt werden.

5.1. Anwendungsvoraussetzungen des § 1a Satz 1 AStG

§ 1a AStG bezieht sich auf wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter oder Vorteile, die Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sind. Eine Legaldefinition des Begriffs der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter ist in § 1a AStG nicht enthalten. Wie bereits dargestellt, kann bei Funktionsverlagerungen aber auf § 1 Abs. 3 FVerlV und die dort zu findende Definition zurückgegriffen werden (BT-Drs. 19/27632, 76; BR-Drs. 50/21, 84).

Außerdem kann § 1a AStG laut Satz 1 nur dann angewendet werden, wenn die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnerwartung, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag, abweicht. Sind die vorgenannten Tatbestandsmerkmale erfüllt, greifen die im Gesetz vorgesehenen widerlegbaren Vermutungen. Gem. § 1a Satz 1 AStG wird dann also widerlegbar vermutet, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Verrechnungspreisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.

Die Vorschrift § 1a Satz 1 AStG entspricht inhaltlich weitestgehend der Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG a.F. Der Begriff der »Gewinnentwicklung« wurde allerdings durch den Terminus »Gewinnerwartung« ersetzt (BT-Drs. 19/27632, 76; BR-Drs. 50/21, 84). Ein weiterer Unterschied zwischen »alter« und »neuer« gesetzlicher Regelung: In § 1a Satz 1 AStG wird beispielsweise nicht explizit auf das Vorliegen einer Funktionsverlagerung und die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs Bezug genommen.

§ 1a Satz 2 AStG sieht zudem einen Zeitraum von sieben Jahren vor, in denen eine erhebliche Abweichung i.S.d. § 1a Satz 1 AStG eintreten muss und folglich eine Preisanpassung möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass bisher in § 1 Abs. 1 Satz 12 AStG a.F. ein Zeitraum von zehn Jahren vorgesehen war (BT-Drs. 19/27632, 76; BR-Drs. 50/21, 84).

Im achten Jahr nach Geschäftsabschluss ist dann gem. § 1a AStG eine Berichtigung gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG vorzunehmen. Dafür darf keine Preisanpassungsklausel vereinbart worden sein und bezogen auf die ersten sieben Jahre nach Geschäftsabschluss muss eine erhebliche Abweichung i.S.v. § 1a Satz 1 AStG eingetreten sein (siehe Wortlaut des Gesetzes, § 1a Satz 2 AStG).

Erheblich in diesem Sinne ist eine Abweichung gem. § 1a Satz 3 AStG, wenn der zutreffende Fremdvergleichspreis, der unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gewinnentwicklungen bestimmt wird, um mehr als 20 % von dem vereinbarten Verrechnungspreis abweicht. Die Bestimmung des zutreffenden Fremdvergleichspreises erfolgt dabei nach § 1a Satz 4 AStG unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze für die Bestimmung von Verrechnungspreisen.

Ein angemessener Anpassungsbetrag auf den Verrechnungspreis ist also bei Erfüllung der vorgenannten Tatbestandsmerkmale im achten Jahr nach Geschäftsabschluss der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 1a Satz 2 AStG). Zur Frage der Angemessenheit ist § 1a Satz 5 AStG zu berücksichtigen.

Eine Anpassung erfolgt zudem in den in Satz 6 des § 1a AStG genannten Fällen nicht. Die Rechtsfolge des § 1a Satz 2 AStG tritt dann nicht ein. Der Begriff »insbesondere« macht allerdings deutlich, dass es sich hierbei gerade nicht um eine abschließende Aufzählung handeln dürfte (jedoch keine Erläuterungen zu dieser Thematik in BT-Drs. 19/27632, 77 und BR-Drs. 50/21, 85).

6. EU-Rechtsverstoß der derzeit geltenden Regelung?

Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) könnte dadurch angenommen werden, dass sich die Verschärfung der Bewertung nach § 1 AStG die Niederlassung in einem EU-Mitgliedsstaat beeinträchtigt wird. Der Grund liegt in einer – nur bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen – verschärften Rechtsfolge, die bei rein nationalen Transfers nicht eintreten würde (dort verbleibt es bekanntlich bei der Entnahme bzw. bei der vGA).

Die Diskussion wird – wie immer – bei den Rechtfertigungsgründen geführt. Als solche kommen zwingende Gründe des Allgemeininteresses, nicht hingegen die bloße Sicherung nationalen Steuersubstrats in Betracht (siehe beispielsweise: EuGH vom 31.5.2018, Rs. C-382/16, DStR 2018, 1221).

Der EuGH hat beispielsweise die in Frankreich vorgesehene Wegzugsbesteuerung bei Wegzug natürlicher Personen in das EU-Ausland als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit erklärt (Hughes de Lasteyrie du Saillant; EuGH vom 11.3.2004, C-9/02, IStR 2004, 236).

7. Dokumentationspflichten

Zentrale Vorschrift im Zusammenhang mit den Dokumentationspflichten sind § 90 Abs. 3 AO und die Regelungen der Gewinnaufzeichnungsverordnung (Verordnung zur Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen i.S.d. § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung – GAufzV) sowie § 162 Abs. 3 und Abs. 4 AO (betreffend Schätzung). Aber auch die Norm § 90 Abs. 2 AO ist zu beachten.

Gem. § 90 Abs. 3 Satz 1 AO hat ein Stpfl. über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG Aufzeichnungen zu erstellen (→ Maßnahmen gegen missbräuchliche Steuergestaltungen mit Auslandsbezug – Rechtsentwicklung ab 2016). Es sind laut § 90 Abs. 3 Satz 2 AO insbes. eine Sachverhaltsdokumentation und eine Angemessenheitsdokumentation zu erstellen. Unter Berücksichtigung der Vorschriften § 90 Abs. 3 Satz 3 bis Satz 4 AO kann auch die Pflicht zur Erstellung einer Stammdokumentation bestehen.

Weitere Einzelheiten zu den Aufzeichnungspflichten sind u.a. in der »Verordnung zu Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen i.S.d. § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung (Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung – GAufzV)« vom 12.7.2017 (BGBl I 2017, 2387) zu finden. Aktuelle Informationen und Entwicklungen können zudem der Kommentierung und Rechtsprechung entnommen werden. Zudem erfolgt an dieser Stelle der Hinweis auf die Verwaltungsgrundsätze 2020, BMF-Schreiben vom 3.12.2020, BStBl I 2020, 1325.

Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 AO sind gemäß § 90 Abs. 4 Satz 3 AO innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen.

An dieser Stelle ist allerdings zu beachten, dass § 90 AO durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022, BGBl I 2022, 2730, geändert wurde.

8. Literaturhinweise

Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008, DStR 2008, 1945; Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung, DStR 2009, 1285; Blumers, Funktionsverlagerung und ihre Grenzen, DStR 2010, 17; Wehnert/Sano, Internationale Regelungen zu Funktionsverlagerungen, IStR 2010, 53; Crüger/Heggmair/Boehlke, Der Entwurf des BMF-Schreibens »Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung«, IStR 2010, 86; Tappen, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerung, SteuK 2010, 465; Micker, Verfassungsrechtliche Aspekte der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, IStR 2010, 829; Hervé/Gericke, Besteuerung von Funktionsverlagerungen: Veröffentlichung der neuen Verwaltungsgrundsätze – BMF-Schreiben vom 13.10.2010, BC 2010, 485; Kroppen/Nientimp, Generalthema 1: Funktionsverlagerung, IStR 2011, 650; Ebering, Wann sind Preisanpassungsklauseln bei Funktionsverlagerungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG fremdüblich?, IStR 2011, 418; Luckhaupt, Bewertungswahlrecht für Personenunternehmen bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, IStR 2012, 916; Hervé/Gericke/Gimmler, Lizenzgestaltungen im Rahmen der steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen, BC 2012, 552; Schilling/Kandels, Tatsächlicher Fremdvergleich bei Bewertung von Funktionsverlagerungen – notwendige Anpassungen von Vergleichspreisen, DStR 2012, 1099; Becker/Sandlos, Die Vereinbarkeit des § 1 Abs. 3 AStG mit den Prinzipien der steuerlichen Gewinnermittlung, DStR 2013, 154; Baumhoff/Liebchen, Seminar G: Steuerfragen im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern, IStR 2014, 711; Crüger/Riedl, Immaterielle Wirtschaftsgüter – aktuelle Entwicklungen zu Verrechnungspreisen, IStR 2014, 625; Baumhoff/Kluge/Liebchen, Überschießende Verrechnungspreiskorrekturen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG, IStR 2014, 515; Haverkamp/Meinert, Ubg 2020, 689; Jacobsen, DStZ 2021, 743; Stein/Schwarz, DB 2021, 1292.

9. Verwandte Lexikonartikel

Einkünfteermittlung bei der Einkommensteuer

Immaterielle Wirtschaftsgüter

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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